Buch über Franz von Roques´ Eindrücke an der Westfront
TREYSA (Thomas Schattner). Ein neues Buch zur Treysaer Lokalgeschichte beschäftigt sich mit einem Militär, der in beiden Weltkriegen des 20. Jahrhunderts aktiv war, Franz von Roques. Nachfahre von hugenottischen Einwanderern, die zunächst Ende des 18. Jahrhunderts in Frankenhain ansiedelten, hinterließ zahlreiche schriftliche und fotografische Quellen zur Geschichte des Ersten Weltkriegs.
Dies nahmen Thomas Schattner und Rainer Scherb zum Anlass, eine dreibändige Dokumentation über den Mann, der in der Treysaer Burggasse geboren wurde, herauszugeben.
Eine Familiengeschichte, die neben vielen geistlichen Repräsentanten mit zahlreichen Generälen gespickt ist, befindet sich ebenso wie eine Publikation, die von Roques´ Fotografien aus dem Ersten Weltkrieg in den Mittelpunkt stellt, in Vorbereitung. Seine Tagebucheinträge zwischen 1915 und 1917 liegen seit Kurzem dagegen bereits als Publikation vor. Leider sind die Jahre 1915, 1916 und 1917 nicht vollständig erfasst. Die Gründe sind unbekannt. Lediglich für den Mai 1916 steht fest, dass von Roques aufgrund eines rheumatischen Anfalls im rechten Arm länger nicht schreiben konnte.
Dass die Tagebucheinträge des Generals wissenschaftlich von großem Interesse sind, bedingen mehrere Faktoren. Einerseits dürfte es fast einzigartig sein, den Blick auf den Krieg mit den Augen eines Zeitgenossen zu werfen, der mehrheitlich hinter der Front agierte. Franz von Roques war die meiste Zeit seiner Einsätze an der Westfront in Belgien und in Nordfrankreich, u.a. für die Quartiere der Reservearmeen im rückwärtigen Frontgebiet zuständig. In dieser Funktion war er viel unterwegs, gewann immer neue Eindrücke von den besetzten Gebieten, die er z.T. auch mit einem touristischen Auge betrachtete, gleichzeitig war es ihm aber möglich, öfter auch analytisch-reflektierend die kriegsbedingten Ereignisse zu beschreiben. Darin liegt zweifellos die zweite große Stärke dieser Tagebucheinträge.
Hinzu kommt eine zeitgenössische Sicht auf den Krieg, die seine Sozialisation im Kaiserreich widerspiegelt. So notierte er noch am 15. August 1915 in Lothringen in sein Tagebuch: „Aber es sind französische Dörfer, die dort liegen. Die Einwohner mögen sich jetzt etwas deutsche Sprache ´anquälen´, ihre Muttersprache ist es nicht und die Bauart der Häuser, die Kleidung der Leute ist durchaus Französisch. Hoffentlich wird das nach dem Krieg anders“. Deutlich werden hier sowohl die Siegesgewissheit der deutschen Militärs als auch die unverhohlenen Hegemonie-Gedanken des Kaiserreichs. Auch findet man zu Beginn der Tagebucheinträge keine Spur davon, dass von Roques Skrupel hatte, völkerrechtswidrig zusammen mit der deutschen Armee in Belgien und Frankreich einzufallen. Dass von Roques Bestandteil einer Invasionsarmee war, deren Kriegsführung vom deutschen Generalstab in Form des sogenannten Schlieffen-Plans schon Jahre im Voraus planerisch detailliert ausgearbeitet worden war, hat er nicht reflektiert.
Dennoch kann konstatiert werden, dass sich die Sicht des Generals auf den Krieg im Laufe der Zeit veränderte, worin eine weitere Stärke der Niederschriften besteht. Kontinuierlich dagegen beschrieb der General in allen drei Jahren die neue „militärische Qualität“ des ersten industrialisierten Massen-Krieges mit Millionenheeren und ihren verheerenden Vernichtungswaffen. Doch spätestens im Jahr 1916 wurden auch erste Zweifel an den militärischen Fähigkeiten der deutschen Truppen für von Roques deutlich. Fortan kennzeichneten kritische Bemerkungen immer wieder die Gedanken von Franz von Roques.
Doch auch hier zeigt sich von Roques´ Charakter ambivalent. Aus heutiger Sicht – und eigentlich dürfte man das auch zeitgenössischer Sicht erwarten – kann man nur befremdend zur Kenntnis nehmen, dass aus von Roques Tagebüchern keinerlei Mitleid mit verwundeten oder gefallenen Soldaten spricht. Sprachlich kalt, fast auf das Mathematische reduziert, notiert er die Zahlen der Verluste, dass hinter jeder einzelnen Zahl ein individuelles Schicksal steht, scheint er zu ignorieren. Vielleicht war sein Charakter dazu zu technokratisch geformt. Hinzu kommt der Charakterzug der Besserwisserei, der oft aus seinen Zeilen spricht. Oft entsteht zwischen den Zeilen beim Lesen der Eindruck, er hätte es viel besser gemacht, wenn man ihn gefragt hätte, nur keiner hat Franz von Roques gefragt.
Kurzum: Die Überlieferung der Tagebücher und der damit verbundenen Kriegserlebnisse von Roques stellen dennoch und trotz allem einen „historischen Glücksfall“ für die Lokalgeschichte Nordhessens als auch die allgemeine Geschichtsschreibung dar, die wir dem General persönlich zu verdanken haben. Denn charakteristisch für ihn war, dass er nahezu sämtliche Dokumente, die im Kontext des Krieges standen, archiviert hat. Das gilt neben den Tagebüchern und Fotoalben auch z.B. für die Briefe, die er aus dem Krieg an seine Ehefrau Hildegard schrieb. Von Roques Ziel war es nicht, zu publizieren, stattdessen sollten die Dokumente nach dem Krieg ihre Verwendung bei der Ausbildung jüngerer Soldatenjahrgänge finden. Dennoch haben wir es diesem „familienhistorischem Bewusstsein“ des Generals zu verdanken, dass von Roques so vieles, wenn auch z.T. unter außergewöhnlichen Umständen, der Nachwelt hinterlassen hat, was nun über 50 Jahre nach seinem Tod publiziert werden kann.
Die Tagebuchnotizen beziehen sich auf folgende Zeiträume:
- 30. August bis 15. Oktober 1915
- 7. April bis zum 3. Mai 1916
- 26. September bis 5. November 1916
- 10. bis 26. März 1917
- 17. September bis 26. November 1917
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