Stadtverordnete lehnen Green-Village (fast) einstimmig ab
WOLFHAGEN. Beratung und Beschlussfassung über ein Bauvorhaben in der Hans-Staden-Straße standen gestern auf der Tagesordnung der Wolfhagener Stadtverordnetenversammlung. Bekommt Investorin Berna Egin-Heinisch das Grundstück für das „Tesla-Haus“, wie viele in der Hans-Staden-Stadt sagen oder geht alles seinen normalen Gang mit Bebauungsplan und öffentlicher Auslegung?
Hier wollte das Unternehmerpaar Berna Egin-Heinisch (Investorin) und Wolfgang Heinisch ein ökologisches Projekt realisieren. Das sogenannte Green Village sollte mit dem Tesla Solar Roof, also Dachziegeln mit integrierter Photovoltaik und der Tesla Powerwall, einem intelligenten Stromspeichersystem, einem Öko-Teich zur Nutzung von Verdunstungskälte und einer Erd-/Wasser-Wärmepumpe sowie anderen baulichen Besonderheiten in sich energieautonom, tatsächlich CO2-Neutral und zudem kostengünstig, vor allem aber folgekostengünstig realisiert werden. Dazu kamen Ladestationen für einen gemeinsamen nutzbaren Fuhrpark, zudem natürlich dann auch Tesla-Fahrzeuge gehören. Wohnen zu einem günstigen Festpreis, einschließlich Fahrzeugnutzung, so die einfache Formel. Die Firma Tesla, die gerade in Brandenburg eine Automobilfabrik errichtet, wollte sich indirekt an diesem ökologischen Vorzeigeprojekt beteiligen, das eigentlich für jede Kommune ein Wunschtraum sein könnte.
Mal schnell, mal langsam…
Gerade noch hatten sich die die Stadtverordneten mit einem Antrag der CDU-Fraktion befasst, um Bebauungspläne in den Stadtteilen Niederelsungen und Ista möglichst schnell, nämlich bis zum 31. Januar 2021, aufzustellen und offenzulegen, was bei nur zwei in diesem Zeitraum stattfindenden Sitzungen und der anstehenden Kommunalwahl sportlich ambitioniert ist. In Wolfhagen dauert alles lange, wir müssen Gas geben, so der Tenor.
Als sie eine halbe Stunde später die Gelegenheit hatten, eine Baumaßnahme, die eigentlich alle wollten, tatsächlich schnell durchzubringen, wurden offensichtlich die Knie weich. Dabei war das Projekt bereits weit fortgeschritten. Manfred Schaub (SPD) dazu: „Das Projekt passt zu unserer Stadt“. Aber auch: „Das Projekt hat eine Eigendynamik bekommen und wurde immer umfangreicher.“ Man habe eher aneinander vorbei gearbeitet, findet der Sozialdemokrat, Fragen nach Gebäude-Ansichten wurden (noch) nicht beantwortet, Bedenken hinsichtlich Nachbarbauten und Gesamtnutzung tauchten auf, es fehlte die Koordination.
Projekt wäre auch ohne Bebauungsplan möglich
Ok, das könnte man alles nachholen, also nichts, was in einer Bauphase nicht möglich wäre. Ursprünglich an einem anderen Standort geplant, aber dort nicht durchführbar, hatten Stadt und Investorin Berna Egin-Heinisch nach einer Alternative gesucht. Bürgermeister Reinhard Schaake schilderte, man habe zusammen mit dem Kreis nach möglichen Flächen gesucht, fünf solche ermittelt, alle Eigentümer angeschrieben und von einem dieser fünf ein Verkaufsangebot erhalten. Zum in Wolfhagen üblichen Preis wurde das Grundstück erworben. Im Außenbereich kann nach Paragraf 35 Baugesetz auch ohne Bebauungsplan eine Genehmigung erteilt werden, wann das von besonderem Interesse ist. Diese Zusicherung dafür lag seitens der Bauaufsicht beim Landkreis bereits vor. Eigentlich bestand schon Baurecht. Also musste jetzt die Stadt nur noch das Grundstück an den Investor verkaufen oder einen Bebauungsplan aufstellen, um das normale Verfahren in Gang setzen. Soweit die Kurzfassung.
Die Investoren, einerseits getrieben vom Ehrgeiz etwas zu realisieren, was außergewöhnlich ist, andererseits bemüht, einen Konsens zu ermöglichen, legte im Magistrat die Pläne vor und änderte artig das ab, was die Stadträte gerne anders hätten. In der Stadtverordnetenversammlung gestern wurde das für den Vorwurf seitens der CDU genutzt, man habe so oft umgeplant.
Uwe Landgrebe (CDU) findet das Gebiet für Mehrfamilienhäuser als geeignet. Aber ein Bebauungsplan wurde schließlich immer erstellt. Der Aufstellungsbeschluss ist übrigens schon gefasst. Die Offenlage muss nun folgen. Sonst würde sich der Bebauungsplan an der bereits erteilten Baugenehmigung orientieren. Auch ein Kaufangebot läge noch nicht vor.
Viele Fragen auf allen Seiten
Der fraktionslose Niyazi Karahan (Aktive Gemeinschaft Wolfhagen und einzige Ja-Stimme in der Abstimmung) legte den Finger in viele Wunden. Ob es richtig sei, dass die Stadt der Investorin – nach dem Konsens in der Teichbergstraße nicht zu bauen – ein anderes Grundstück angeboten habe? Ob Änderungswünsche von der Stadt kamen? Ob der Langkreis (Bauaufsicht) bei aufkommenden Konflikten einen Beirat vorgeschlagen habe, der alle Fragen hätte klären und beantworten können? Habe vielleicht sogar die Investorin die Kosten für den Aufstellungsbeschluss anstelle der Stadt bereits übernommen? Gibt es bereits einen Kaufvertrag und wer hat den In Auftrag gegeben? Wer trägt eigentlich die Kosten für den Kauf des Grundstücks duch die Stadt, wenn jetzt das Projekt gestoppt wird?
Mit seinem Versuch, das Thema zunächst in den Haupt- und Finanzausschuss zu geben, um es später erneut in der Stadtverordnetenversammlung behandeln zu lassen, scheiterte Karahan zwar, aber im Grunde wurden alle seine Fragen mit Ja beantwortet. Bis zu irgendeinem „Punkt X“, den niemand so richtig definieren konnte, waren offensichtlich alle dafür, haben der Investorin Mut gemacht und diese hat – im eigenen Interesse – mitgespielt und sogar einige Kosten getragen. Das deutet für Außenstehende nicht auf ein grundsätzliches Zerwürfnis hin. Ganz im Gegenteil. Woran es nun scheitert, kann niemand klar sagen, außer dass es zu schnell ging.
Unternehmerisches Risiko gegen kommunale Bedenken?
Helmut Flörke (CDU) dazu: „Es ist unternehmerisches Risiko, wenn man in ein Grundstück investiert, was einem nicht gehört.“ Dass das Grundstück tatsächlich nur von der Stadt erworben wurde, um genau dieses Projekt zu verwirklichen, fällt bei dieser – sicher faktisch richtigen – Bewertung allerdings unter den Tisch.
Jetzt läuft das normale Bebauungsplanverfahren und am Ende wird irgendwann entschieden, wer hier Grundstücke kaufen darf. Eigenheime wollen viele Bauern, Mehrfamilienhäuser er nicht, das Interesse dürfte gering sein, wenn die jetzige Investorin sich bis dahin anders orientiert hat. Ein Projekt wie Green Village dürfte viele Städte in der Region interessieren. Der Hessische Rundfunk hat es bereits in der Radio-Berichterstattung angedeutet: Wolfhagen hat vielleicht die Chance für ein Vorzeigeprojekt und Zukunftsprojekt vertan. Irgendwann wird man das wissen. Das zukünftig genau so gebaut werden muss, daran glauben viele Menschen, die es mit dem Klima ernst meinen, auch – oder vor allem – außerhalb von Wolfhagen. (Rainer Sander)
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