BAUNATAL. Baunatal, die drittgrößte nordhessische Stadt, wählt am Sonntag nicht nur das Europaparlament, sondern auch – zum dritten Mal in 6 Jahren – eine neue Person ins Bürgermeisteramt. Vor 6 Jahren, im Mai 2018, verstarb tragisch und unerwartet Manfred Schaub.
Kaum 3 Jahre danach wurde Nachfolgerin Silke Engler Erste Kreisbeigeordnete. Wiederum gut zwei Jahre später folgte die nächste Amtsinhaberin, Manuela Strube, dem Ruf als Staatssekretärin ins Hessische Sozialministerium.
Baunatal ist keine Versuchsanstalt für Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Obwohl alle Kandidaten, die in der Volkswagenstadt antreten, spontan gefragt werden, ob es eine gute Idee ist, in Baunatal JETZT Bürgermeister zu werden. Aber wann ist der gute Zeitpunkt und wie lange hält es eine Stadt aus ohne Bürgermeisterin? Nach der Finanzkrise, der Dieselkrise, der Coronakrise, der Ukrainekrise und der Klimakrise, die allesamt immer dazu geführt haben, dass zumindest ein wesentlicher Steuerzahler kontinuierlich weniger Gewerbesteuer zahlen musste, weil die Gewinne nicht mehr sprudeln, steht vor allem eine Frage im Raum: Wie heißt die nächste Krise? Und woher das Geld nehmen, um Haushaltslöcher zu verhindern?
Für größere Aufgaben qualifiziert
Nun ist es tatsächlich nie so gewesen, dass sich die bisherigen Bürgermeister (innen) blöd angestellt hätten. Sie haben ihren Job sogar so vortrefflich gemacht, dass sie sich damit für neue und gewiss nicht schlechtere Aufgaben empfohlen haben. Was passiert, wenn der nächste Bürgermeister erneut zu gut für die Stadt ist oder sich durch Leistung profiliert? Sollte man den Baunatalern empfehlen, die schwächste Person ins Amt zu wählen, damit die Amtszeit wenigstens einmal wieder die 3-Jahres-Marke überschreitet? Bei Papstwahlen ein bewährtes Prinzip. Wer bietet sich da an?
Gerhild Tuchan, einst GRÜNEN-Chefin in Baunatal und jetzt parteilos, aber im Herzen augenscheinlich grüner als die Baunataler GRÜNEN, hat zumindest schon mal ein Zeichen gesetzt. Statt Sportstadion und Sportplätzen könnte man auf den Grundstücken der Arenen und Ertüchtigungsanlagen auch hübsche Wohnungen bauen. Das stimmt! Es ist aber gleichzeitig mutig für eine ehemalige Nationalspielerin im Badminton. Ich weiß nicht, ob das in einer Stadt mit mehr als 50 Prozent-Anteil an Vereinsmitgliedern in der Bevölkerung, noch zu einer absoluten Mehrheit reicht? Rein rechnerisch wird das knapp. Guter Schachzug!
Ein Fluch liegt auf der Stadt?
Vielleicht könnte sich der KSV Baunatal darüber aber doch freuen? Denn tatsächlich sind nach dem Bau des Parkstadions die Zweitliga-Höhenflüge ein für alle Mal vorbei gewesen. Wenn auf dem Stadion offensichtlich ein Fluch liegt, würde der Durchmarsch von der Hessenliga in die Bundesliga nach dem Abriss vielleicht wieder klappen? Das Auestadion in Kassel hat jetzt eine Flutlichtanlage. Die hat in den 70ern gefehlt.
Die Schwimmer fahren inzwischen auch ins Hallenbad nach Kassel. Geht doch! Zumindest ist das Sportbad bei allen drei Kandidaten kein Thema mehr. Henry Richter, früher SPD, dann Mitglied der GRÜNEN-Fraktion und jetzt doch kein GRÜNER mehr, aber von den GRÜNEN (und der FDP) als Parteiloser unterstützt, war der letzte, der die AquaPark-Fahne noch hochgehalten hatte. In einem Land, das sich seit Jahren erfolgreich gegen jeden Versuch stemmt, Olympische Spiele auszurichten, machen reine Leistungsspotarenen vielleicht auch wirklich weniger Sinn. Dann ist Baunatal seiner Zeit voraus!
Die Legenden um den Ersten Stadtrat
Was gibt es noch für Gründe, einen Bürgermeisterkandidaten nicht zu wählen? Die CDU! Die hat ihre jahrelange Opposition aufgegeben und arbeitet mit der SPD zusammen, die wiederum – ohne Not – der Kooperation zugestimmt hat. Ok, bei nur einer Stimme Mehrheit in der „STAVO“ hätte nie jemand krank werden dürfen, um die Mehrheit zu behaupten. In rauen Zeiten, die klare Entscheidungen erfordern und möglichst eine breite Basis, könnte man diesen gemeinsamen Schritt als wegweisend betrachten. Es scheint auch ganz gut zu funktionieren. Nachdem die CDU-Kandidaten immer nur zweiter oder dritter Sieger in Baunatal waren, haben sie diesmal – und nicht zum ersten Mal – verzichtet.
Auch verzichtet haben die Sozialdemokraten, nämlich auf den Ersten Stadtrat, falls diese Position überhaupt freiwerden sollte. Wenn wir in die Hessische Gemeindeordnung (HGO) schauen, dann wählt ein Parlament den Ersten Kreisbeigeordneten, Ersten Stadtrat, oder was auch immer. Und natürlich geschieht dies nach den Mehrheitsverhältnissen. Faktisch kann sich jeder bewerben, tatsächlich kann man die Wahlen an einer Hand abzählen, in denen jemals jemand ohne Parteibindung aus einer Spontanbewerbung heraus eine solche parlamentsinterne Wahl in Hessen gewonnen hätte. Das Vorschlagsrecht des kleineren Koalitionspartners ist also lediglich der Verzicht des größeren Koalitionspartners auf ein Mandat. Das haben die Grünen, die als einzige damit hadern, im Kreistag in Kassel übrigens gerne in Anspruch genommen. Sogar ein zusätzlicher Kreisbeigeordneter sollte für die Koalitionszusage mit der SPD schon herausspringen. Das ist übrigens völlig in Ordnung. Also, wo ist das Problem? Auch kein Grund, einen Kandidaten nicht zu wählen?
Auf der Suche nach dem Niemandsland
Was bleibt? Baunatal, Pardon, Großenritte Nord. Da existiert laut Regionalplan eine Potenzialfläche. Wofür auch immer. Und Daniel Jung hat sich als einziger nicht kategorisch für alle Zeit gegen eine Nutzung ausgesprochen. Aber dort kann gebaut werden. Sonst wird’s schwierig. Ok, wahrscheinlich gibt es sogar ausreichend unbebaute Flächen im Innenbereich, also zwischen den vielen Häusern, wo noch was zwischengemauert werden könnte. Der Haken? Sie haben alle Eigentümer. Baunatal ist nicht die einzige Stadt in Hessen, in der es kein Niemandsland gibt. Nur zwei Eigentümer haben spontan Verkaufsabsichten geäußert. Da wird der Begriff Klinkenputzen bald völlig neu definiert. Das Parlament hat unter dem Eindruck der Bürgermeisterwahl nämlich entscheiden: Nichts geht gegen den Willen der Grundstückseigentümer!
Also: Womit kann sich ein Bürgermeister beliebt oder unbeliebt machen? Für alle Flächen, die nicht landwirtschaftlich genutzt werden, aber bebaut werden dürften, könnte er oder sie eine Grundsteuer C einführen – wenn die Stadtverordnetenversammlung mitspielt -, die so hoch ist, dass viele Eigentümer dem Kostendruck erliegen und freiwillig verkaufen. Ok, das ist dann auch Wille der Eigentümer. Die andere ist, den Eigentümern der landwirtschaftlichen Flächen so viel Geld zu bieten, dass sie willensschwach werden. Das macht Wohnungen hinterher nicht billiger. Aber dann hätte sich die Bürgerinitiative wenigstens bezahlt gemacht.
Wenn nichts mehr geht …
Wenn auch das alles nicht klappt, gibt es auf absehbare Zeit in Baunatal eben keine neuen Wohnungen. Übrigens auch keine neuen Gewerbebetriebe, die alle drei Kandidaten gerne ansiedeln würden. Kein Land, kein Spatenstich! In der Steinzeit hat eine Sippe dann einfach die Nachbarsippe überfallen. Jetzt könnten die Baunataler höchstens in Schauenburg oder Edermünde einfallen. Dort ist man gewappnet. Weil es in allen Kommunen derzeit die gleichen Bemühungen gibt, weder Wälder abzuholzen noch gute Böden zu bebauen und auch keine Grundstücke zu enteignen, könnte das vielleicht die nächste Krise in der Folge von Dauerkrisen auslösen. Die Wohnungs- und Wirtschaftskrise?
Was ist da schon das Richtige? Ich ahne, es ist noch nicht alles zu Ende gedacht und Baunatal wird sich doch nicht für den schlechtesten Kandidaten entscheiden, sondern – wie immer – das Beste draus machen. Wäre nicht das Schlechteste!
Ihr
Rainer Sander