Bernd Gieseking: Glücksweltmeister auf der Märchenbühne
GUDENSBERG. Finnland ist seit vier Jahren Glücksweltmeister (nach einer internationalen Statistik) und seit 13 Jahren bereist Bernd Gieseking regelmäßig Finnland. Macht ihn das zu einem glücklicheren Menschen? Wer den Kabarettisten kennt, ahnt, dass Ursache und Wirkung nicht so leicht auseinanderzuhalten sind.
Der Freitagabend war finnisch kühl, also das Wetter passte sich dem Thema an, als der Ostwestfale aus Minden Lebenserfahrungen und Lebensweisheiten auf der Gudensberger Märchenbühne preisgab, von denen nicht immer klar ist, ob Finnland, die Finnen, gar der Weihnachtsmann, der in Rovaniemi zu Hause ist oder doch die ostwestfälische Herkunft entscheidend sind.
Durch Zufall nach Finnland
Die Zeit war vorüber, als Mama noch die Einkaufszettel in der Reihenfolge der Supermarkt-Regale schrieb, als sein Bruder eine Finnin geheiratet hat und in deren Heimat gezogen ist. Eigentlich wollten nur die Eltern hinfahren, aber mit dem leichtsinnigen Satz, „dann fahre ich euch eben“, um Papa und Mama vor Irrwegen zu bewahren, begann eine neue Sichtweise auf das Leben, die Dinge und die Menschen.
Nach 13-mal Finnland und inzwischen drei Büchern, ist der ostwestfälisch-nordhessische Kabarettist und Satiriker ordentlich „finnisiert“. Drei Worte beherrscht er bereits perfekt: Mansikka, Mustikka, Nippusiteet = Erdbeere, Blaubeere, Kabelbinder. Außerdem kennt er den wichtigen Unterschied zwischen Lakritzi und Salmiaki. Der Ostwestfale braucht – ähnlich den Finnen – nicht viel, um glücklich zu sein und muss nur schweigen, um das Eis zu brechen. Das ist ähnlich wie in Finnland und in Nordhessen. Die Schnittmenge zu den nordischen oder alpinen Regionen ist ohnehin einfach auf den Punkt zu bringen: Ostwestfalen sind ein Bergvolk, das in der norddeutschen Tiefebene lebt.
Von „Finne dich selbst“ bis „Finne dein Glück“
Nach der ersten Reise-Kolumne in der taz, meinte sein Verlag, er solle doch ein Buch über Finnland schreiben. „Finne dich selbst“ war erfolgreich und als Finnland Partner der Frankfurter Buchmesse war, wurde er gebeten, das kuriose Finnlandbuch zu verfassen. Die kuriosen Bücher sind eine Serie über die Partnerländer der Buchmesse und für die Finnland-Ausgabe, ist er die gesamte Außengrenze von mehr als 3.600 Kilometern abgefahren und verfügt jetzt über jede Menge unnützes Wissen.
Dazu gehört auch, dass Finnland von 2017 bis 2020 auf Platz 1 im World Happiness Report gelegen hat, man ahnen kann, dass dies auch 2021 wieder der Fall sein wird und das Deutschland erst Corona gebraucht hat, um auf Platz 7 aufzuschließen und damit erstmals unter die Top 10 zu kommen. Die Anregung für sein aktuelles Buch: „Finne dein Glück“.
Von Tacitus bis PISA
Dabei tauchen viele Fragen auf und nicht alles kann beantwortet werden. So gibt es in Finnland einen Pilz, den man 4-mal kochen muss, sonst ist er tödlich giftig. Wie haben die Finnen das mit dem 4-mal bloß herausgefunden? Die wichtigste Frage, nämlich „was in Finnland glücklich macht“, liegt auf der Hand: Finnen erwarten nicht zu viel vom Leben… Schon der römische Geschichtsschreiber Tacitus hat über Finnland geschrieben, dass die „Fennen“ in äußerster Enthaltsamkeit lebten, ohne Waffen, Pferde und Zuhause. Während sie auf dem Erdboden schliefen, dienten ihnen lediglich Felle als Kleidung und Kräuter und Fleisch als Nahrung. Das Wild erlegten sie mit Pfeilen, die mit Knochenspitzen versehen waren. Den einzigen Schutz vor Regengüssen und wilden Tieren boten ihnen Geflechte aus Zweigen. Trotz dieser Strapazen empfanden sie ihr Leben so glücklicher, als mühsam Felder bestellen oder Häuser bauen zu müssen. Sie kennen nicht mal einen Wunsch…
Man kann also nur wunschlos glücklich sein? Nicht ganz, denn es gibt die Geschichte, dass Ungarn und Finnen einst gemeinsam an einem Schild standen, auf dem ein Land voller Sonnenschein beschrieben war. Diejenigen, die lesen konnten gingen nach Süden, die anderen nach Norden. Und seitdem schneiden die Finnen so gut bei den PISA-Studien ab, damit ihnen das nicht noch einmal passiert.
Wald und Sauna haben Finnen reichlich
Finnen haben allerdings auch das Glück, dass sie sich aus dem Weg gehen können. In Finnland gibt es das Jedermannsrecht und außerdem ist der Wald die Kirche der Finnen. Die Sauna ist die Apotheke des armen Mannes…
Und die Finnen haben einen recht trockenen Humor. Ein Beispiel? „Kalter Kaffee macht schön, aber der Magen verträgt nicht so viel, wie das Gesicht verlangt…“ Immerhin 80 Besucher wollten etwas über diesen finnischen Humor erfahren und haben mit Bernd Gieseking herzhaft gelacht und trotzdem über vieles nachgedacht. Ein echter Lebenshilfe-Abend voller Spaß und tiefen Sinn. (Rainer Sander)