Dokumentation zum 17. Mai 1943, von Thomas Schattner
WABERN. Die Publikationen zur Bombardierung der Edertalsperrmauer am 17. Mai 1943 durch die Royal Air Force sind zahlreich. Noch zahlreicher sind die Zeitungsartikel zum Thema.
Dabei wird oft nur in einem begrenzten geografischen Raum über das Ereignis berichtet. Meist stehen dabei die waldeckschen Ortschaften direkt unterhalb der Sperrmauer im Zentrum der Berichterstattung, einzelne Ortschroniken thematisieren das Ereignis in ihrem Dorf. Nur wenige Publikationen wie der zum 60ten Jahrestag der Bombardierung herausgegebene Band „Die Nacht, als die Flut kam – Die Bombardierung der Edertalsperrmauer 1943“ versuchen, sowohl die Ereignisse im oberen als auch im unteren Edertal gleichzeitig ansatzweise darzustellen. Daran möchte diese zweibändige Dokumentation anknüpfen.
Auf mehr als 800 Seiten wird der Versuch unternommen, das weitgehend ganze Ausmaß der Katastrophe von der Sperrmauer an bis vor die Tore Kassels darzustellen, um im Kontext und Überblick zu zeigen, warum dieses Ereignis bis heute für die letzten noch lebenden Zeitzeugen zum Traumata wurde, welches sie nahezu an jedem Tag in ihrem Leben begleitet hat. Überall in den Landkreisen Waldeck-Frankenberg und im Schwalm-Eder-Kreis kämpften die Menschen um ihr Leben, überall zerstörte die Flut Hab und Gut, sodass die Menschen um ihre Existenz kämpfen mussten. Überall verstarben Menschen in den Fluten. Das galt für Edertal-Hemfurth genauso wie für Fritzlar und Wabern oder Felsberg-Altenburg.
Deshalb werden hier die Geschichte des Angriffs und die damit verbundenen militärischen Details auf die jeweiligen Sperrmauern von Edersee, Sorpe- und Möhnesee nur am Rande thematisiert. Stattdessen geht es um das Leid der Zivilbevölkerung und das enorme Ausmaß der Zerstörung des britischen Angriffs im Edertal, welches sich auch in einer mehrjährigen Phase des Wiederaufbaus niederschlug.
Häufig werden die Ereignisse in Edertal-Affoldern detailliert beschrieben, allerdings stehen gleichwertig die Geschehnisse in Orten wie Fritzlar, Wabern und Felsberg ebenfalls im Zentrum dieser Publikation, da einerseits die Überlieferung sehr mannigfaltig ist und diese Orte andererseits bis jetzt eher „stiefmütterlich“ im Zusammenhang mit dem Thema behandelt wurden.
Gemessen an der damaligen Zeit dokumentiert eine enorme Vielfalt von Fotografien dieses Ereignis. Je mehr Bilder der Herausgeber sichten konnte, desto deutlicher wurde, dass ein Band nicht ausreichen würde, um die Ereignisse angemessen zu dokumentieren. Deshalb entschied er sich, im ersten Band die Flutwelle des Edersees zu dokumentieren, Band zwei zeigt dann die Schäden und die damit verbundenen un- und mittelbaren Aufräumarbeiten nach der Flut und dokumentiert abschließend kurz den Wiederaufbau der Talsperre.
Ergänzt werden die Fotografien durch zeitgenössische Presseberichte, aber auch durch zeitgenössisches Archivgut, welches sich in unterschiedlichen Einrichtungen befindet. Hinzu kommen Zeitzeugenberichte – vornehmlich aus dem Raum Wabern – und die Sterberegistereinträge der offiziell beurkundeten Toten der Katastrophe. So entsteht ansatzweise ein Gesamtbild der Ereignisse in der Region. Deshalb werden in dieser Publikation auch viele Dokumente erstmals publiziert.
Die Zeitzeugendokumente werden unkommentiert wiedergegeben, wohl wissend, dass sie sehr subjektiv sind und mitunter auch falsche Angaben enthalten. Dennoch geben sie die unmittelbare Erfahrung bzw. Erinnerung an die damaligen Ereignisse als solche wieder. Damit besitzen diese Dokumente ein Alleinstellungsmerkmal, das dem Herausgeber so wichtig war, dass er auf begleitende Kommentare verzichtet hat.
Die oben genannte geografische Begrenzung auf zwei Landkreise hat rein praktische Gründe. Würden noch die zahlreichen Dokumente der Flut aus dem Raum Kassel hinzugenommen, würde das den Umfang der Bände völlig sprengen. Deshalb wurde auch eine Auswahl der zur Verfügung stehenden Bildmotive vorgenommen, einerseits um Doppelungen zu vermeiden, andererseits sollten nur qualitativ hochwertige Abbildungen Aufnahme in die Publikation finden.
Denn die damaligen Zeitgenossen haben unglaublich intensiv das Geschehene fotografisch dokumentiert. Das lässt wiederum Rückschlüsse zu, wie einschneidend das Ereignis damals auf die Menschen gewirkt hat. Zum ersten Mal war der Krieg vor ihrer Haustüre angekommen. Das war im Mai 1943 unglaublich, eigentlich undenkbar und dennoch Realität. Der Krieg ging zwar wieder, doch spätestens mit der Bombardierung der Stadt Kassel in der Nacht vom 22. auf den 23. Oktober 1943 und im Kontext des Einmarsches der US-Truppen ins nördliche Hessen im März 1945 war er wieder da.
Die jeweils 440 Seiten starken Bände sind bei Amazon unter den ISBN-Nummern 979-8355297800 und 979-8355309657 erschienen und kosten jeweils 15.- €: