ALSFELD. Eine alte Schnapsflasche stand im Mittelpunkt einer Veranstaltung mit dem Titel „100 Jahre Erster Weltkrieg – Lehren einer Urkatastrophe für die Zukunft Europas“. Sie ist Ausgangs- und Endpunkt des Multimedia-Vortrags „Europa und der Erste Weltkrieg – Die Friedensbotschaft von Fiquelmont“ von Ingo Espenschied.
Der Diplom-Politologe und Journalist berichtete live an der Geschwister-Scholl-Schule in Alsfeld, wie es zum Ersten Weltkrieg kommen konnte. Unterstützt von virtuos montierten Gemälden, Karikaturen, Fotografien, Radio- und Filmbeiträgen erläuterte er, welche Schrecken mit der Zeit zwischen 1914 und 1918 verbunden waren und wie sich Europa seitdem entwickelt hat. Organisatorisch und finanziell unterstützt wurde die Veranstaltung vom EU-Informationszentrum beim Regierungspräsidium Gießen und der Europäischen Akademie Hessen e.V.
Die Flasche hatte der Bauer Fernand Boulanger im kleinen Ort Fiquelmont im Osten Frankreichs in Lothringen auf dem Dachboden seiner Scheune gefunden. 1981 war das, nachdem sie bereits 65 Jahre dort gelegen hatte, mit einer geheimnisvollen Botschaft. Hinterlassen wurde sie von sechs deutschen Soldaten des 2. Husarenregiments der Reserve, die hier während des Ersten Weltkriegs einquartiert waren. Hautnah haben sie Nationalismus, Militarismus und das Gemetzel auf den Schlachtfeldern miterlebt und rufen in einem dramatischen Schreiben in ihrer Flaschenpost die kommenden Generationen zum Frieden auf mit den Worten: „Utopie und mögliches Eden ist ein geeintes Europa.“
Ingo Espenschied startet mit der Gründung des Deutschen Reichs von 1871 und zeichnet den nationalistischen Weg in die Urkatastrophe nach, berichtete von den Toten, macht die Zahlen spürbar. „Täglich sind mehr als 8000 Menschen gefallen“, sagt er über den Stellungskrieg an der Somme. An einer anderen Stelle berichtet der Journalist „von fünf Monaten erbitterter Kämpfe für vier Kilometer Landgewinn“. Einen großen Teil nimmt nicht nur der Erste Weltkrieg, sondern die große Bedeutung deutsch-französischer Annäherung nach Ende des Zweiten Weltkrieges ein. „Es ist ein ganz anderes Europa, das wir heute haben. Und wir erleben die längste Friedensperiode, die wir jemals hatten.“
Die Jugendlichen der 9. und 10. Klassen sind sichtlich beeindruckt. Zwischen interessierten Nachfragen und erstaunten Aussagen wird eines klar: So selbstverständlich wie heute Frieden und Freiheit erscheint, ist der Erste Weltkrieg aus deren Sicht gefühlt nicht Hundert, sondern Tausend Jahre weg. Der Vortrag endet mit einem ermutigenden Appell: „Wir haben in Deutschland 80 Millionen Einwohner, das ist ein Prozent der Weltbevölkerung. Wenn wir 500 Millionen sind, wie aktuell in der Europäischen Union, dann werden wir auch in der Zukunft eine Chance haben.“ (pm)