Im Gespräch mit Bürgermeisterin Silke Engler zum Jahresstart 2021
BAUNATAL. Es eine Tradition, zum Jahresstart ein Gespräch mit der Baunataler Bürgermeisterin zu führen. nh24-Redakteur Rainer Sander hat mit Silke Engler gesprochen.
nh24: Baunatal erlebt seit 5 Jahren Krise, hat aber nie so richtig in den Krisenmodus umgeschaltet?
Silke Engler: Das sehe ich auch so. Wir haben seit Beginn der sogenannten Dieselkrise Stück für Stück Veränderungen eingeleitet. Diesen Weg der Veränderung werden wir weitergehen müssen. Und dabei sind wir – gegenüber vielen anderen Kommunen – in der komfortablen Lage, dass wir über Jahre hinweg eine finanzielle Ausstattung hatten, die uns eine schrittweise Veränderung ermöglicht.
nh24: Immer im Januar stellt sich die Frage neu: Was bewegt Baunatal in diesem Jahr?
Silke Engler: Das alles beherrschende Thema ist die Bewältigung der derzeitigen Lage mit der Covid-19-Pandemie und der Rückkehr zur Normalität. Wichtig ist mir hierbei, bereits jetzt miteinander ins Gespräch zu kommen, wie wir in der neuen Normalität die Stadt gestalten. Viele Bereiche des Lebens, die den Zusammenhalt in unserer Stadt organisieren, finden zurzeit nicht oder nur sehr eingeschränkt statt. Da braucht es gemeinsam entwickelte Ideen. Und dann gilt es, an der langen Linie der Transformation der Mobilitätswirtschaft in Nordhessen zu arbeiten. Diese Veränderung betrifft unsere Stadt als Standort des zweitgrößten Volkswagen-Werkes in Deutschland in einem besonderen Maße. Gemeinsam mit weiteren Akteuren der Region wollen wir die Weiterentwicklung aktiv gestalten.
nh24: Wie schwer ist es wirklich geworden, halbwegs verlässlich zu planen?
Silke Engler: Es war auch in den letzten Jahrzehnten immer ein auf und ab mit der Gewerbesteuer – es war nur jeweils die Frage, wie lange das Tal dauert. Das ist heute in der globalisierten Welt schwerer zu prognostizieren. Insgesamt wissen wir, dass sich mit der Transformation der Mobilitätswirtschaft in Nordhessen auch die Gewerbesteuer langfristig und dauerhaft verändern wird. Und die Covid-19 Pandemie hat im letzten Jahr für alle Kommunen zu einem nicht vorhersehbaren immensen Ausfall an Gewerbesteuer geführt. Die Lage der Unternehmen und damit die Gewerbesteuerentwicklung, wird in diesem Jahr und sicherlich auch im kommenden Jahr angespannt bleiben.
nh24: Im nächsten Monat „feiern“ wir schon ein Jahr Corona-Pandemie. Wie haben Sie das Auf und Ab erlebt?
Silke Engler: Die Stadtgesellschaft hat gerade in der Neuartigkeit der Situation im vergangenen Jahr eine – aus meiner Sicht – sehr positive Kraft zur Nachbarschafts- und Selbsthilfe entwickelt. Die Weiterentwicklung zu einer digitalen Stadt hat einen enormen Schub und auch ein bisschen Selbstverständlichkeit bekommen. Das sind positive Erkenntnisse, die ich aus 2020 mitnehme. Auf der anderen Seite beobachten wir die wirtschaftliche Entwicklung unserer Unternehmen und die Entwicklung im Bildungsbereich sehr intensiv und mit einem sorgenvollen Blick. Stadtgesellschaft ist mehr als ein Einzelner, deshalb haben wir die ganze Stadt im Blick. Ganz persönlich war es ein Jahr mit vielen neuen zu bewältigenden Herausforderungen, die Kraft gekostet haben. Auf der anderen Seite hatte ich auch mit Coronaregeln vielzählige Begegnungen mit wunderbaren Menschen – sei es persönlich, digital, per Telefon oder Brief. Das hat mir immer wieder den Sinn meiner Arbeit für die Menschen in dieser Stadt vor Augen geführt.
nh24: Wie stark ist der Einschnitt 2021?
Silke Engler: Die jetzige Prognose zeigt, dass es nicht so einen dramatischen finanziellen Einschnitt wie im vergangenen Jahr geben wird. Wir sind gerade dabei, verwaltungsintern die Zahlen für den Haushalt 2021 zusammenzutragen. Dennoch wird es in der aktuellen Lage bei einem „Fahren auf Sicht“ bleiben müssen und keinen Raum für große finanzstarke Projekte geben. Schulden von heute muss die Generation von morgen bezahlen. Auch hierbei müssen wir verantwortungsvoll umgehen. Wichtiger ist es im Moment, den Zusammenhalt zu organisieren. Dafür braucht es nicht immer Geld, sondern nur den Willen für den Gemeinsinn.
nh24: Bisher haben die Bürger noch nicht viel gespürt. Ganz schmerzfrei wird es nicht gehen. Was passiert, wie werden die Baunataler mitgenommen und wie ist der Plan?
Silke Engler: Derzeit sind die Arbeiten für eine Reihe von Konzepten auf den Weg gebracht, die mit der in Baunatal gewohnten Bürgerbeteiligung erarbeitet werden. Beispielhaft seien hierbei der bereits in Arbeit befindliche Sportentwicklungsplan und das Konzept für die zukünftige historische Arbeit in Baunatal genannt.
nh24: Wann werden die Bürger in Entscheidungsprozesse eingebunden?
Silke Engler: Die wichtigste Entscheidung der Bürger*innen in der repräsentativen Demokratie sind die Wahlen und da steht mit der Kommunalwahl am 14. März dieses Jahres die nächste Möglichkeit zur Mitbestimmung an. Ich werbe sehr dafür, dieses demokratische Recht wahrzunehmen und mitzuentscheiden.
nh24: Die Kommunalwahl platzt mitten den Beginn der Haushaltssanierung. Wie wird das Thema nach ihrer Einschätzung die Wahl beeinflussen?
Silke Engler: Der Zeitplan für die Einbringung eines Haushaltsentwurfes sieht vor, dass zunächst mal eine gute Prognose der zu erwartenden Einnahmen erstellt werden kann. Dies haben wir in diesen Tagen beendet. Jetzt werden die Ausgaben durch die Verwaltung vorbereitend auf den Prüfstand gestellt und zusammengetragen. Dies wird noch einige Wochen in Anspruch nehmen, da der Entwurf natürlich auch beschlussfähig und den geltenden Haushaltsregeln des Landes Hessen entsprechen soll. Daher wird sich erst die neue Stadtverordnetenversammlung mit dem Haushalt für 2021/2022 beschäftigen und diesen beschließen können. Ob und inwieweit einzelne Themen herausgepickt und im Wahlkampf gewichtet werden, bleibt den vier zur Wahl stehenden Parteien überlassen.
nh24: Wenn Sie die Zeit der Pandemie resümieren – Was bleibt an negativen und was an positiven Erkenntnissen?
Silke Engler: Das Auseinanderdriften der Gesellschaft, auch in Baunatal, und dass immer mehr Menschen Angst um ihre persönliche Existenz haben, das sorgt mich. Und gleichzeitig vertraue ich auf die zusammenhaltende Kraft der Menschen in unserer Stadt, die wir in den schweren letzten Jahren schon mehrfach gespürt haben. Wenn wir zusammenhalten und wir uns mit Respekt begegnen, dann kommen wir auch durch diese schwere Zeit. Wir alle sind Baunatal.
nh24: Vielen Dank für das Gespräch! (rs)