Arbeit und Bildung öffnete seine Türen
SCHWALMSTADT. Es ist reizvoll und spannend, wenn Menschen, die aus anderen Kulturkreisen, oft mit anderem Glauben zu uns kommen, zu einem Martinsfest einladen. Unweigerlich fragt man sich: „Fühlen sie sich nicht diskriminiert? Lesen wir nicht ständig, dass St. Martin, Weihnachtsmann, Osterhase, Kreuze und vieles andere, was christlichen Glauben symbolisiert, abgeschafft werden soll?
Beim Martinsfest von Arbeit und Bildung e.V. am Marktplatz in Treysa konnten die (zu) wenigen Besucher davon nichts spüren, sondern sehr schnell erfahren, dass Menschen, die ihre Heimat genauso lieben, wie wir Deutschen unser Land lieben, auf ganz andere Symbole Wert legen, wenn sie diese verlassen mussten. Da kommen Hindus, Buddhisten und Moslems, die den Besuchern in „Ihrem“ Haus mit Offenheit begegnen. Dort lernen sie die Sprache ihres Gastlandes, von dem viele gar nicht wissen, ob es auch ihre Heimat werden kann. Hier lernen sie vieles, was in ihrem Heimatland nicht gelehrt wurde oder nicht alle Menschen lernen durften. Hier erfahren sie Toleranz, die ihnen auf der Straße gewiss nicht überall begegnet und die vielen von ihnen in der Heimat auch nicht begegnet ist.
Aus der Unfreiheit in die Freiheit
Ein aus dem Iran geflüchteter Kursteilnehmer hat die Unterschiede zwischen Deutschland und Persien, wie viele sagen, aufgeschrieben und unweigerlich wird klar, dass zum Christentum zu Konvertieren das eigene Todesurteil wäre, dass Kleidung nicht frei gewählt werden darf und dass man dort wirklich nicht alles sagen darf. Plötzlich erfährt man jede Menge Schicksale, die alle sehr individuell geprägt sind. Eines haben fast alle gemeinsam: Sie haben schnell die Freiheit in Deutschland lieben gelernt, die es in den allen Herkunftsländern so nicht gibt.
Dankbarkeit? Die spürt man, aber keine Unterwürfigkeit mehr. Viele haben den Stolz zurückgewonnen, der irgendwo im Hunger, in der Verfolgung, spätestens auf der Wanderung durch die Sahara abhandengekommen ist. In den Kursen, die so schöne Namen tragen wie BLEIB, EOK Deutsch4U, AGH oder BPW, die meist vom Job-Center organisiert und häufig vom Land Hessen über Mittel des Europäischen Sozialfonds finanziert werden, geht es darum, die Sprache zu lernen, sich beruflich (weiter) zu bilden, etwas über Werte und Kultur zu erfahren und sich im deutschen Rechts- und Gesellschaftssystem zurechtzufinden. Wer das hinter sich hat, darf auch stolz sein und muss nicht aller über Bord werfen, was ihn ausmacht.
Viel lernen und viel erfahren – auch Deutsche Teilnehmer
Da lernen und erfahren ungelernte aber auch Akademiker gemeinsam und in vielen Projekten auch mit deutschen Kursteilnehmern, die Unterstützung brauchen, sich in der Gesellschaft und auf dem Arbeitsmarkt zurechtzufinden – aus unterschiedlichen Gründen. In einem Gartenbauprojekt geht es unterhalb der Stadtmauer an der Totenkirche darum, den Anbau von teilweise unbekannten Lebensmitteln in fremden Böden zu erlernen. Die Produkte werden selbst verzehrt oder gehen an die Tafeln im Schwalm-Eder-Kreis. In der Nähwerkstatt wird Kleidung aufbereitet. Verkauft werden darf nichts, denn den Firmen in der Region dürfen die Projekte keine Konkurrenz machen.
Mit Symbolen haben sie zu tun, wenn Lehrkräfte, wie Benjamin Günther Kursteilnehmern, deren unterschiedliche Muttersprachen sie nicht kennen, die deutsche Sprache beibringen wollen, geht das nur in Bildern. Wie gut sie lernen, das zeigen sie, wenn sie Besucher durchs Haus führen, ihre eigene Kultur erklären und Speisen aus ihrer Heimat zubereiten oder ganz spontan deutsche Volkslieder auf dem Marktplatz singen. Integration funktioniert, auch wenn es Menschen gibt, die das gerne anzweifeln. Den Beweis erbringt der Verein Arbeit und Bildung e.V. auf anschauliche Weise. (rs)