MANNHEIM / MELSUNGEN. Die MT Melsungen startet mit einem Paukenschlag in die zweite Saisonhälfte der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga: Am Donnerstag schlugen die Nordhessen die in eigener Halle favorisierten Rhein-Neckar Löwen mit 33:30 (16:15).
Der Sieg war, wie auch schon der 31:26-Erfolg im Hinspiel, unter anderem deshalb verdient, weil das Grimm-Team im Angriff weniger Fehler machte und die etwas bessere Abwehr hatte – inklusive Torhüter. Die besten Torschützen vor 7.251 Zuschauern in der Mannheimer SAP Arena waren Marino Maric und Lasse Mikkelsen (jeweils 7) für die MT und Mads Mensah (6) und Romain Lagarde (5) für die Gastgeber. Mit diesem nicht unbedingt zu erwartenden Auswärtserfolg ist die MT Melsungen gut gerüstet für das EHF Cup-Spiel am kommenden Sonntag in eigener Halle gegen den polnischen Vertreter Gwardia Opole.
Ohne den nach einer Knie-OP noch rekonvaleszenten Kreisläufer und Deckungsspezialisten Felix Danner, ansonsten aber mit voller Kapelle war die MT Melsungen nach Mannheim gereist. Die Gastgeber mussten auf die Verletzten Steffen Fäth (Rückraum links) und Jesper Nielsen (Kreis) verzichten. Beide Mannschaften wussten vor diesem ersten Spiel nach der EM-Pause nicht so recht, wo sie leistungsmäßig stehen. Dieses Fragezeichen aufzulösen gelang als erstes den Nordhessen.
Die ersten guten Aktionen des Spiels gehörten den Torhütern. Den Wurf im ersten Angriff von Julius Kühn machte Andreas Palicka zunichte, im Gegenzug fischte Nebojsa Simic den Ball von Romain Lagarde. Lasse Mikkelsen war dann der erste Treffer vorbehalten. Die Löwen markierten zwar postwendend den Ausgleich (Lagarde,) aber in der Folge behauptete die MT stets ein leichtes Übergewicht. Weil Marino Maric schon nach drei Minuten eine Zeitstrafe aufgebrummt bekam, beorderte Heiko Grimm für diese Phase Allrounder Timm Schneider an den Kreis.
Lasse Mikkelsen, positiv durch seinen Einstiegstreffer gestimmt, markierte auch die Tore zwei und drei (davon einmal von der Siebenmeterlinie) für die MT. Über die Zwischenstände 1:3 (5.), 3:6 (12.) und 4:7 (13.) diktierten die Rotweißen das Geschehen. Zwar gelang auch ihnen nicht jede Aktion, doch auf der anderen Seite agierten die Löwen teilweise fahrig. Misslungene Abspiele, technische Fehler, kurzum Dinge, die man sich vor eigenem Publikum ganz und gar nicht wünscht.
Dennoch schlichen sich die Löwen Tor um Tor heran. Weil nun auch die MT Chancen liegen ließ und hinten in der Abwehr nicht immer den Zugriff bekam. Mit einem 3:0-Lauf gelang es den Gelbhemden, das Ruder herumzureißen. Nach knapp 18 Minuten leuchtete ein 9:8 auf der Anzeigentafel in der nur gut zur Hälfte gefüllten SAP Arena auf. Schuld daran war ein frischgebackener Europameister. Gedeon Guardiola schloss jeweils einen Konter von sechs Metern erfolgreich ab. Zuvor hatte Romain Lagarde die Spur zur Aufholjagd gelegt.
Keine Frage, das bis dato recht flüssige Kombinationsspiel, bei dem häufig der in Bestform agierende Marino Maric am Kreis gesucht wurde, war nun ins Stocken geraten. War die MT etwa mit ihrem Latein am Ende? Hätte man meinen können. Denn die Gelbhemden nutzten die schwindende Durchschlagskraft der Nordhessen im Angriff, um weiter am Drücker zu bleiben. Uwe Gensheimer von der Siebenmeterlinie und Mads Mensah aus dem Rückraum ließen durch ihre Treffer zum 11:9 wieder Hoffnung für ihre Farben aufkeimen.
Aber die Gäste ließen sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen, spulten weiterhin ihr Programm ab. Der Lohn: Timm Schneider, wenige Minuten zuvor noch freistehend ans Palicka gescheitert, schaffte den Anschluss (11:10, 22.) und Finn Lemke, der nach vorne geeilte Abwehrcenter, netzte kurz darauf zum Ausgleich ein (11:11, 23.). Knapp zwei Minuten später gelang dem Kapitän ein weiterer Treffer, diesmal das 12:13. So bekam die MT bis zum Pausenpfiff wieder etwas Oberwasser, ging mit einer knappen Führung in die Pause (15:16).
„Da geht heute was!“, schienen sich die Rotweißen in der Kabine bewusst gemacht zu haben. Und unterfütterten diese Erkenntnis nach Wiederanpfiff mit entsprechenden Leistungen. Mit einem sehenswerten Dreier-Lauf gab Melsungen ein klares Warnsignal an die zwischenzeitlich immer glückloser agierenden Gastgeber. Nach 35 gespielten Minuten ware die MT auf 17:22 davon geeilt. Zu recht. Denn es war jetzt eine Phase, in der fast alles gelang. Angefangen vom weiterhin treffsicheren Marino Maric am Kreis, mit tollen Anspielen von Kai Häfner, bis hin zu erfolgreichen Gegenstößen, wie von dem inzwischen für Tobias Reichmann gekommenen Dimitri Ignatow. Klar, dass dieser Zwischenstand Löwen-Trainer Kristjan Andresson zur Auszeit veranlasste. Was aber zunächst keine Änderung bei den Seinen hervorrief.
Nebojsa Simic entzauberte den frei vor ihm auftauchenden Patrick Groetzki, kurz darauf hatte der MT-Keeper das Nachsehen gegen Mads Mensahs Rückraumwurf. Um dann aber wieder den ebenfalls frei tehenden Jannik Kohlbacher zur Wirkungslosigkeit zu verdammen. Diese Aktionen schienen auch seine Vorderleute zu beflügeln: Lasse Mikkelsen drischt mit einem trockenem Abzug das Spielgerät in den Winkel, Yves Kunkel verwandelt nach perfektem Steal und Mikkelsen lässt Andreas Palicka keine Chance von der Strafwurflinie. Und als “Simo“ die nächste Parade bei einem eigentlich unhaltbaren Ball gelingt, nimmt der Löwen-Coach beim 19:25 seine letzte Auszeit. Und das in der 42. Minute!
Der aus Melsunger Sicht schöne Sechs-Tore-Vorsprung schmolz in der verbleibenden Spielzeit jedoch immer weiter dahin. Unter anderem deshalb, weil einige unvorbereitete Würfe abgefeuert wurden, die ihr Ziel nicht fanden. Und weil Mads Mensah immer gefährlicher wurde und die MT-Hintermannschaft ihn nicht richtig ausschalten konnte. Er war mit seinen drei Treffern maßgeblich daran beteiligt, dass seine Löwen in der 57. Minute beim 30:31 wieder dran waren. Würde sich die MT das Spiel etwa auf den letzten Metern noch aus der Hand nehmen lassen?
Jetzt war Nervenstärke gefragt, jede Aktion würde möglicherweise spielentscheidend sein. Da verliert ausgerechnet Andy Schmid den Ball und die MT kommt in den Genuss eines Konters. Dimitri Ignatow, der einige Angriffe zuvor freistehend gescheitert war, behielt nun die Übersicht, und lochte nach abgebrühtem Eins-gegen-Eins zum 30:32 ein. Gegen den inzwischen für Palicka zwischen den Pfosten stehenden Mikael Appelgren. War das zwei Minuten vor dem Ende die Entscheidung?
Der Schlussakkord im Stenogramm: Mads Mensah wirft – Finn Lemke blockt – Dimitri Ignatow vergibt aussichtsreich – Nebojsa Simic hält den Ball von Andy Schmid – Mads Mensah blockt Kai Häfners Wurf – Yves Kunkel trifft nur den Pfosten – Auszeit MT – Kai Häfner macht 32 Sekunden vor Schluss mit dem Treffer zum 30:33 endgültig den Deckel drauf. Dieser Sieg Melsungens – so die einhellige Meinung der beiden Sky-Kommentatoren Markus Götz und Heiner Brand und später auch im Interview von Löwen-Kapitän Uwe Gensheimer ist völlig verdient? – Warum? Weil die MT weniger Fehler gemacht hat und die bessere Abwehr hatte.
Heiko Grimm und seinen Schützlingen bleiben jetzt nur zwei Tage Regeneration, weil schon am Sonntag die nächste Herausforderung wartet. Dann zuhause in der Rothenbach-Halle gegen KPR Gwardia Opole (Polen), den ersten Gegner in der Gruppenphase des EHF-Cup (Anwurf 15:00 Uhr, es gibt noch Karten).
Heiko Grimm zum Spiel
Den Grundstein haben wir eindeutig in der Abwehr gelegt. In der 6:0-Variante mit einem starken Innenblock wurde sehr gut gearbeitet – auch wenn es bei 30 kassierten Toren im ersten Moment nicht so erscheint. Wir hatten nur einen Tag Zeit, in dem sich das Duo Lemke/Maric abstimmen konnte, was angesichts der kurzen Vorbereitung gut gelungen ist. Die frühen Zeitstrafen gegen Marino waren zwar etwas knifflig, aber er hat das im weiteren Verlauf in der Abwehr gut gelöst und vorsichtiger agiert. Insgesamt war auch wichtig, dass wir uns an den gemeinsam erarbeiteten Plan, sowohl in der Abwehr als auch im Angriff, gehalten und ihn diszipliniert umgesetzt haben. Wir waren an diesem Tage die bessere Mannschaft und haben deshalb auch verdient gewonnen.
Statistik
Rhein-Neckar Löwen: Palicka (1.-45. Min., 11 Paraden / 25 Gegentore), Appelgren (46.-60. Min, 2 P. / 8 G.) – Schmid 4, Gensheimer 3/2, Kirkelokke 2, Lagarde 5, Tollbring 1, Abutovic 1, Mensah 6, Groezki, Guardiola 2, Petersson 2, Damm, Ganz, Kohlbacher 4 – Trainer Kristján Andrésson.
MT Melsungen: Simic (14 Paraden / 30 Gegentore), Sjöstrand (n.e.) – Maric 7, Kühn 3, Lemke 2, Reichmann 2, Ignatow 2, Kunkel 2, Mikkelsen 7/4, Schneider 3, Allendorf, Sidorovicz, Häfner 5, Salger, Pavlovic – Trainer Heiko Grimm.