Ziegenhain mit Veränderungen vom „Feindsten“
SCHWALMSTADT. „Fest wie Ziegenhain“? Die Tore dicht! Die Stadt wurde nie erobert, höchstens aufgegeben? Ja, nee! „Fest in Ziegenhain“! Tore auf! Zwei Tage für die südhessischen Streetfood-Trucks. Nicht die Kaiserlichen oder die Franzosen waren es diesmal, sondern die Limburger siedelten vor den Toren der alten Festung in der Wiederholdstraße.
Sie zogen auch ohne Velten Muhly wieder von dannen. Eine gute Nachricht Richtung Knüll: Kein Grund zur Sorge, dass aus der Ziegenhainer Food-Truck-Meile eine echte Konkurrenz für das Streetfood-Fest „Neukirchen grillt“ erwächst. Am vergangenen Samstag und Sonntag gastierte die Wagenburg der Agentur Diamond Media Events in der Ziegenhainer Haupteinkaufsstraße. Food-Nomaden ziehen von Stadt zu Stadt.
Nicht nur ein bisschen anders, sondern ganz anders
„Ziegenhain vom Feinsten“ sollte etwas anders werden. Das haben sich die Gewerbetreibenden gewünscht, sagt Bürgermeister Tobias Kreuter. Das Stadtmarketing Schwalmstadt hat daraufhin ganze Arbeit geleistet und zuerst alle regionalen Produzenten, Gastronomen und Vereine von der Festmeile verbannt. Trotzdem gab es richtig viel zu essen! Und einen Getränkestand!
Crêpes aus Südhessen statt Waffeln von der Kirchengemeinde, Radeberger statt Schwalmbräu, Almdudler statt Rhönsprudel, Fast Food statt liebevoller Live-Zubereitung (beispielsweise vom Ess.Punkt) vor Ort. Den heimischen Foodtruck-Anbietern wurde die kurze Anreise erspart und Kunsthandwerk stört nicht mehr auf der Festmeile. Sitzgelegenheiten bringt eine Agentur weniger mit. Fast Food To Go liegt im Trend. Man kann auch im Gehen essen! Musste man sogar, wenn man Essen und Trinken gleichzeitig wollte.
Instant-Konzept gibt auch Oldtimern eine Chance
Beim Flanieren störten auch keine Walkingacts mehr, dafür fielen uniformierte Fußstreifen auf. Boris Rhein hat Wort gehalten. Es ist mehr Polizei auf den Volksfesten zu sehen. Diamond Media Events gibt in freundlicher Weise auch Trucks eine Chance, die schon etwas betagt und historisch wirken. Einige Food-LKW sind echte Oldtimer der Branche. Schön, dass sie noch fahren und sogar grillen können! Der Tross zieht mit einem Komplettangebot von Stadt zu Stadt. Reisendes Volk, das die städtischen Eventplaner entlastet und der heimischen Gastronomie viel Mühe erspart. Gelegentlich mag die Frage nach dem Warum des Ganzen aufgekommen sein.
Viel Mühe hat bei dieser Art des Instant-Food-Events aus der Dose auch das Stadtmarketing gespart. Dort geht es verstärkt um größere Aufgaben? Die Abteilung WTS – Wirtschafts-, Tourismusförderung, Stadtmarketing hat nicht nur einen langen Namen, sondern ist auch die teuerste in der Region. Tatsächlich hat sie mit dieser Art der Festorganisation eine Menge Ressourcen bewahrt für die wichtigen Aufgaben der Stadtentwicklung. Chapeau! Für die Ziegenhainer Geschäftswelt, war das Offline-Event hoffentlich ein Glücksfall!
Ziegenhain lebt von seinen Gegensätzen
Das Angebot für Kinder hat Reizüberflutungen vermieden. Eine kleine aufgeblasene Kletterburg (natürlich auch nicht von einem regionalen Veranstalter) und Kinderschminken – immerhin vom Hobbyhaus Michel – hat gereicht. Der alte Titel „Ziegenhain vom Feinsten“ passt nicht mehr auf das neue Konzept, das mit Discount-Qualität und Massentauglichkeit dem Trend nach Regionalität und Nachhaltigkeit widersteht. Nicht so ganz passend wirkte das anspruchsvolle Bühnenprogramm, organisiert von Steffen Dittmar am Sonntag. Die freien Plätze vor der Bühne offenbarten eine gewisse Distanz zwischen Esskultur und Musikkultur. Auch die Ausstellung von Künstlern der „Neue Brücke“ schien etwas abgehängt zu sein im Rathaus.
Aber Ziegenhain lebt immer wieder von seinen Gegensätzen und wächst mit seinen Herausforderungen. Wie liebevoll, persönlich, nachhaltig und im Einklang mit dem stets gerne reklamierten Anspruch von einer historisch bedeutsamen Stadt ein Event organisiert werden kann, wird sich zum Festungs- und Konfirmationsjubiläum vom 20. bis 22. September zeigen. Das ist dann „Ziegenhain vom Feinsten“. Es geht immer beides! Dazwischen fällt am 15. September auch noch der Michaelismarkt im Stadtteil Treysa. (Rainer Sander)
1 Kommentar
Alles direkt auf den Punkt gebracht. Es war wirklich ein höchst skurrile Veranstaltung. Aus der Region für die Region???
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