Ayham Ahmad spielt und singt in Gudensberg
GUDENSBERG: Sie kennen das, wenn eine Geschichte bewegt und ihre Bilder nicht aus dem Kopf gehen, weil sie so verrückt sind? Ereignisse mitten im Krieg, wie das Bono- und Pavarotti-Lied „Miss Sarajevo“, über eine Schönheitskonkurrenz inmitten der Ruinen? Gibt es eine Zeit für Kajal und Lippenstift, um das richtige Kleid zu finden, um nach Mekka zu sehen, für eine Schönheitskönigin?
Gibt es eine Zeit für Lieder zwischen Ruinen und Trümmern, zwischen Granaten und Bomben? Ja! Auch die Bilder von Aeham (oder Ayham) Ahmad, dem „Pianisten von Yarmouk“, der mit seinem Klavier zwischen zerborstenen Betonteilen, freigelegten Bewehrungseisen, aufgerissenem Pflaster und herabhängenden Fetzen von Stromkabeln aufgebaut und gespielt hat, als gäbe es weder gestern noch morgen. Nur diesen Moment, in dem er mit Kindern gesungen und Melodien gespielt hat.
Lebensbejahend und nachdenklich – die Geschichte zur Geschichte
Dabei ist er nicht einmal Syrer. Er ist Palästinenser. Also schon einmal geflohen. Aus Palästina nach Syrien. Wir alle sagen immer wieder, dass morgen alles anders sein kann und jammern, wenn das Heizöl teurer wird. Die Menschen im Krieg hoffen, dass es überhaupt ein Morgen gibt und wieder Häuser, die man heizen kann. Und dann kommt dieser Ayham Ahmad daher, nach Gudensberg ins Bürgerhaus – des Wetters wegen nicht auf die Märchenbühne – und spielt Klavier, so und weil er nie etwas anderes getan hat. Nachdenklich, aber mit einem unglaublichen, lebensbejahenden Ausdruck. Begleitet am Schlagzeug von Tobias Schulte, den man vorwiegend von Triosence und dem Edgar-Knecht-Trio kennt.
Er erzählt seine Geschichte. Er hat sie aufgeschrieben. Das heißt, Axel Gabelmann liest und Aeham Ahmad spielt am Flügel und singt. „Forget my Name“ heißt eines der Lieder. „Und die Vögel werden singen – Ich, der Pianist aus den Trümmern“, so heißt die Autobiografie, „Taxi Damaskus. Geschichten – Begegnungen – Hoffnungen“ heißt das zweite Werk mit Geschichten aus dem Krieg, die die Fahrgäste erzählen.
Die Gedanken sind frei
Die über 100 Besucher erfahren, wer Abu Aeham ist. Der Vater (Abu) von Aeham. Wir hören, wie Abu (der Vater) mit dem Blindenstock durch Yarmouk geht. Einmal ist er in den Gulli gefallen. Ab 3 Jahren hat er den Vater geführt. Der wusste immer, wo sie abbiegen mussten. „Wir haben uns nicht einmal verlaufen!“ So ging es jeden Tag zum Kindergarten. Um 8:00 Uhr. Die Mutter war Lehrerin. Er spielt ein Medley mit „Für Elise“ und allerlei Klassischem. Und: „Die Gedanken sind frei“, oder „Alle meine Entchen“, bis „Freude schöner Götterfunken“. Den Internationalen Beethoven-Preis hat er bekommen. Für Menschenrechte, Frieden, Freiheit und Armutsbekämpfung. Und immer wieder die „Gedanken sind frei“, wer kann sie erraten, singen alle Hundert mit, kein Mensch kann sie wissen, kein Jäger erschießen…“
Auch Assad kann das nicht. Und Putin nicht. Der Flüchtlingsjunge Ahmad geht später auf eine der besten Syrischen Musikschulen. Seitdem beherrscht er eine wunderbare Sprache. Der Vater stand immer hinter ihm und mahnte, Beethoven und Bach zu spielen. Jazz oder orientalische Musik waren für den Jugendlichen aber interessanter. Fünf Stunden spielte er am Tag, heute spielt er gerne beides. Oder Alles. Die Star Academy Casting Show für ganz Arabien hat er damals gewonnen.
Das billigste Piano zu siebt durch die Stadt getragen
Abu hat ein erfolgreiches Musikgeschäft und als die Revolution ausbricht, ist in Syrien alles verloren. Es gibt Linsen-Falafel statt aus Kichererbsen. Das wird verkauft. Der Musiker frittiert plötzlich Linsenteig. Und nachts um 23 Uhr spielt er Akkordeon am Plastikflaschen-Lagerfeuer. Holz gibt es nicht.
Sechs Wochen hat er überlegt und dann mit Mahmoud das Klavier auf die Straße getragen. Zu zweit. In die Masura Mittelschule ging es. Dort, wo die erste Rakete eingeschlagen ist. Das billige Schanghai Klavier schoben sieben Männer durch die Stadt. Die Presse kam. Ayham hat protestiert. Da könne man gleich den Geheimdienst holen. Aber: „Wir werden hier eh verhungern, ist doch egal“ so die Antwort. Es war der 28. Januar 2014, als der Pianist scheinbar Assad die Stirn bietet. Ein Freund in Syrien hat gesagt, die Sonne wird wieder scheinen und eines Tages ist der Diktator weg…
Syrien trifft Ukraine
Das Video ist immer noch zu sehen. Nicht, dass er aufhören musste und dass er danach über die Balkan-Route nach Deutschland kam, wo er inzwischen ein Zuhause gefunden hat. Auch wenn die Akzeptanz hier geschwunden ist. Noch immer spielt er Klavier und noch immer auf eine Weise und Fröhlichkeit, die verrät: „Es gibt immer ein Morgen.“ Er lacht, ist humorvoll. Der, der zweimal geflohen ist und ich denke im Publikum, wenn er noch lachen kann, wer bin ich, wenn ich über Benzinpreise und teure Brötchen heule?
Nach der Pause kam Rostyslav Tsiuropii mit auf die Bühne. Der Gitarrist stammt aus der Ukraine. Von dort flieht man 7 Jahre später in die Fremde und macht Musik. Ukrainische Folklore mischt sich mit orientalischen Klängen und Klassik. Schließlich kam Sarah Baum hinzu, um das Trio mit der Berimbau, einem einfachen Saiteninstrument, zu unterstützen.
Ein Abend mit zeitloser Musik, einer internationalen Sprache und eine Portion Optimismus, die viele in Deutschland erwarten würden, wo das Leben geordnet ist und nicht mitten aus dem Kriegsgebiet. (Rainer Sander)
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