
Kreisverwaltung Homberg © Foto: Alexander Wittke
Resolutionen: Kreistag Schwalm-Eder sendet einstimmig Hilferuf
SCHWARZENBORN. Hilferuf oder Signal? Die Diskussion um den defizitären Kreishaushalt war kaum verklungen, da setzte der Kreistag Schwalm-Eder am Montag ein deutliches politisches Signal: Zwei einstimmig beschlossene Resolutionen der Fraktionen von FREIE WÄHLER (FW) und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordern eine konsequente finanzielle Unterstützung der kommunalen Ebene.
Im Zentrum: das viel beschworene, aber selten gelebte Konnexitätsprinzip. Wenn Land oder Bund Aufgaben delegieren, dann müssen sie auch die nötigen Mittel bereitstellen – diese Grundidee, eigentlich ein verfassungsrechtlich verbriefter Anspruch in Hessen, war Konsens quer durch die Fraktionen. Dass sich der Kreistag nun in zwei getrennten, aber inhaltlich verwandten Anträgen zu diesem Grundsatz bekennt, ist Ausdruck wachsender kommunaler Verzweiflung – und gleichzeitig schwindender Geduld.
Verfassungsprinzip ohne Wirkung
- FREIE WÄHLER-Sprecher Rüdiger Staffel sprach in seinem Beitrag aus, was viele dachten, aber keiner explizit sagen wollte: „Auch wenn der Begriff Klage im Antrag nicht steht – es geht genau darum.“ Das Konnexitätsprinzip, so Staffel, sei nicht nur ein theoretischer Rechtsanspruch, sondern ein möglicher Klagegrund, wenn er dauerhaft verletzt werde. Der entsprechende FW-Antrag fordert über den Hessischen Landkreistag die Einhaltung des Prinzips durch Wiesbaden und Berlin ein. Beispiele dafür, wo Kommunen auf Kosten sitzen bleiben, gibt es zuhauf: von neuen Betreuungsstandards in Kitas über den Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung bis zur Flüchtlingsintegration.
GRÜNE sehen „kommunale Insolvenzverwalter“
- Christoph Sippel (GRÜNE) erinnerte an ein Versprechen von Günter Rudolph (SPD), dass die Kommunen unter seiner politischen Mitwirkung gut ausgestattet sein würden: „Wir wollen nicht zu Insolvenzverwaltern unserer Gemeinden werden.“ Der GRÜNEN-Antrag lobt die Teilnahme der Kreisspitze und vieler Bürgermeister*innen an der Demo vor dem Hessischen Landtag Ende März und appelliert eindringlich an Bund und Land, die finanziellen Spielräume – etwa durch das 500-Milliarden-Euro-Sondervermögen – endlich zur Unterstützung der Kommunen zu nutzen.
Skandalöse Selbstverständlichkeit
- Markus Opitz (FWG) zeigte sich fassungslos darüber, dass man in Hessen überhaupt zur Einhaltung der Verfassung auffordern müsse. Insbesondere ländliche Kreise wie der Schwalm-Eder-Kreis würden durch die Konnexitätsverletzungen massiv geschwächt. In südhessischen Ballungsräumen, so Opitz, sei das Bewusstsein für kommunale Realität auf dem Land, wo nicht das Ortsschild die Kommunen trennt, sondern lange Straßen und viel unterhaltungswürdige Infrastruktur, oft kaum vorhanden.
FDP: „Wenn Bastelgeld gestrichen wird, muss man aufwachen“
- MdL Wiebke Knell (FDP) fand drastische Worte: „Wenn in Stadtparlamenten diskutiert wird, 500 EUR Bastelgeld im Kindergarten zu streichen, dann muss man sich fragen, wo wir hingekommen sind.“ Die Demo der Bürgermeister am 27. März in Wiesbaden sei ein überparteilicher Warnruf gewesen. „Die Realität in den Rathäusern heißt Überlastung, Erschöpfung und strukturelle Unterfinanzierung.“
SPD: Reden reicht nicht mehr
- Mario Gerhold (SPD), selbst seit 25 Jahren Bürgermeister, machte deutlich: „Diese Diskussion begleitet mich wie ein roter Faden. Seit 2010 haben wir demonstriert, aber es kam nie eine Antwort.“ Der Ton wird schärfer – auch bei den Sozialdemokraten. Gerhold forderte mehr als Resolutionen, „vielleicht auch andere Werkzeuge“. Die Andeutung einer Klage stand auch hier im Raum.
CDU zurückhaltend – aber mit Klartext
- Michael Schär (CDU) sprach von einem System, das nicht mehr krisenfest sei. Standards müssten überprüft, eventuell gesenkt oder reformiert werden. Die CDU unterstützte zwar beide Anträge, trat aber in der Diskussion etwas auf die Bremse – womöglich, um eine offene Konfrontation mit den „eigenen“ Regierungen in Wiesbaden und Berlin zu vermeiden.
Einigkeit – mit leisen Nebentönen
Am Ende wurden beide Anträge einstimmig angenommen – also auch mit den Stimmen von Bündnis Sahra Wagenknecht und AfD, die sich allerdings inhaltlich nicht an der Debatte beteiligten. Hans-Joachim Böhme-Gingold (LINKE/fraktionslos) kritisierte am Rande das Verfahren: Sein eigener Antrag zur Thematik sei vom Vorsitz nicht zugelassen worden.
Fazit: Der Kreistag zeigt Haltung – und warnt eindringlich
Selten war sich der Kreistag so einig. Die finanzielle Not der Kommunen ist längst keine parteipolitische Frage mehr, sondern eine systemische. Die beiden Resolutionen sind ein Hilferuf – und womöglich die Vorstufe zu gerichtlichen Schritten. Dass selbst langjährige Bürgermeister wie Gerhold ein juristisches Vorgehen nicht mehr ausschließen, zeigt: Die kommunale Familie steht unter Druck. Und sie hat es satt, zu zahlen, ohne gefragt zu werden. Damit trafen die Anträge der FREIE WÄHLER und der GRÜNEN mit orange-grün ins Schwarze … (rs)

1 Kommentar
Die Ursache für manche klamme Kommune ist auch die mit „Fördergeldern“ verbundene, geradezu Sucht Projekte, die keine Pflichtaufgabe sind zu verwirklichen. Oder sich Gedanken über zukünftige Kosten zu machen und sie in den Haushalt zu stellen.
Dadurch vergisst man die Objekte, die teuer sind, ständig zu pflegen wie es in privaten Kreisen üblich ist.
Ein Musterbeispiel dafür ist die Kreisstadt Homberg. Zig Millionen in den letzten Jahren an „Fördergeldern“ und verlorenen Zuschüssen zum Ausgleich. Und was ist der Erfolg: Innenstadt vergamelt, aber sinnlose Prestigeprojekte wie der Stadtpark.
Bei der Sitzung wurde viel geredet über Dinge die jeder Bürger, jeder Politiker kennt.
Aber konkrete Beispiel für Sparmassnahmen sind nicht sichtbar, werden nicht genannt.
Ist ja einfacher zu jammern und dann
Man kennt den Zustand der Kommunen.
Was macht man:
Man erhöht die Kreisumlage !!! um weiter großzügig “ Fördergelder“ verteilen zu können.