Ausklang mit Phil Schaller, Maffay Show und Rockmachine
FRITZLAR. Schluss! Aus! Ende! Der Hessentag in Fritzlar ist Geschichte! Die Zählweise der Hessentags Besucher bleibt immer etwas nebulös. Weil das aber für alle Hessentage gilt, mag es sich wieder ausgleichen. 519.000 sollen es gewesen sein, die zweitniedrigste Zahl, seit Hessentage zehntägig gefeiert werden. Nur Pfungstadt im vergangenen Jahr hatte weniger.
So weit die Statistik im Kontext. Es ist schwer, die Qualität eines Hessentages zu bewerten. Wie immer boten die staatlichen Organisationen Polizei und Bundeswehr, aber auch der Hessische Rundfunk ein musikalisch-kulturelles Top-Programm in ihren Zelten und auf allen Bühnen. Das Weindorf konnte mithalten und das nahezu ausschließlich mit regionalen Acts aus Nordhessen. Auffällig war, dass die von der Staatskanzlei vorgegebenen Programmpunkte den deutlich geringsten Zuspruch fanden.
Weniger ist mehr
Die Bühne am Dom war durchgehend gut besucht bei einem abwechslungsreichen Kulturprogramm. Auch hier dominierte die Region. Nordhessische Kultur lockt wenige Südhessen an. Das wäre umgekehrt genauso. Den Gedanken des Festes für alle Hessen schultern die großen und kleinen Ausstellungen und Projekte wie „Der Natur auf der Spur“. Aber wer nur für einen Top-Act an- und gleich wieder abreist, trägt die Idee des Hessentags auch nicht weiter.
So bleibt abzuwarten, welches Hessentags-Konzept sich durchsetzt. Das Prinzip „Viel hilft viel“ oder die Variante „Weniger ist mehr“. Der Umzug am Sonntagnachmittag markierte das Ende des offiziellen Hessentages. Im Sparkassen-Palace und auf den Bühnen war danach längst noch nicht Schluss.
Zwei Sonnen in der Nacht
Für das Abschlusskonzert des Hessentages musste der gebürtige Nordhesse Matthias Reim seinen Auftritt im Sparkassen Palace leider gesundheitsbedingt absagen. Die Bude wäre voll gewesen. Phil Schaller und die Maffay-Showband gaben ihr Bestes für einen versöhnlichen Abschluss. 650 Besucher fanden auch ohne den eigentlichen Stargast den Weg ins Zelt.
Manchmal ist ein „Ersatz“ sogar ein Upgrade. So war es gestern Abend. So war es mit Phil Schaller aus Unshausen, der zum ersten Mal mit seiner neuen Band aus Großbritannien auf einer Bühne gestanden und mit einem neuen Selbstbewusstsein überrascht hat. Die Band spielte – wie versprochen – professionell und druckvoll auf. Auch eine PA will ausgefüllt sein. Das war in der Vergangenheit nicht immer so. Zu hören gab’s noch mehr eigene Lieder. Phil Schaller ist jetzt bei sich, seinen Texten und seiner Musik angekommen. Ein wichtiger neuer Schritt, den das Publikum nicht artig, sondern deutlich mit Anerkennung quittierte.
Phil Schaller ist angekommen
Mit seinen Texten spricht er die Generation Z an, die im Hier und Jetzt lebt. „Heute ist morgen schon gestern“ ist seine Hymne auf eine Denkweise mit dem Gegenwartsfokus ohne allzu viel Planung für eine Zukunft, die sowieso anders kommen wird. Wie wahr, angesichts dessen, dass schon solch ein Konzertabend ganz anders verlaufen kann, als geplant.
Als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht, agiert er auf der Bühne, fordert sein Publikum zum Mitmachen auf, übernimmt zwischendurch selbst das Keyboard und erklärt das Leben, ohne dabei altklug oder belehrend zu wirken. „Einer von Tausend“ war eins der emotionalsten Lieder. Ein Erlebnis auch die neueren Lieder wie Julie und Labyrinth und die ganz aktuelle Single „Pause drücken“.
Nach einer Stunde und ein bisschen Partyeinlage mit DJ stand die Maffay-Showband auf der Bühne. Angereist aus der Bergstadt Eibenstock im Erzgebirge, ausgestattet mit bestem Sächsisch und geadelt vom Meister aus Siebenbürgen persönlich, der sogar bereits gemeinsam mit ihnen auf der Bühne gestanden hat, begannen sie wunderbar entspannt und ganz so wie ihr Vorbild mit „Samstag Abend in unserer Straße“ und „Schatten in die Haut tätowiert“. Spätestens „Und es war Sommer“ war der Bann gebrochen.
Live-Erlebnisse im Maffay-Sound
Sänger, Gitarrist und Manager der Band, Steven Gärtner trägt die gleiche Jacke wie Maffay, könnte körperlich aber auf den Peter herabschauen. Es ist immer ein bisschen schwerer, charismatische Musiker zu covern, die einen unverkennbaren Stil haben. Steven Gärtners Stimme klingt dem Original verblüffend ähnlich und die Bühnen-Choreografie stimmt. Die Band hat’s drauf, Saxofonistin Nanett „Charlie“ Klauser hat am Nachmittag noch in Dresden auf einer anderen Bühne gestanden, und alle vor oder auf der Bühne wissen, da singt und spielt nicht Peter Maffay. Aber wenn sich das Original mehr und mehr zurückzieht, ist es schön, wenn jemand da ist, um für Live-Erlebnisse des Maffay-Sounds zu sorgen.
Gänsehaut bei Eiszeit funktioniert genauso wie Mitrocken bei Karneval der Nacht. Wenn die Musiker aus der Heimat von Karat „Über sieben Brücken …“ in der Version von Peter Maffay singen, ist auch die „Einheit“ hergestellt. Tränen in den Augen bei Nessaja gehören dazu. Leider waren tief in der Nacht nur noch wenige in der Halle. Die Lokalmatadoren Rockmachine waren zu dieser Zeit schon lange fertig im Weindorf. Sonntag Abend eben … (Rainer Sander)