Baulandumlegeverfahren startet in Schwalmstadt…
SCHWALMSTADT. „Baulandumlegungsverfahren“. Wer erfindet solche Worte? Und wer versteht, was sie bedeuten? Je mehr etwas „Aua macht“, desto weiter klingt das Wort von seiner Bedeutung entfernt. Immer dann, wenn’s im Guten nicht geht, wird umgelegt. Gott sei dank nicht der Eigentümer. Eigentlich auch nicht das Bauland, sondern das Eigentum und sein Wert …
Im Grunde wird dabei Prärie als Bauland bewertet und am Ende ist der Acker woanders oder Geld in der Tasche. Der Reihe nach: Eigentlich ist die Planung für das Gewerbegebiet an der Anschlussstelle zur A 49 Schwalmstädter Stadtteil Treysa ein alter Hut. Mehrere Bürgermeister haben sich an dem Thema die Zähne ausgebissen, wenig Erfolg in der Umsetzung gehabt und schließlich nur den Status quo erhalten. Der heißt: „Wir wollen bauen (lassen), haben aber kein einziges Grundstück!“ Lange Zeit war auch nicht klar, ob die Autobahn kommt.
Jetzt wird die Kommunikation besser
„Das bisherige Vorgehen war von unterschiedlichen Vorgehensweisen meiner Amtsvorgänger geprägt“, bewertete Tobias Kreuter am Dienstagabend im Haus für Gemeinschaftspflege die Historie sachlich korrekt. Für ein Gewerbegebiet, so der Bürgermeister, gab es bereits 2005 erste Ideen. Mit Frielendorf solle das mal interkommunal entwickelt werden (nachdem dort das Gewerbegebiet am Hollenbach bereits interkommunal zustande kam). Jetzt wird es ernst. Die Veranstaltung allerdings sei lediglich eine Information an alle Betroffenen und Interessierten, also keine offizielle Veranstaltung im Rahmen des Umlegeverfahrens.
Eigentum sei ein hohes Gut in der Verfassung, erklärte Kreuter, und jeder Eigentümer habe ein Recht, gefragt zu werden. Er räumte ein, „die Kommunikation war in den vergangenen Jahren vielleicht nicht ausreichend.“ Er bat für die Stadt um Entschuldigung und unternimmt jetzt den Versuch, es besser zu machen.
Einigung mit 20 Eigentümern
Dort wo eines Tages Logistikhallen und Gewerbebetriebe für Arbeitsplätze und gewerbesteuerträchtige Gewinne sorgen sollen, gibt es zurzeit etwa 20 Eigentümer. Alle wurden inzwischen angeschrieben, mit einigen telefoniert oder persönlich gesprochen. Die Haltung der Eigentümer reichte von Verkauf, Tausch bis zu klaren Absagen. Weil es wegen dieser Uneinheitlichkeit unwahrscheinlich schien, den Auftrag des Parlaments erfüllen zu können, wurde der Prozess der Baulandumlegung eingeleitet. Ein Verfahren, so Kreuter, das demokratisch legitimiert ist. Im Gegeneinander von zwei Interessen (x 20) muss der Eingriff nach einem klaren Verfahren ablaufen, mit dem Ziel, alle Eigentümer finanziell gleich zu behandeln.
Thomas Raue, Ex-Bürgermeister in Habichtswald, heute Coach und Berater, unterstützt die Stadt und moderierte die Informationsveranstaltung, in der Bauamtsleiter Alexander Inden das Projekt mit einem Abriss der Planung zunächst vorstellte.
Wenig Erschließungsfläche, mehr Grün
2017 wurde bereits den Flächennutzungsplan erstellt die Träger öffentlicher Belange beteiligt. Die Bezeichnung lautet Vorranggebiet Logistik und Gewerbe. Der Bebauungsplan stand im April 2024 auf der Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung. Entlang der Autobahn sind Gewerbegebiete erwünscht, Gewerbe- oder Industriegebiete möglich. In Schwalmstadt soll es ein nachhaltiges Gewerbegebiet sein. Das bleibt eine schwammige Formulierung. Eingeplant sind besondere Regeln zur Begrünung, Versickerung, Gebäudeeffizienz, eingeschlossen werden „Autoaffine Nutzungen“. Die Umsetzung erfolgt in einem zweistufigen Verfahren mit Ausgleich. Der Eingriff in Landwirtschaft tangiert auch die Wasserrahmenrichtlinie und geht einher mit der Renaturierung der Schwalm. Vorgesehen sind so wenig wie möglich Erschließungsflächen und eine Pumpleitung zur Kläranlage Florshain, die ohnehin modernisiert werden muss.
Frau Ina Schäfer Fachbereichsleiterin Amt für Bodenmanagement (AfB), der nun auf Wunsch der Stadt federführenden neutralen Behörde, erklärte das „gesetzlich geregelte förmliche Grundstücksflächentauschverfahren. Die Kommune ist zuständig, aber das AfB handelt.
Klare Regeln
Status der Flächen ist jetzt „Bauerwartungsland“. Nach Anordnung des Umlegungsverfahrens erfolgt die Anhörung der Eigentümer, dann der Umlegungsbeschluss. Maßgeblich sind Bestandsverzeichnis und Bestandskatalog. Die Umlegungsmasse abzüglich der örtlichen Erschließungsflächen ergeben die Verteilungsmasse. Die Eigentümer bringen Rohbauland ein und bringen Bauland raus. Die Abfindung erfolgt als Fläche oder wird ausgezahlt auf Basis des Eingangs. Es stehen Ersatzflächen zur Verfügung, wenn auch nicht alle in der Gemarkung Treysa.
Verwaltungsakt ist öffentlich und die Kommune darf den Umlegungsvorteil abschöpfen. (Ver)Handeln können die Eigentümer nicht. Es gibt einen einheitlichen Preis. Für Autobahnmeisterei und Rasthof gibt es eigene Bebauungspläne.
HINTERGRUND: Baulandumlegeverfahren
Ein Baulandumlegungsverfahren für ein Gewerbegebiet in der Nähe einer (geplanten) Autobahn ist ein komplexer Prozess, insbesondere wenn es viele Eigentümer gibt, wie an der A49 mit 20 Landwirten/Eigentümern. Hier ist ein Überblick über die einzelnen Schritte und Aspekte des Verfahrens, die in der Flurbereinigung eine zentrale Rolle spielen.
1. Ziel und Zweck des Verfahrens
Das Baulandumlegungsverfahren zielt darauf ab, bestehende landwirtschaftliche Flächen so umzugestalten, dass sie für ein Gewerbegebiet nutzbar werden. Für das Projekt ist es wichtig, die Flächen so zu verteilen und neu zuzuschneiden, dass sie einer städtischen Bauplanung entsprechen und der Bau (der Autobahn) ermöglicht wird. Dabei geht es auch darum, allen Eigentümern einen gerechten Ausgleich zu bieten und die wirtschaftliche Nutzung der Flächen zu optimieren.
2. Start des Verfahrens und Beteiligung des Eigentümers
In der Regel beginnt das Verfahren mit einer Vorbereitungs- und Planungsphase, in der alle Eigentümer – hier die 20 Landwirte – über das Vorhaben informiert werden. Eine Baulandumlegung findet immer in einem gesetzlich geregelten Rahmen statt, und alle betroffenen Grundstückseigentümer werden in den Prozess einbezogen. Die Behörden, meist das Amt für Bodenmanagement oder ein spezielles Flurbereinigungsamt, laden alle Betroffenen zu Informationsveranstaltungen und Gespräche ein. Die Zustimmung der Mehrheit der Eigentümer ist hier von Vorteil, um das Verfahren reibungslos durchführen zu können.
3. Flurbereinigung als zentraler Bestandteil
Die Flurbereinigung hilft, die ursprünglichen Grundstücksgrenzen und -größen den neuen Anforderungen anzupassen. Dabei werden die oft fragmentierten, kleinen und unregelmäßig geformten landwirtschaftlichen Parzellen zu größeren, zusammenhängenden Gewerbeflächen umgestaltet. Die Flurbereinigung kann freiwillig oder, wenn nötig, auch intensiv durchgeführt werden. Ziel ist es, die Grundstücke so aufzuteilen, dass alle Eigentümer weiterhin Anteile besitzen, die nach der Umlegung nutzbar und erschließbar sind.
4. Festlegung von Werten und Entschädigung
Eine Herausforderung bei der Baulandumlegung besteht darin, für jeden Landwirt eine faire Bewertung der alten Grundstücke vorzunehmen. Dabei wird häufig ein Bodenrichtwert herangezogen, der die landwirtschaftlichen Nutzflächen und die neu entstehenden Gewerbeflächen unterschiedlich bewertet. Die Differenz zwischen landwirtschaftlichem Wert und Gewerbewert führt meist zu einer finanziellen Entschädigung oder einem Tausch von Flächen.
Oft erhalten die Landwirte auch Ersatzgrundstücke in einer anderen Region, falls ihre ursprünglichen Grundstücke für das Gewerbegebiet oder den Autobahnbau benötigt werden. Darüber hinaus gibt es für Landwirte, deren Existenz durch den Flächenverlust stark beeinträchtigt wird, spezielle Ausgleichsregelungen.
5. Neuaufteilung und Erschließung der Flächen
Nach der Bewertung und Vereinbarung einer fairen Entschädigung oder eines Ersatzes werden die Grundstücke neu aufgeteilt. Dabei legt die Flurbereinigungsbehörde fest, wie die neuen Grundstücke geschnitten werden und wo Zufahrtswege, Versorgungsleitungen und Entwässerungssysteme verlaufen. Ziel ist es, eine gute Infrastruktur für das zukünftige Gewerbegebiet sicherzustellen.
Jeder Eigentümer erhält dann eine neue Parzelle, die im Wert dem entspricht, was er zuvor besessen hat, jedoch in Form eines Baulandes, das künftig als Gewerbegrundstück genutzt werden kann.
6. Abschluss des Verfahrens und Eintragung ins Grundbuch
Nach der erfolgreichen Neuaufteilung und Flächenerschließung wird das Verfahren offiziell abgeschlossen. Die neuen Grundstücksgrenzen werden ins Grundbuch eingetragen, und jeder Eigentümer erhält eine neue Grundbuchurkunde für seine neuen Grundstücksanteile. Die Eigentümer können dann ihre Flächen entweder selbst vermarkten, bebauen oder verkaufen.
7. Besonderheiten und Herausforderungen
Einige der Herausforderungen in diesem Verfahren umfassen:
- Einigung zwischen den Landwirten: Gerade bei 20 Eigentümern kann es zu Interessenkonflikten kommen, insbesondere wenn einzelne Landwirte große Flächen verlieren oder unzufrieden mit der neuen Verteilung sind.
- Finanzielle Aspekte: Die Bewertung landwirtschaftlicher Flächen und ihre Umwandlung in Gewerbegebiete haben große finanzielle Auswirkungen. Es kann daher zu längeren Verhandlungen über Kompensationen kommen.
- Ökologische und rechtliche Anforderungen: Besonders in Hessen gibt es oft strenge Umweltvorschriften. Der Bau an Autobahnen muss ebenfalls den Naturschutz berücksichtigen. Hierbei müssen beispielsweise Ausgleichsmaßnahmen für verloren gegangene Biotope oder Fruchtflächen durchgeführt werden.
Fazit
Ein Baulandumlegungsverfahren für ein zukünftiges Gewerbegebiet in der Nähe einer neuen Autobahn mit so vielen Beteiligten ist eine vielschichtige, aber geregelte Aufgabe. Die Flurbereinigung spielt hier eine wichtige Rolle, um sicherzustellen, dass alle betroffenen Landwirte eine faire Lösung erhalten und die Planung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Durch die Umlegung wird ermöglicht, dass die Flächen wirtschaftlich sinnvoll genutzt und zukunftsfähig umgestaltet werden können.
Gegen das Verfahren oder die Ergebnisse ist schwer juristisch vorzugehen. Außer es unterlaufen dabei Fehler. (rs)
4 Kommentare
Das unsinnige Gewerbegebiet an der A49 braucht wirklich keiner, es gibt bereits ausreichend Gewerbegebiete und eine weitere Flächenversiegelung von kostbarem Ackerboden ist nicht hinnehmbar und vor allem die Eigentümer möchten ihren Grund auch nicht Verkaufen oder gegen andere Flächen Tauschen.
Kommt da jetzt die Enteignung durch die Hintertür ???
Aber es Scheint auch hier wieder so zu sein das die Gier nach Geld den Verstand Frisst und der „Imobilienhunger“ nur die $ Zeichen im Auge hat. Die Nachfolgenden Generationen werden uns dies mit Sicherheit nicht Danken.
Man kann von ausgehen, dass sich bei den momentanen unklaren politischen Rahmenbedingungen und den teuren Produktionskosten hier kein produzierendes Gewerbe ansiedeln wird.
Folglich werden hier große Logistikhallen entstehen. D..h. rießige Flächen werden versiedelt und es werden ein paar Arbeitsplätze geschaffen, bei denen die Entlohnung so hoch sein wird, dass man davon keine Familie ernähren kann.
Klar, werden ein paar Gewerbesteuereinnahmen eingenommen werden, die aber wiederum in den Straßenbau investiert werden müssen, oder die Beseitigung des Mülls, der am Straßenrand anfallen wird.
Für die Stadt stellt das Gewerbegebiet keinen Mehrwert da, sondern Fahrzeuge werden in Zukunft unsere Straßen sehr belasten und kaputtfahren.
Stellt sich die Frage wer sich im neuen Gewerbegebiet ansiedeln will,
Wenn man damit rechnen muss, dass alle 2-3 Jahre die Autobahn mehrwöchentlich gesperrt wird weil rund um den Tunnel wieder etwas abfällt, mhh.
Aber das hält sicher trotzdem den örtlich bekannten „Immobilienentwickler“ nicht davon ab, wieder mächtig viel Beton in die Landschaft zu verbauen.
Also eine legalisierte Zwangsenteignung ! 😉
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