Witterungsextreme bereiten zunehmend Sorgen
OTZBERG. „Die lang anhaltende Trockenheit mit zum Teil hochsommerlichen Temperaturen im April, Mai und Juni führte in vielen Regionen Hessens zu einer sehr schnellen und vorzeitigen Abreife des Getreides. Schon Mitte Juni, so früh wie noch nie, wurde in der Wetterau Wintergerste gedroschen“, sagt der Präsident des Hessischen Bauernverbandes, Karsten Schmal.
In den Frühdruschgebieten werde schon seit mehr als einer Woche Winterweizen geerntet. Diese mit Abstand wichtigste hessische Getreideart sei jetzt fast überall reif. Damit habe die Weizenernte in Hessen etwa zwei bis drei Wochen früher begonnen als sonst üblich.
Die verringerte Wachstumszeit und damit kürzere Kornfüllungsphase werde vor allem im Winterweizen Spuren hinterlassen und Ertragsminderungen zur Folge haben. In Abhängigkeit von der Niederschlagsverteilung und den Bodenverhältnissen rechnen wir bei der Wintergerste und dem Winterweizen mit Ertragseinbußen zwischen zehn und dreißig Prozent“, so Schmal.
Für den Winterraps waren die Bedingungen während der gesamten Wachstumsperiode sehr ungünstig. Schon bei der Aussaat im August und September vergangenen Jahres war es viel zu nass. Nach den Wintermonaten gab es einige Frosttage im März, die mancherorts zu Auswinterungsschäden führten. Mit den hochsommerlichen Temperaturen im April „explodierte“ die Vegetation, die Rapsblüte setzte schon ein, bevor die Pflanzen ihre maximale Länge und Verzweigung erreicht hatten. Auch die so genannte Knospenwelke hinterlässt Spuren. Dadurch wurde der Schotenansatz reduziert. Bei Raps differieren die Erträge sehr stark, je nach Standort sind Ertragsverluste zwischen 10 und 40 Prozent zu befürchten.
Witterungsextreme nehmen zu
„Die extremen Witterungsverhältnisse bereiten uns zunehmend Sorgen: Entweder ist es zu nass oder zu trocken. Wenn eine Trockenperiode länger anhält, hat das gravierende Folgen. Leichte Böden, wie zum Beispiel Sandböden, sind besonders davon betroffen“, hob Präsident Schmal hervor. Wenn es einmal regne, gebe es vielfach heftige Gewitter mit Starkregen oder gar Hagel. Das seien oft lokale oder punktuelle Ereignisse, die an landwirtschaftlichen Kulturpflanzen enorme Schäden bis hin zu Totalverlusten verursachen könnten.
Landesweit sind Hagelschäden zu beklagen, mit Schwerpunkten im Raum Waldeck und im Landkreis Gießen (Raum Hungen). Nach Angaben der Vereinigten Hagelversicherung wurden bislang 700 Hagelschäden gemeldet, insgesamt sind rund 8.700 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche betroffen. Hauptsächlich handelt es sich hierbei um Getreide, Winterraps, Zuckerrüben und Mais.
Knappe Futterversorgung
Aufgrund des trockenen Wetters im Juni mit vielen Sonnenscheinstunden konnte die Heuernte unter optimalen Bedingungen eingebracht werden. Umso schwieriger gestaltete sich die Silagebereitung. Während der erste Schnitt Anfang Mai noch einen guten Ertrag lieferte, brachte der zweite Schnitt vielerorts nur noch die Hälfte. Ein dritter Schnitt war oftmals nicht möglich.
Die Zuckerrüben, Kartoffeln und der Mais stehen mindestens noch bis September auf den Feldern. Für Ertragsprognosen sei es jetzt noch zu früh. Ohne eine ausreichende Wasserversorgung könne selbst die leistungsfähigste Pflanzensorte keinen guten Ertrag bilden.
Schweinehaltung in Hessen stark rückläufig
In den letzten Jahren erleben wir einen gravierenden Rückgang der Schweinehaltung. Die Zahl der Zuchtsauenhalter ist in Hessen von 1.450 Betrieben im Jahr 2010 auf 772 Betriebe im Jahr 2016 und damit um 47 Prozent gesunken. Das heißt, fast jeder zweite Sauenhalter hat in diesem Zeitraum das Handtuch geworfen und die Ferkelerzeugung aufgegeben“, bedauert Schmal. Die Zahl der Mastschweinehalter sei im gleichen Zeitraum von 5.300 Betrieben auf 3.200 Betriebe und damit um 40 Prozent gesunken. Ein deutlicher Rückgang sei auch bei der Anzahl der Zuchtsauen (minus 29 Prozent) und der Mastschweine (minus 15 Prozent) festzustellen. Hauptgründe für den Rückgang in der Sauenhaltung seien immer neue, kostentreibende gesetzliche Regelungen und unklare rechtliche Rahmenbedingungen. „Unsere Schweinehalter sind deshalb sehr verunsichert. Anstatt zu investieren, um neue Ställe zu bauen, stellen sie die Produktion ein. Damit sind für unsere Bauernfamilien empfindliche Einkommensverluste verbunden. Außerdem verliert der ländliche Raum Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft“, kritisiert der Bauernpräsident. Die von vielen Verbrauchern gewünschte regionale Versorgung mit Lebensmitteln sei gefährdet, und regionale Wertschöpfung gehe verloren.
Gemeinschaftsinitiative „Bienenfreundliches Hessen“ ist der richtige Weg
„Laut Medienberichten gibt es in diesem Jahr wieder mehr Schmetterlinge als im vergangenen Jahr. Das ist sehr erfreulich und ermutigend“, konstatierte Schmal. Im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative des hessischen Landwirtschaftsministe-riums, des Landesverbandes hessischer Imker und des Hessischen Bauernverbandes unter dem Motto „Bienenfreundliches Hessen“ hätten viele hessischen Bauern insgesamt rund 1.000 Kilogramm Blühstreifensaatgut ausgesät. In diesem Jahr sei mit mehr als 8.000 Kilogramm Saatgut das Achtfache ausgesät worden.
„Bei einer Aussaatmenge von 8 bis 10 Kilogramm pro Hektar konnten damit über 800 Hektar oder 8 Millionen Quadratmeter Blühflächen in Hessen angelegt werden. Diesen Weg werden wir in den kommenden Jahren konsequent weitergehen und so einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten“, betonte Schmal. (pm)