SCHWALMSTADT. Für Waldwege nimmt man am besten Kaffeepulver. Für Grünanalgen stehen 30 verschiedene Grüntöne und Materialformen zur Wahl. Und eine Brücke kommt nicht einfach aus der Packung, sondern wird im Gipsraum gegossen. Was im Herbst 2015 als kleines Projekt im Wahlpflichtunterricht der Ludwig-Braun-Schule (LBS) begann, macht 2019 dem Namen „Werkstatt Modelleisenbahn“ mehr als alle Ehre.
Die Werkstatt verteilt sich mittlerweile über mehrere Räume, eine Warteliste für interessierte Schüler gibt es auch jetzt sogar eine zweite Anlage: Lehrer Christian Simon hat das Konzept der Werkstatt erneut beim bundesweiten Wettbewerb „Spielen macht Schule“ eingereicht. Der Wettbewerb wird seit zwölf Jahren vom „ZNL TransferZentrum für Neurowissenschaften und Lernen“ und dem Frankfurter Verein „Mehr Zeit für Kinder“ ausgetragen, unterstützt von den Kultusministerien der Länder und Unternehmen der Spielwarenindustrie. Die Modelleisenbahn-Werkstatt der LBS – eine staatlich anerkannte Privatschule mit den Förderschwerpunkten emotionale und soziale Förderung und Lernen – ist eine von bundesweit 60, die 2019 ein Produktpaket gewonnen haben. Für die LBS ist das die zweite erfolgreiche Teilnahme an dem Wettbewerb.
Die erste hatte im Jahr 2015 das Projekt angeschoben. Damals gab es ein Starter Kit im Maßstab H0 im Gegenwert von 1000 Euro. In diesem Jahr umfasst das Paket fünf große Kartons für eine Erweiterung der Anlage. Enthalten sind Gebäude, Fahrzeuge, Figuren, Gleise sowie Materialien zur Landschaftsgestaltung und Dekoration von den Herstellern Auhagen, Busch, Faller, Märklin, Noch und Viessmann. Damit wollen die sechs Schüler im Alter zwischen zwölf und 15 Jahren mit Christian Simon und dessen Kollege Patrick Lübke sowie Hausmeister Michael Melchior nun eine zweite Modelleisenbahn-Anlage aufbauen. Die Grundplatte aus Holz ist schon fertig und wird in den kommenden Monaten an die bereits existierende Anlage angeschlossen. Damit verdoppelt sich die bisherige Modelleisenbahn-Fläche.
„Als wir mit der Modelleisenbahn angefangen haben, ging es um eine neue Idee für den Wahlpflichtunterricht für die nächsten Jahre“, erinnert sich Christian Simon. „Jetzt sind wir schon nach vier Jahren mit der ersten Platte fertig.“ Das Interesse der Schüler ist groß, jedes Schuljahr würden gerne zehn bis 15 mitmachen, maximal sechs können es sein. Mittwochs zwischen 13 Uhr und 14:30 Uhr sind diese dann mit dem Lesen von Bauplänen, Gipsen, Kleben, Malen und Basteln beschäftigt.
„Mittlerweile machen wir es so, dass die neuen Mitglieder der Werkstatt erstmal auf einer kleinen, eigenen Platte ein Gebäude aufstellen und ein Gelände gestalten, bevor sie an die große Anlage gehen“, sagt Simon. Devin Nahrstedt (12) hat auf seiner Platte Haus und Garten, kleine Gewächshäuser und sogar eine Tischtennisplatte gebaut. Florian Stache (15) sägt kleine Holzspieße zurecht, die als Brennholzstapel dienen sollen. „Das hätte ich mit zwölf Jahren nicht so gut gekonnt“, sagt Patrick Lübke anerkennend.
Überhaupt, die Liebe zum Detail oder besser gesagt, die Fähigkeit zur Konzentration, zum Durchhalten, auch wenn etwas nicht im ersten Anlauf klappt, stärken die Jugendlichen hier spielerisch. Es geht darum, gemeinsam Lösungen zu finden, im Team zu arbeiten, Herausforderungen zu meistern und dann auch die Erfolge präsentieren zu können. Aber auch eigene Ideen umzusetzen. So ist auf der Platte ein küssendes Pärchen am See genauso zu finden wie eine coole Strandbar, ein selbst gebauter Skaterpark und Gevatter Tod. „Die Schüler gestalten mit ihren eigenen Händen etwas, bauen Gebäude selbst, das ist eben was ganz anderes als ein Computerspiel“, so Simon. (pm)