Emstal reißt einstiges Schmuckstück nieder
Bad Emstal. Nur gut vier Jahrzehnte ist es her, als die kleine, noch junge Gemeinde Bad Emstal mit warmem Wasser aus einer Heilquelle in die Liga der bundesdeutschen Bäder aufstieg und die Region das Aufblühen der bis dahin wenig schlagzeilenträchtigen Gemeinde – an der stillgelegten Trasse einer Kleinbahn zwischen Kassel und Naumburg – feierte.
Es war das Ende der Beliebigkeit und der Beginn einer selbstbewusst auftretenden Kommune im heutigen Naturpark Habichtswald. Manchmal nützt das alles wenig, nämlich dann, wenn man irgendwann feststellt, dass die Dachkonstruktionen von Bädern eine bauliche Herausforderung sind, der – inzwischen nachweislich – scheinbar viele in Nordhessen tätige Architekten kaum gewachsen waren. Auffallend viele Bäder der Region zerbrechen unter faulen Dächern. Stellt man dann noch fest, dass die finanziellen Belastungen rund um ein solches Bad ohnehin schon groß sind, dann ist die Frage nach dem Fortbestand beziehungsweise der Sanierung eines Bades schnell beantwortet.
Ein Bad ohne Bad?
In Bad Emstal dauerte es ein paar Jahre, aber jetzt sind die Würfel gefallen. Das Thermalbad auch. Die Spezialbagger für den Abriss arbeiten zügig und in wenigen Tagen wird das Thermalbad endgültig Geschichte sein. Es wird fast so aussehen, als hätte es nie dort gestanden. Es gibt Situationen, über die kann man sich weder ärgern noch freuen. Sie sind so, wie sie sind und niemand von denen, die heute politisch in der Verantwortung stehen, war zur Bauzeit schon in seiner jetzigen Position.
Bürgermeister Stefan Frankfurth erinnert sich an die Zeit vor rund 40 Jahren. Schon damals gab es viele Zweifler, aber das Bad habe Bad Emstal viel Schwung verliehen und Gäste in den Ort gebracht. Jetzt ist wenigstens der unmögliche Zustand beendet und seit der ersten Anfrage bei einem Abrissunternehmen vor ein paar Jahren, sind wenigstens die Abrisskosten auf etwa ein Drittel gesunken.
Was aber wird jetzt aus dem Prädikat „Bad“? Ganz aufgegeben haben weder viele Gemeindevertreter und Gemeindevorstandsmitglieder noch Bürgermeister Stefan Frankfurth die Hoffnung, dass es eine Alternative gibt. Und vielleicht hat sie in der gegenwärtigen Zeit weit mehr Charme und Innovationskraft als ein Thermalbad, das in der heutigen Zeit der großen Thermen und Badelandschaften ziemlich altbacken daherkommt.
Multifunktionshalle und Natur-Heilbad?
Die Hälfte des Gebäudes wird tatsächlich stehen bleiben und Stefan Frankfurth erklärt, dass für gut 5,6 Millionen Euro dort eine Multifunktionshalle entstehen wird. Für die Vereine und ihren Bedarf sowie für Versammlungen wird also gesorgt sein. Der Bürgermeister berichtet darüber hinaus, dass im nächsten Schritt eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben werden soll, um eine Zukunftsvision genauer zu analysieren und zu betrachten. Ein Pumpversuch hat stattgefunden mit dem Ergebnis, dass immer noch reichlich Wasser aus 800 Metern Tiefe sprudelt, und zwar in der gewaltigen Menge von 150 Kubikmetern pro Tag, immer noch mit 30 Grad Wärme. Das dürfte sogar dafür reichen, in einem zukünftigen Bad keine Wasserreinigung installieren zu müssen.
Entstehen könnte ein Natur-Heilbad mit Thermalsee, der zukünftig wesentlich leichter zu betreiben wäre. In vier Jahren, also 2028, könnte der See fertig sein. Auf jeden Fall möchte die Gemeinde zukünftig defizitäre Investitionen vermeiden. (rs)
ANZEIGE