Gestern Abend: 50 Jahre Schwalm-Eder-Kreis
HOMBERG. Phil Schaller aus Wabern kann so alt werden, wie er will, er wird immer mit dem Voice-Kids-Etikett geschmückt. Als er in der gestrigen Geburtstagsfeier „50 Jahre Schwalm-Eder-Kreis“ die WM-Hymne „Auf uns“ anstimmte, klatschte der Saal rhythmisch mit. Niemand wusste, dass der Andreas Bourani-Producer und Songwriter Thomas Olbrich Frielendorfer ist.
Es ist zufällig auch ein Schwalm-Eder-Hit, auch wenn er in einem Studio in Berlin entstand. Man kann nicht alles sehen und auch nicht vorhersehen. Das stellte Regierungspräsident Mark Weinmeister fest, der wie Landrat Winfried Becker in Guxhagen wohnt. Eines seiner ersten politischen Wörter, die er gelernt habe in Bezug auf den Landkreis, war: „Zonenrandförderung“, das Hartz IV für Landkreise.“
Mitten in Deutschland – mitten in Europa
Heute liegt der Landkreis mitten in Deutschland und mitten in Europa, hat, wie Winfried Becker feststellte, eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten in Hessen mit 4,6 Prozent. Dass hier nichts mehr gefördert werden muss, konnte bei der Gründung des Kreises genauso wenig jemand wissen, wie man sich vorstellen konnte, dass es einmal eine Partnerstadt Pila in Polen geben wird. Aber auch nicht, dass heute ein Krieg in Europa abermals die Menschen belastet. „Auch ich“, so Weinmeister, „dachte nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, jetzt herrscht ewiger Frieden. Ein Ende der Geschichte wird es nie geben!“
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Zurück zum Anfang der Geschichte. Alle Geburtstage haben eins gemeinsam. Die Gefeierten haben meist wenig Erinnerung an den Moment der Geburt. Wir bekommen stets erzählt, wie süß und niedlich wir waren. Der Schwalm-Eder-Kreis hat seine Mütter und Väter inzwischen fast alle überlebt, es bedarf vieler Zeugen, um die Erinnerung aufzurufen. Dafür hat der Kreis eine Festschrift beziehungsweise eine Chronik erstellt, die an die Gäste verteilt wurde. In der Feier ging es nicht nur um die Geschichte des Kreises, sondern auch um aktuelle Herausforderungen.
Kein schönerer Ort in dieser Welt …
Ein paar Daten nannte Landrat Winfried Becker. „Auf uns“ hätte man auch 1974 schon singen können, als der Landkreis geboren wurde. Es war Weltmeisterschaft im eigenen Land und sie wurde – wie 2014 – gewonnen. ABBA gewann mit „Waterloo“ den Grand Prix. Moderator Thomas Ranft (Alle Wetter) fiel in ABBAs Text von Honey Honey, den Schüler der Musikschule Schwalm-Eder vortrugen die Zeile „There’s no other place in this world where I rather would be“ auf, die das Quartett bestimmt als Geheimbotschaft für den gerade entstandenen Landkreis eingefügt hat. Kein Ort auf dieser Welt, wo man lieber sein würde.
Helmut Schmidt trat damals sein Amt an, nachdem Willy Brandt zurückgetreten war, die Verkehrssünderkartei startete ihre Punktesammlung (auch der Landrat ist Kunde), Playmobil kam auf den Markt und der Europäische Rat wurde gegründet. Er versuchte sich vorzustellen, wie es wohl möglich gewesen ist, dass sich die Landräte Franz Baier (Melsungen), August Franke (Fritzlar-Homberg) und Albert Pfuhl (Ziegenhain) auf August den Starken einigten. Alle Wege von Nord nach Süd führen durch den Schwalm-Eder-Kreis. Winfried Becker erinnerte auch an die schicksalhaften Stunden des Kreises, wie das Grubenunglück in Borken. Dass der Kreis von Ehrenamtlichen getragen wird, hatte seinen Platz in der „Abteilung Danke“ seiner Ansprache und kam auch in den Diskussionsrunden nicht zu kurz.
Hier nimmt man das Schicksal und Kompromisse in die Hand
Mark Weinmeister erinnerte sich, dass er mit damals sieben Jahren immer die Hitparade geschaut hat. Ein festes Ritual. Aus 39 Landkreisen wurden damals 21, also etwa das Verhältnis 2 : 1. Scheinbar habe man geschaut, wo die Menschen sind, die mehr leisten können und die Vereinigung von drei Landkreisen wuppen. Die Entscheidung, Homberg als Kreisstadt zu wählen, sei ein weiser Kompromiss gewesen, denn so gab es unter den bisherigen Kreisstädten keinen Gewinner. Heute bereitet ihm Sorgen, dass bei Verhandlungen immer gefragt werde, wer das meiste durchgesetzt habe. Das sei das Ende von Kompromissen. Die weitere Spaltung der Gesellschaft bereitet ihm Sorgen.
Die Prognosen für den Kreis haben einmal einen Bevölkerungsrückgang von 20-30 Prozent prophezeit. Das ist so nicht gekommen. Man könne sein Schicksal also in die eigene Hand nehmen. An eine Region zu glauben bedeute, eine Zukunft zu sehen. Wenn man auf dem Heiligenberg ins Edertal schaut, vom Knüllköpfchen die Landschaft genießt oder auf der Kapelle Schönberg den Sonnenuntergang erlebt, wisse, es gibt nichts Schöneres. Der Satz, „es lohnt sich in diesem Kreis und in dieser Gesellschaft zu leben“ erinnerten an Worte seines Amtsvorgängers Walter Lübcke in der Lohfeldener-Rede. Für Landrat Becker ein trauriges Kapitel und Grund genug, gemeinsam gegen Tendenzen nach Rechts einzutreten.
Entwicklung und Zukunft
Der Kreistagsvorsitzende Michael Kreutzmann schilderte die politische Entwicklung im Kreistag von einst drei Parteien auf heute neun und die Entstehung der Hoheitszeichen. Einst sollte auch die Fulda im Kreisnamen vorkommen, was vom Land nicht genehmigt wurde, hatte Becker bereits resümiert. Im Wappen sind aber alle drei als silberne Linien vorhanden. Fast niemandem, so Kreutzmann, seien die offiziellen Farben des Landkreises bewusst. Die Original-Fahne, die rechts und links der Bühne aufgehängt war, erinnert stark an die spanischen Farben. Zwei Tourismusregionen, die sich offensichtlich ganz gut verstehen.
In zwei Talk-Runden mit Handwerkskammer-Präsident Frank Dittmar und Bürgermeister Dr. Nico Ritz sowie Freifrau Donata Schenck zu Schweinsberg, Werner Bär und Lea Lange ging es um Wirtschaft und Ehrenamt. Handwerkskammer-Präsident Dittmar erntete Beifall für die Forderung nach Fächern wie „Werken“ und eine Abkehr von der Akademisierung in der Schulausbildung. Die frühere DRK-Vizepräsidentin Schenck zu Schweinsberg nannte als größte Herausforderung diejenigen, die zu uns kommen, zu integrieren und diejenigen, die nicht so denken, wie wir es mögen, zu überzeugen. Werner Bär, ehemaliger Kreisbrandinspektor, rechnete vor, dass jede Einsatzabteilung einer Kreis-Kommune 2,5 Millionen € jährlich spart, die für eine Berufsfeuerwehr fällig würden. Es gibt also auch im 51. Jahr des Landkreises viel zu tun, um die Zukunft positiv zu gestalten. (rs)
1 Kommentar
Hallo nh24, auf den Bildern erkenne ich Frau Lea Lange, wer ist Frau Lea Unzicker?
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