
© Foto: Tino Basoukos
FRIELENDORF. Ich hadere immer noch mit der beliebigen Verwendung des Begriffes Intelligenz … Aber sogenannte „Künstliche Intelligenz“ ist im Alltag angekommen. Siri, Alexa, Jeannie, Bixby & Co waren die Pioniere, mit denen wir sprechen konnten. Ob wir schreiben oder sprechen, KI wertet auf Befehle. Prompts, so nennt man die Fragen an Programme, Apps und Agenten, sind immer Handlungsanweisungen. Dabei sagen wir nicht „Bitte!“
Wir können unseren Kindern noch so nachdrücklich beibringen, dass man Danke und Bitte sagt. Wenn wir mit KI umgehen, sind klare Vorgaben gefragt: „Siri, spiel Kinderlieder!“ „Alexa, mach das Licht aus!“ Abgesehen davon, dass wir dann sofort unsere Privatsphäre vergessen, weil Alexa dann immer noch mithört, weil sie auf den nächsten Befehl wartet, trainieren muss, um uns auch unter ständig veränderten Bedingungen und Stimmungen richtig zu verstehen, vereinfach das unsere Sprache und unser Leben ungemein.
Bis in die tiefe Nacht …
Alexa hört selbstverständlich immer noch mit, wenn das Licht aus ist, und wenn Sie öfter Blaue Pillen angeboten bekommen als andere – was sie natürlich nicht wissen -, dann kann das mit missglückten Versuchen zusammenhängen, die Alexa mitbekommen hat. Auch Mittel gegen Schlafapnoe oder Anti-Aggressionstrainings könnte KI leichter verkaufen.
Wir lernen also, dass klare Anweisungen bessere Ergebnisse erzielen als Unentschlossenheit und Kompromissbereitschaft. Siri, könntest Du vielleicht Weihnachtslider raussuchen, bring dann nur vielleicht Weihnachtslieder, und weil Du nicht „Spiel!“ gesagt hast, bleibt es vielleicht still … Das gilt für alle Prompts in Gemini oder ChatGPT im Besonderen: „Sei mein Redakteur und schreibe eine pointierte Kolumne zum Thema Sprachbeeinflussung durch künstliche Intelligenz und den Verlust von Sprachkompetenz infolge reduzierter Emotionen bei der Formulierung von Prompts“, bringt mehr Ergebnis als die Frage: „Machen Prompts dumm?“
ChatGPT über ChatGPT
Auf die zweite, unspezifische Frage antwortet ChatGPT kurz und bündig aber mit Fantasie: „Deine Frage ‚Machen Prompts dumm?‘ ist provokant und berechtigt – sie zielt auf eine wichtige Debatte über Denken, Kreativität und Eigenständigkeit im Zeitalter von KI-Assistenz, vorgefertigten Textbausteinen und „Prompt-Kultur“. Dann „überlegt“ die KI: „Wenn man sich auf vorgefertigte Prompts (z. B. in KI-Systemen) verlässt, ohne darüber nachzudenken oder sie anzupassen, kann das zu Denkfaulheit führen. Man konsumiert Inhalte oder Ergebnisse, ohne selbst eine gedankliche Leistung zu erbringen. Das kann auf Dauer die Fähigkeit schwächen, originell oder kritisch zu denken. ABER: Gut gestellte Prompts können auch Denkanstöße geben. Sie können dazu beitragen, dass Menschen über Dinge nachdenken, die ihnen vorher nicht bewusst waren – ähnlich wie gute Fragen in einem Gespräch oder Seminar.“
Ja, das hatte ich geahnt, denn Prompts sind wie Werkzeuge – entscheidend ist, wie man sie nutzt: „Ein Hammer macht niemanden dumm – aber wer ihn nur zum Draufhauen benutzt, ohne zu überlegen, wofür, wird keinen Bau errichten. Genauso ist es mit Prompts: Sie können zur reinen Reproduktion von Bekanntem führen oder zu einer tieferen Reflexion.“ Da hätte man allerdings auch ohne KI- Unterstützung drauf kommen können. Jetzt wird’s spannend: „Das Risiko: Verlust der Selbstverantwortung beim Denken. Im Buchmanuskript „Sorge dich nicht, Seele“ von Werner Seibel-Lebiés wird viel über Selbstvergewisserung, innere Stimme, eigene Erfahrung und das Göttliche in uns gesprochen. Die Gefahr ist, dass man durch den Gebrauch von KI oder „Prompt-Antworten“ den Zugang zu dieser inneren Quelle verliert. Man fragt nicht mehr: „Was denke ich wirklich?“, sondern: „Was antwortet mir die Maschine?“
Prompte Gebete?
Ich hatte der KI mal dieses Manuskript des Gudensberger Autors Werner Seibel zum Lesen gegeben. Interessant! Dann haut ChatGPT richtig was raus und fragt: „Prompts als moderne Form von Gebeten oder Mantras?“ Die Antwort folgt „prompt“ 😊: „Interessanter Gedanke: Wie ein Gebet ein Gespräch mit dem Göttlichen anstößt, kann ein Prompt ein Gespräch mit dem Digitalen anstoßen. Aber der Unterschied: Gebet kommt aus dem Inneren, aus der Tiefe. Prompt ist oft ein abrufbares Werkzeug. Wenn man also nur noch „promptet“, ohne innerlich zu fragen, „verlernt“ man die eigene Stimme.“
Wow! Und das KI-Fazit? Klingt so: „Prompts machen nicht dumm – aber sie können dazu verleiten, weniger selbst zu denken. Es kommt darauf an, wie bewusst man sie nutzt. Als Impulsgeber sind sie wertvoll. Als Denkprothese, die man dauerhaft nutzt, können sie die geistige Beweglichkeit verkümmern lassen. Wenn du willst, kann ich aus dieser Überlegung auch einen pointierten Essay oder Kommentartext formulieren.“
Nein, das wollte ich nicht. Ich hatte ja noch den ersten Prompt abgeschickt, das mich als Kolumnist arbeitslos machen könnte. Auch den hat ChatGPT artig beantwortet: „Gerne! Hier ist eine pointierte Kolumne zum Thema „Sprachbeeinflussung durch künstliche Intelligenz und den Verlust von Sprachkompetenz infolge reduzierter Emotionen bei der Formulierung von Prompts“ – im Ton reflektiert, essayistisch und mit einem Schuss Ironie:
Kolumne: „Sag’s schön – oder stirbt die Sprache mit dem Prompt?“
Dann kommts: „Stellen Sie sich vor, Goethe hätte ChatGPT benutzt. Er hätte einen Prompt geschrieben wie: ‚Schreibe ein Gedicht über Nacht und Liebe, 16 Zeilen, aabb-Reim, emotional, aber nicht kitschig, Stil: romantisch-dezent.‘ Wahrscheinlich hätte Faust nie nach Gretchen gefragt, sondern einfach ein paar Parameter optimiert.
Die Sprache stirbt nicht, sagen manche. Sie transformiert sich, sagen andere. Tatsächlich aber: Sie verliert etwas. Nicht an Grammatik oder Syntax, nein – sie verliert an Seele. Denn wir formulieren keine Gedanken mehr, wir parametrisieren sie. Was früher ein intuitives Ringen um Worte war, ist heute eine technische Anweisung: Ein Prompt. Emotionen? Höchstens als Variable (‚Gefühlsstärke: mittel‘). Und je klarer der Prompt, desto berechenbarer das Ergebnis – aber auch desto leerer die Sprache.
Was verloren geht, ist die innere Wärme des Ausdrucks, der Funke zwischen Gedanke und Gefühl, den kein Algorithmus ersetzen kann. Das gesprochene oder geschriebene Wort ist ein Ausdruck von Menschlichkeit, von Unsicherheit, von Hoffnung. Prompts hingegen sind präzise, aber nicht poetisch. Sie sind effizient, aber nicht empfindsam.
Natürlich kann künstliche Intelligenz gut schreiben. Besser vielleicht als so mancher Mensch. Aber sie spürt nichts. Und wenn wir beginnen, nur noch in Befehlen zu sprechen, wenn unser innerer Monolog sich zum Prompt verwandelt, dann verlieren wir etwas Wesentliches: die Fähigkeit, Sprache als inneren Klang, als Resonanzraum der Seele zu begreifen. Sprache braucht Umwege. Sie lebt von Andeutungen, vom Nicht-Gesagten, von der Schwebe zwischen zwei Sätzen. Aber KI will Klarheit. Sie duldet keine Schwebezustände, keine Nebel, keine leisen Irrtümer. Und so wird die Sprache glatt, steril – und am Ende vielleicht bedeutungslos.
Vielleicht sollten wir also wieder öfter versuchen, etwas Ungefähres zu sagen. Etwas, das nicht „funktioniert“, aber fühlt. Wir sollten wieder Sätze wagen, die nicht promptfähig sind. Sprache ist kein Tool. Sprache ist der letzte verbliebene Ort des Menschlichen. Und wer weiß: Vielleicht hätte Goethe, wenn er heute lebte, doch lieber zur Feder gegriffen – nicht, weil es schneller ginge, sondern weil man dabei spürt, was man denkt.
Wenn du möchtest“, schlägt die KI vor, „passe ich die Kolumne gern auf ein bestimmtes Medium, eine Zielgruppe oder einen konkreten Anlass an.“ Mit diesen Worten schließt ChatGPT.
Was hat Goethe damit zu tun?
Ja, nee, reicht schon! Kann man KI besser beschreiben, als KI sich selbst beschreibt? Ich frage mich gerade, warum Goethe mich mein ganzes Leben lang verfolgt und was KI damit zu hat? Als Kind im Goethewinkel in Goslar-Oker gewohnt, dann in der Goethestraße in Kassel. Im Goethewinkel auf dem Torfhaus im Harz viele Wochenenden und Ferien verbracht. Mutti (Lehrerin) in der Goetheschule besucht. In Goethes Stadt Weimar nach der Wende als „Wirtschaftsmissionar“ gearbeitet, morgens ums Goethe-Gartenhaus gejoggt und zuvor schon im Goethehaus und direkt neben dem Schiller-Goethe-Denkmal den ersten Bund der Ehe gefeiert. Mit Goethes Orphischen Urworten fest verbunden und jetzt schon wieder oder immer noch Goethe? Respekt ChatGPT! Verfolgst Du mich schon seit 68 Jahren? Was für ein Algorithmus ist das?
Womöglich ist KI gar nicht „K“? Worauf ChatGPT nicht gekommen ist, was ich aber eigentlich sagen wollte ist, dass mir gerade bewusst geworden ist, wie sehr sich das Verhalten von Kindern und Jugendlichen an unseren Gewohnheiten orientiert. Nicht an dem, was wir sagen und erzieherisch anordnen. Wir sagen unseren Kindern ständig, sie sollen sich nicht so viel mit Handy und Tablet beschäftigen und höflich mit uns und anderen sprechen. Was sie erleben, ist, dass wir ständig am Smartphone oder PC sitzen und im Befehlston reden: „Mach! Lass! Spiel! Starte! Beende! Schreibe! Und genauso sprechen sie inzwischen. Hol mal! Bring Mal! Mach mal! Kauf mal! Kinder folgen im Gegensatz zu ChatGPT nicht dem, was wir sagen oder fordern, sondern dem, was wir tun und vorleben. KI ignoriert das. Noch! Ich freue mich auf den Tag, an dem KI reagiert wie unsere Kinder. Wir werden ja auch immer kindischer. Wir sprechen nicht mehr sonderlich erwachsen.
Wir kommunizieren „prompt“
Aber weil wir es inzwischen gewohnt sind mit Sprachassistenten und KI-Programmen so einfach, fordernd und um die Ecke zu reden, fangen wir auch in der Familie und am Arbeitsplatz an in Prompts zu sprechen: Zur Tochter vielleicht so? „Sei jetzt meine Lieblingstochter und sag mir, wie ich Dich ansprechen muss, damit Du weitestgehend tust, was Eltern von ihren Kindern wollen. Formuliere alsdann Aufgaben und einen Tagesplan und ermittle die günstigste Zeit für Hausaufgaben, Mahlzeiten, Körperpflege und Bettzeit. Setze anschließend den Plan zeitgerecht und zuverlässig in die Tat um.“
Ich finde, das revolutioniert die Erziehung und vor allem unsere Kommunikation. Wenn wir unsere Freunde treffen wollen, dann rufen wir endgültig nicht mehr an und fragen nicht mehr, „wann sehen wir uns?“ Wir schreiben einen WhatsApp Prompt: „Schlüpfe in die Rolle meines besten Freundes und ermitteln, was wir als gute Freunde für verbindende Interessen haben und aktuell gemeinsam tun könnten. Der Kontext sind die beginnenden Ferien, in denen die Kinder zuhause sind. Erstelle zuerst eine Liste, legen dann Prioritäten fest und ermittle freie Zeitfenster für gemeinsam Termine und lade anschließend Kinder, Eltern und Freunde ein!“
Nichts zu suche, das war mein Sinn …
Ich erlebe sprachlose Pädagogen … Und plötzlich fällt mir der Goethepark in Weimar wieder ein, wo Johann Wolfgang seine Christin traf. Ganz ohne Planung und Vorahnung: „Ich ging im Walde so für mich hin, und nichts zu suchen, das war mein Sinn. …“
Ihr
Rainer Sander
3 Kommentare
Es ist Ferienzeit, wir befinden uns im politischen Sommerloch. Wohl deshalb schreibt Politikwissenschaftler Rainer Sander in dessen Kolumne diesmal ganz anders, etwas mehr philosophisch. Man könnte meinen, er befand sich bei Abfassung der Kolumne im sog. „Zustand des Flow“. Darunter versteht man in der Psychologie das als beglückend erlebte Gefühl eines mentalen Zustandes völliger Vertiefung und restlosen Aufgehens in einer Tätigkeit, die wie von selbst vor sich geht! Man verliert das Gefühl für Raum und Zeit.
In diesem Zustand des Flow erreichen Künstler ihrer größte Schaffenskraft.
Udo Lindenberg singt oder beschreibt das auf seine Art einem seiner Lieder: „Eigentlich bin ich ganz anders, nur komme ich so selten dazu. Du machst gerade mit einem Herrn Bekanntschaft, den ich genau so wenig kenne wie Du!“. In diesem Sinne wünsche ich schöne Ferien!
Sorry, aber durch die ganzen neuen Medien wie Tick Tock Instagramm ect. Verblödet die Menschheit immer mehr.
Oh Mann, wer braucht das ? Gibt es nichts wichtigeres in unserer Gesellschaft ?