KASSEL. Landwirte aus dem gesamten Regierungsbezirk protestierten auf einer Traktor-Sternfahrt in Kassel gegen Subventionsabbau und behördliche Regularien. Regierungspräsident Mark Weinmeister sprach auf der Kundgebung und betonte die Wichtigkeit des respektvollen Dialogs zwischen Lebensmittelproduzenten und Behörden.
Weinmeister würdigte die Leistung der Landwirte als kritische Infrastruktur, die sicherstellt, dass die Lebensmittelversorgung nicht gefährdet ist. Er zeigte Verständnis für den Frust angesichts der angekündigten Einschnitte im Agrarsektor durch die Bundesregierung, insbesondere in Zeiten von Corona, Kriegen und Klimawandel.
Der Regierungspräsident unterstrich die Bedeutung des Dialogs und des Verständnisses für die Position des jeweils anderen. Er betonte, dass trotz inhaltlicher Differenzen ein vertrauensvoller Dialog auf Augenhöhe notwendig sei. Weinmeister versicherte, dass seine Tür immer offen für die Anliegen der Landwirtschaft stehe.
Die Sternfahrt, zu der der Regionalbauernverband Kurhessen e. V., der Kreisbauernverband Kassel e. V. und der Kreisbauernverband Werra-Meißner e. V. aufgerufen hatten, verlief friedlich. Etwa 1.700 Menschen mit rund 900 Traktoren und Fahrzeugen nahmen daran teil, um ihre Anliegen vor dem Regierungspräsidium in Kassel zu verdeutlichen.
Die Veranstaltung wurde im Vorfeld als Aufzug mit 500 erwarteten Fahrzeugen von sechs verschiedenen Orten bis zum Regierungspräsidium Kassel angemeldet.
Sternfahrt nach Kassel
Ab 8:30 Uhr setzten sich rund 900 Fahrzeuge, hauptsächlich Traktoren, aus verschiedenen Orten (Wabern, Fuldabrück, Kaufungen, Vellmar, Wolfhagen, Hofgeismar) in Richtung Kassel in Bewegung. Während der Anfahrt kam es zu den erwarteten Verkehrsbehinderungen. Im Innenstadtbereich wurden die Frankfurter Straße und der Steinweg zwischen Fünffensterstraße und Altmarkt-Kreuzung gesperrt, um Platz für die Abschlusskundgebung und das Abstellen der Fahrzeuge zu schaffen. Aufgrund der großen Teilnehmerzahl wurden zusätzliche Sperrungen auf der Weserstraße und zwei Fahrstreifen der Frankfurter Straße am Weinberg eingerichtet. Das Parken der Fahrzeuge verlief problemlos, Rettungswege wurden freigehalten.
Die Kundgebung vor dem Regierungspräsidium Kassel verlief von 11:30 bis 12:30 Uhr ohne Störungen, so ein Polizeisprecher. Die Abreise der Traktoren wurde ebenfalls ohne Probleme abgeschlossen. Die Bevölkerung war offenbar gut über die Proteste informiert, was zu einem moderaten Verkehrsaufkommen führte. Das polizeiliche Einsatzkonzept trug dazu bei, dass es über die erwarteten Verkehrsbehinderungen hinaus keine außergewöhnlichen Störungen gab.
Kirche nimmt Sorgen der Landwirtschaft ernst und warnt vor Radikalisierung
Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck (EKKW) äußert ihre ernsthafte Besorgnis über die aktuellen Proteste der Landwirte und warnt gleichzeitig vor einer Vereinnahmung durch radikale und rechtsextreme Gruppen, so Prälat Burkhard zur Nieden.
Die EKKW begrüßt die Distanzierung der protestierenden Landwirte von radikalen Strömungen und ermutigt zu einem kreativen Ausdruck dieser Distanzierung. Die Kirche betont die Bedeutung freier Meinungsäußerung und öffentlichen Diskurses durch friedliche Demonstrationen in einer lebendigen Demokratie. Gleichzeitig lehnt sie jegliche Form von Gewalt oder Radikalisierung, auch in der Sprache, ab und fordert die Organisatoren der Proteste auf, dies zu unterbinden.
Die Kirche erwartet von den Demonstranten und der Politik Augenmaß und appelliert daran, die zusätzlichen Belastungen für landwirtschaftliche Betriebe nicht zu vernachlässigen. Bauern und Bäuerinnen seien als Erzeuger und Verbraucher doppelt belastet, insbesondere in kleineren Familienbetrieben. Prälat Burkhard zur Nieden betont die Dankbarkeit der Landeskirche für das Engagement der Landwirtinnen und Landwirte im Streben nach hochwertigen Lebensmitteln.
Die Landwirtschaft steht vor Herausforderungen durch Klimaveränderungen, und die Kirche erkennt die Bereitschaft zur Veränderung in der Branche. Der Prälat unterstreicht die Notwendigkeit des Dialogs zwischen Menschen unterschiedlicher Meinungen und hofft, dass die aktuellen Aktionen dazu beitragen, den Austausch über Landwirtschaft, Klimaschutz und gesunde Ernährung zu fördern.
Zum Schluss verweist der Prälat auf den Glyphosatprozess der EKKW, bei dem betroffene Parteien bei Veränderungen angehört und beteiligt werden müssen. Appelle an Pächter und Pächterinnen von kircheneigenem Land, Glyphosat nicht einzusetzen, werden seitdem ausgesprochen, und auf selbst bewirtschafteten Flächen der Kirche wird das Unkrautvernichtungsmittel grundsätzlich nicht mehr verwendet.
Hintergrund zu den Bauernprotesten
Die Bauernproteste in Nordhessen sind Teil einer bundesweiten Protestwelle von Landwirten gegen die geplanten Steuererhöhungen für Agrardiesel. Die Bundesregierung hat angekündigt, dass sie die Kfz-Steuerbefreiung für landwirtschaftliche Fahrzeuge streichen und die Mineralölsteuer für Agrardiesel erhöhen will. Die Landwirte argumentieren, dass diese Maßnahmen ihre Produktionskosten erhöhen und ihre Wettbewerbsfähigkeit schwächen würden.
Die Proteste in Nordhessen begannen am Montag, dem 8. Januar 2024, mit Traktor-Corsos, an denen Tausende Bauern aus ganz Hessen teilnahmen. Die Proteste der Landwirte sind ein Zeichen dafür, dass die Landwirtschaft in Deutschland unter erheblichen Druck gerät. Die steigenden Kosten für Energie, Düngemittel und Lebensmittel machen es den Landwirten zunehmend schwer, ihre Betriebe wirtschaftlich zu führen. (wal)
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2 Kommentare
Hoffentlich verunglückten nicht noch mehr Menschen an einem Stauende einer Blockade
Was wir nun passieren??
Im Endeffekt nichts. Es wird hier und da noch einige Demonstrationen geben, an manchen Orten werden Rundballen
aufgestellt mit dem Schriftzug „Die Ampel muss weg“. In der Berlin wurde am Dienstag das Gesetzt zur Kürzung bzw. Streichung der Subventionen verabschiedet. „Die“ in Berlin interessiert es nicht ob hier demonstriert wird oder nicht.
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