Fachtagung auf Schloss Waldeck thematisiert die Sicherung der medizinischen Versorgung
WALDECK. Auf Einladung der IWG Ideenwelt Gesundheitsmarkt GmbH aus Gießen kamen am Dienstag als zwei Dutzend Vertreter von nordhessischen Kommunen zur Fachtagung „Sicherung der medizinischen Versorgung“ ins Schloss Waldeck.
Unter den rund 30 Tagungsteilnehmern waren 14 Bürgermeister aus dem Schwalm-Eder-Kreis und dem Landkreis Kassel sowie weitere Akteure aus Politik, Verwaltung und Gesundheitswesen. Sechs Referenten gaben eine Einführung in das Thema ambulante und stationäre medizinische Versorgung, unter besonderer Berücksichtigung der Frage, was Kommunen tun können, um diese zu sichern.
Nachfrage nach ärztlichen Leistungen wird steigen
Jürgen Kaufmann, Erster Kreisbeigeordneter des Schwalm-Eder-Kreises, ging in seinem Referat auf „Örtliche Aspekte und Gegebenheiten des Schwalm-Eder-Kreises“ ein und machte deutlich, dass die Versorgungssituation in seinem Landkreis insgesamt fragil sei. Es gebe zwar aktuell in allen 27 Kommunen mindestens einen Hausarzt, aber in den kommenden Jahren stehe ein erheblicher Nachbesetzungsbedarf bevor. Trotz des prognostizierten Bevölkerungsrückgangs im Schwalm-Eder-Kreis werde die Nachfrage nach ambulanten ärztlichen Leistungen bis zum Jahr 2030 nicht sinken, sondern wegen der wachsenden Zahl der Älteren in der Bevölkerung noch weiter steigen.
Dr. Oliver Bechtler, Fachanwalt für Medizinrecht von der Kanzlei HFBP Rechtsanwälte und Notar sowie Moderator der Tagung, verwies darauf, dass insbesondere die Nachbesetzung von Einzelpraxen im ländlichen Raum jetzt schon kaum noch möglich sei.
Mangel an ärztlicher Arbeitszeit
Diese Entwicklung ist typisch für viele Regionen in ganz Deutschland, nicht nur für Nordhessen, obwohl es noch nie so viele Ärzte in Deutschland gab wie zurzeit. Denn der viel beschworene „Ärztemangel“ sei aufgrund der geänderten Lebens- und Berufsvorstellungen jüngerer Ärzte eher ein Mangel an ärztlicher Arbeitszeit, erklärte Dr. Hans-Friedrich Spies, Vorstand im Spitzenverband Fachärzte Deutschlands.
Der 75-jährige Internist und Kardiologe hat mehrere Jahrzehnte in berufspolitischen Gremien gearbeitet, unter anderem im Vorstand der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und im Berufsverband Deutscher Internisten. Er beschrieb den Strukturwandel des Arztberufs, der trotz steigender Zahl an Ärzten zu einem Mangel an der „Ressource Arzt“ führt: Die fehlende Bereitschaft vieler Berufsanfänger, sich selbstständig zu machen und damit wirtschaftliche Verantwortung zu übernehmen, sei die Hauptursache. Angestellte Ärzte arbeiten schlicht nicht so viele Stunden und häufig auch nicht so effizient wie selbstständige Praxisinhaber. Man braucht also mehr Ärzte, wenn der Anteil der Angestellten wächst.
In diesem Zusammenhang wies auch der Bundestagsabgeordnete Professor Dr. Edgar Franke darauf hin, dass die Zahl der Ärzte in Deutschland mit 172.000 einen Höchststand erreicht habe, es also keinen Mangel an Köpfen gebe. In seinem Wahlkreis im Schwalm-Eder-Kreis gebe es mehrere Beispiele für gelungene Anstrengungen der Kommunen, Ärzte anzusiedeln. Dabei genüge es nicht, finanzielle Anreize in Form einer Niederlassungsförderung zu bieten. Kommunen könnten beispielsweise auch beim Immobilienerwerb oder bei der Stellensuche für den Ehepartner helfen.
Jede Kommune ist anders
Dr. Dominik Reinhardt, Geschäftsführer der IWG Sales GmbH, stellte ein Analyseinstrument vor, wie Kommunen ihre ganz spezielle Versorgungssituation erkennen und zukünftige Herausforderungen meistern können. Er betonte, wie wichtig es sei, Lösungen zu finden, die individuell auf eine Kommune zugeschnitten sind. Voraussetzung dafür sei die Befragung und Einbindung der bestehenden Akteure vor Ort. Diese Beratungsleistung der IWG, die Versorgungsanalyse, versetze die Verantwortlichen in den Kommunen in die Lage, die richtigen Entscheidungen zu treffen, um die ärztliche Versorgung zu sichern.
MVZ ist nicht das Mittel der ersten Wahl
Doch was können und dürfen Kommunen überhaupt tun? Vielen Kommunalpolitikern scheint die Gründung eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) die Ultima Ratio zu sein. Doch darin waren sich alle Experten einig: Bevor eine Kommune ein MVZ gründet, sollten alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden. Dr. Mareike Piltz, Fachanwältin für Medizinrecht von der Kanzlei HFBP Rechtsanwälte und Notar, erklärte in ihrem Referat die rechtlichen Grundlagen für ein solches Konstrukt, wies aber auch darauf hin, dass die wenigsten MVZ wirtschaftlich erfolgreich sind.
Eine Alternative zum MVZ könnte der Bau eines Ärzte- oder Gesundheitszentrums sein. In einem solchen Haus können unter anderem Arztpraxen, Apotheke, Optiker, Orthopädietechniker, Physiotherapie oder auch Wohneinheiten mit oder ohne pflegerische Betreuung untergebracht werden. Doch nicht in jedem Baugebiet ist jede Form von Ansiedlung erlaubt. Natalie Krampetz, Fachanwältin für Bau- und Architektenrecht, ebenfalls von der Kanzlei HFBP Rechtsanwälte und Notar, beschrieb sehr anschaulich anhand von konkreten Fallbeispielen aus ihrer Arbeit, welche Fallstricke baurechtlicher und planungsrechtlicher Natur die Bauherren erwarten können.
Das Fazit, das einer der Bürgermeister am Ende der Tagung zog, stieß auf breite Zustimmung bei seinen Kollegen: Auch, wenn die ärztliche Versorgung aktuell vielleicht noch keinen Anlass zur Sorge bietet, so könne sich dies gerade in kleineren Kommunen sehr rasch ändern. Daher sei es am wichtigsten, sich als Stadt oder Gemeinde von Experten beraten zu lassen und dann zu handeln – bevor es vielleicht zu spät ist. (pm)
Hintergrund:
REFERENTEN DER TAGUNG:
Dr. Hans-Friedrich Spies, Vorstandsmitglied Spitzenverband Fachärzte Deutschlands e. V.
Prof. Dr. Edgar Franke, Bundestagsabgeordneter
Jürgen Kaufmann, Erster Kreisbeigeordneter Schwalm-Eder-Kreis
Dr. Mareike Piltz, HFBP Rechtsanwälte und Notar
Natalie Krampetz, HFBP Rechtsanwälte und Notar
Dr. Dominik Reinhardt, IWG Sales GmbH
Moderator: Dr. Oliver Bechtler, HFBP Rechtsanwälte und Notar
VERANSTALTER DER TAGUNG:
Das Unternehmen IWG Ideenwelt Gesundheitsmarkt GmbH (www.iwg.de) begleitet seit vielen Jahren Städte, Gemeinden und Landkreise in ganz Deutschland hinsichtlich der Sicherung und des Ausbaus der ärztlichen Versorgung unter Einbeziehung der ortsansässigen Ärzte. Leiter der Abteilung Versorgungsforschung bei der IWG ist Herr Nazim Diehl (Mailkontakt: n.diehl@iwg.de).
Juristisch beraten und unterstützt wird die IWG von der ebenfalls in Gießen ansässigen Kanzlei HFBP Rechtsanwälte und Notar (www.hfbp.de).
Die IWG Sales GmbH (www.iwg-sales.de) mit ihrem Geschäftsführer Dr. Dominik Reinhardt ist eines von mehreren Schwesterunternehmen der IWG, die im MEDZENTRUM-Netzwerk (www.medzentrum.de) zusammenarbeiten.