Sommerreise der Bischöfin
SCHWALMSTADT/NEUKIRCHEN. Kürzlich hat Bischöfin Professor Dr. Beate Hofmann den südlichen Kirchenkreis Schwalm-Eder bereist. Begleitet wurde sie von Propst Volker Manthey, Dekanen Christian Wachter, Norbert Mecke und Dekanin Sabine Tümmler.
Die Delegation besuchte unter anderem den Kirchenvorsteher und Junglandwirt der Staatsdomäne Immichenhain, Christoph Riebeling.
Mit dem Erntedankfest und verschiedenen Aktionen auf dem „Bauernhof mit Kirche“, spricht er besonders junge Leute an, so Prädikantin Heike Knauff-Oliver.
Multiprofessionelle Teams und Kooperationsräume
„Jugendarbeit ist uns wichtig und sie funktioniert gut. In den Kooperationsräumen, die seit 2018 bestehen, tragen viele Jugendliche die Gemeindearbeit mit“, erklärt Pfarrer Daniel Richebächer: „Wir sind ein Team-Pfarramt und arbeiten miteinander und grenzüberschreitend in unterschiedlichen Gemeinden.“ Zum Kooperationsraum Schwalm-Knüll, kurz KOORA, gehören fünf Pfarrstellen: Schwarzenborn, Neukirchen, Obergrenzebach, Riebelsdorf und Niedergrenzebach, verantwortlich für 10 Kirchengemeinden in 15 Ortschaften.
Dass Kirche in Bewegung ist, zeigen gemeinsame Veranstaltungen wie: Fahrrad-Gottesdienst, Tauffeste oder der Reisesegen on Tour, der Zusammenschluss von Chören und ein Spenderkreis, der eigens für die Finanzierung der Jugendarbeit gegründet wurde und nicht zuletzt ein großes Fest für Kinder mit ihren Paten auf dem Gelände der Melanchthon-Schule.
„Natürlich müssen wir uns in den Kirchenvorständen auch mit den schmerzhaften Themen, wie Rückgang der finanziellen Mittel und Einsparungen in der Kirche auseinandersetzen. Personalmangel und geringere Kirchenzugehörigkeit fordern Kreativität, um die Basisarbeit für die Menschen zu erhalten“, so Richebächer. Nicht anders ergeht es den Gemeinden im Kooperationsraum im südlichen Knüll mit dem Namen „A5“. „Mehr Bäume als Kirchenmitglieder hat der Kooperationsraum“ mit den Pfarrstellen in Breitenbach, Ottrau, Bechtelsberg, Oberaula und Olberode.“ Sagt Pfarrer Fink scherzhaft. „Der Autobahnanschluss ist günstig. Ansonsten aber haben wir zwischen den Gemeinden weite Wege, was die Zusammenarbeit erschwert. Zudem gehören die Gemeinden, die miteinander einen Kooperationsraum gestalten, drei Landkreisen an.“ Die fünf Pfarrerstellen werden von vielen Ehrenamtlichen mitgetragen. Sichtbar wird dies wie bei: Himmelfahrtsgottesdiensten auf dem Eisenberg oder auf der Burg Herzberg, bei Parkgottesdienst in Oberaula, bei Baumpflanzaktionen im Kastenwald, bei der Rehkitzrettung der Lingelbacher Jungschar, beim Mundorgelgottesdienst, Chor ConTakt, in Krabbelgruppen und nicht zuletzt beim jährlichen Nachbarschaftstreffen der Kirchenvorstände. Da wird diskutiert und überlegt, wie Kirche sich ändert und gemeinsam weiterentwickelt werden kann. Eine Besonderheit der Region sind die sieben Posaunenchöre mit mehr als 100 Bläsern und einer gut aufgestellten Jungbläserarbeit.
Die Antwort auf die Frage von Probst Volker Manthey nach dem Zauberstab des „guten Gelingens“, ist Kommunikation und Koordination. Damit dies gelingt, gibt es das Kirchenbüro in Neukirchen. Janina Riebenling und Natalie Miller organisieren und koordinieren die Zusammenarbeit der Pfarrerinnen und Pfarrern, Prädikantinnen und Prädikanten, Lektorinnen und Lektoren, Organistinnen und Organisten. Sie unterstützen die Kirchenvorstände insbesondere in Zeiten der Vakanz, sie sind verlässlich telefonisch während der Woche erreichbar und sorgen für Vertretung der Pfarrer im Urlaubs- oder Krankheitsfall. Sie stellen Urkunden und Bescheinigungen aus, verwalten die Gottesdienstpläne.
„Die Welt zu verändern, beginnt in der Schule“, ist ein Leitsatz von Leandro Bernhardt, dem jüngsten Posaunenchorleiter der Region. Zusammen mit seinem Bruder leitet der den Posaunenchor in Immichenhain. Frisch absolviert hat er sein Abitur an der Melanchthon-Schule Steinatal. Sein Engagement in der Posaunenarbeit bringt ihm nach eigenem Bekunden viele wertvolle Begegnungen und weitet den Horizont. Karlo Seck aus Riebelsdorf, ehemaliger Lehrer der Schule im Steinatal findet es gut, dass die Melanchthon-Schule ein Lebensort für Jugendliche in der Region ist, wo diese auch in ihrem Engagement in der Kirche gefördert werden.
Ich bin vom Engagement und der Vielfalt beeindruckt
Bischöfin Professor Dr. Beate Hofmann
Politische Bildung, Erinnerungskultur und Ökumene
„Ich und die anderen“ heißt ein Projekt der Gedenkstätte Trutzhain in Kooperation mit der Melanchthon-Schule zum Thema „Ausgrenzung“. Verantwortlich ist Sabine Brandes, die Leiterin der Gedenkstätte. Sie vermittelt Geschichte, Kultur und soziales Leben der Kriegs und Nachkriegszeit an diesem besonderen Ort, der französische und russische Kriegsgefangene beherbergt hat. Später waren es jüdische Menschen, die aus den Konzentrationslagern befreit worden waren und zuletzt Heimatvertriebene aus den Ostgebieten des Deutschen Reichs. Daniela Forst, Lehrerin an der Melanchthon-Schule, hat ein Deputat von 4 Stunden zur pädagogischen Mitarbeit in der Gedenkstätte. Der Besuch des ehemaligen Gefangenenlagers Stalag IX A gibt einen eindrucksvollen Einblick in einen besonderen Ausschnitt der Geschichte dieser Region. Neben Erinnerungsobjekten aus der NS-Zeit sind hier Fotos und Handwerksarbeiten von ehemaligen Gefangenen zu sehen. Einer der prominentesten Kriegsgefangenen war Francoise Mitterrand, 1981 bis 1995 französischer Staatspräsident. Kontakte mit jüdischen Zeitzeugen, die hier als vermisste und heimatlose Menschen nach dem Krieg vorrübergehend Zuflucht fanden, machen wissenschaftliche Aufarbeitung möglich. Eine besondere Herausforderung sind die Schicksale insbesondere der russischen Kriegsgefangenen, deren Namen und Geschichten erforscht werden können, wenn Angehörige sich melden. Nach Auflösung des Camps kamen Heimatvertriebene aus den ehemaligen Ostgebieten des Deutschen Reichs nach Trutzhain. Eine katholische Kirchengemeinde entstand, geprägt durch Traditionen der verlorenen Heimat. Sie brachten die Tradition der Quinauer Wallfahrt mit und etablierten sie an diesem besonderen Ort an der Gedenk- und Wallfahrtskirche Trutzhain. „Kirche ist hier eingebettet und geprägt durch die Geschichte der Region. Mit den Siedlern kam katholischer Einfluss in die Schwalm“, erzählt Gemeindereferent i.R. Heinrich Schöning. „Die Aussöhnung mit ehemaligen Kriegsgefangenen aus Frankreich und Russland, ist uns bis heute ein Anliegen.“ Die katholische Kirchengemeinde in Trutzhain ist mit 350 Mitgliedern klein und kämpft ihre Eigenständigkeit. „Sie behauptet sich jedoch mit ihrer Mariengrotte als Wallfahrtskirche“, erklärt Jens Körber, Pfarrer für den Pastoralverbund Maria Hilf in Schwalmstadt. Traditionell besteht in Trutzhain eine enge ökumenische Verbundenheit mit der evangelischen Kirchengemeinde vor Ort „Zusammenwachsen ist wichtig. Gemeinsame Veranstaltungen, wie die monatlichen Taizé-Andachten, nutzen wir als evangelische und katholische Christen, um in Zukunft noch mehr gemeinsame Wege zu gehen.“
St. Martin Seniorenheim
Das dritte Ziel der Bischöfin und ihrer Delegation an diesem Tag war der Neukirchner Verein für Altershilfe im Seniorenheim Sankt Martin. Unter dem Leitbild christlicher Nächstenliebe und Diakonie wird das Seniorenheim seit 1979 geführt, in dem derzeit 123 Bewohner ein letztes Zuhause gefunden haben. Darüber hinaus ist ein Betreutes Wohnen für weitere 25 Menschen möglich. „Wir könnten mehr tun, der Bedarf ist groß, doch uns fehlt das Personal“, klagt die stellvertretende Heimleitung Frau Emde. „Durch die Isolation in der Coronazeit haben wir viele ehrenamtliche Helferinnen und Helfer verloren. Diese Arbeit müssen wir ganz neu aufbauen.“, sagt Georg Eisenhut aus Riebelsdorf, der selbst seit vielen Jahren ehrenamtlicher Vorstand des Vereins ist. Interessiert zeigte sich die Bischöfin auch an der Arbeit der Hospizkoordinatorin Christin-Ann Resch. Seit 2014 ist der Verein für Altershilfe in Neukirchen Partner in einer Kooperation mit weiteren ehrenamtlich organisierten Initiativen der Hospizarbeit in Treysa, Frielendorf und inzwischen auch in Fritzlar. Christin-Ann Resch koordiniert hauptamtlich die ambulante Trauer- und Hospizarbeit. Darüber hinaus ist ihr die Qualifikation derer, die Menschen in ihren schwersten Stunden von Sterben, Tod und Trauer begleiten, anvertraut. Bischöfin Beate Hofmann betont die Wichtigkeit der Hospizarbeit, gerade auch im Kontext, der aktuell diskutierten und in politischer Entscheidung begriffenen Thematik des „Assistierten Suizids“.
Es war ein langer Tag und alle Besuchsstationen waren so vielfältig, interessant und aufschlussreich.
Bischöfin Beate Hofmann
Die Arbeit in den Kooperationsräumen führt Kirchengemeinden zusammen. Es wurde deutlich, dass junge Menschen mit entsprechender Ansprache für die Arbeit der Kirche gewonnen werden können. Die Zusammenarbeit unterschiedlicher Gemeinden bringt Bewegung in die Kirche und öffnet sie für neue Wege. Der Besuch in der Gedenkstätte Trutzhain und die Begegnungen in der katholischen Kirchengemeinde an diesem Ort war bewegend und aufschlussreich. Das Engagement in der Pflege und in der Sterbebegleitung sind bleibende und wichtige Herausforderungen für eine sorgende Kirche in unserer Zeit. (pm/wal)