Manfred Schaub ist Ehrenbürger und Ehrenbürgermeister
BAUNATAL. „Gemeinsamer Antrag der CDU-Fraktion, FDP-Fraktion, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, SPD-Fraktion; hier: Ehrungen für Manfred Schaub, Vorlagen-Nr. 226/2019.“ So sachlich, schlicht stand gestern ein einziger Punkt auf der Tagesordnung einer Sitzung der Stadtverordneten in Baunatal. Emotional hat er für die ganze Versammlung gereicht.
Wenn Emotion auf Sachlichkeit trifft
Die Familie des verstorbenen Bürgermeisters von Baunatal, Manfred Schaub, war gekommen, außerdem viele Weggefährten und Interessierte, sodass die parlamentarische Sitzordnung im Saal 119 aufgehoben werden musste. Stadtverordnetenvorsteher Peter Lutze erklärte in aller Kürze die Formalien und den Weg zur gestrigen, besonderen Ehrung. Der Familie habe man – wunschgemäß – Zeit gegeben, das Erlebte zu verarbeiten. Bei aller Empathie muss jeder Beschluss einer rechtlichen Bewertung standhalten. So ist es, wenn Emotion auf Sachlichkeit trifft.
Die „Antragsbegründung“ – ein Begriff, der gestern wie ein phonetisches Kuckucksei klang – hatte Reiner Heine, scheidender Vorsitzender der SPD-Fraktion, noch einmal übernommen. Gerade am 29. Januar 2017, mit einem eindrucksvollen Ergebnis wiedergewählt, verstarb Manfred Schaub – viel zu früh – am 20. Mai 2018. 13 Jahre lang war er Bürgermeister und habe diese Berufsbezeichnung immer sehr wörtlich genommen, erinnerte Reiner Heine.
Mehr Baunatal geht nicht
In keiner Kommune, so Heine weiter, ist die Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger so ausgeprägt und nirgends in den vielen synthetischen Großgemeinden gibt es eine Innenstadt, die diesen Namen verdient. Er erinnerte auch an die Lebensstationen von Manfred Schaub, die ihn von 1995 bis 2005 in den Hessischen Landtag geführt hatten, wo er vier Jahre lang die parlamentarischen Geschäfte der SPD geführt hat. Viele Jahre war er Kreis- und Bezirksvorsitzender dieser Partei. Auf Bundesebene war er ihr „Sportpolitischer Sprecher“ und das zeigt, wie eng Beruf, Politik und Freizeit verzahnt gewesen sind. Neben der Feuerwehr hat in erster Linie der Fußball seine wenige Freizeit ausgefüllt. A-Trainer-Lizenz und Vizepräsidentschaft des Bundes Deutscher Fußballehrer kennzeichnen den Grad der Leidenschaft, die aber auch vor dem beruflichen, heimatlichen Interesse zurücktrat, zum Beispiel als Willi Lemke ihn gerne bei Werder Bremen an seiner Seite gehabt hätte, wie Edmund Borschel (B90/GRÜNE) später ergänzte.
Alle vier Fraktionen haben sich auf einen gemeinsamen Weg verständigt, das Andenken zu ehren und die höchste in Baunatal mögliche Ehrung als Ehrenbürger und Ehrenbürgermeister zu verleihen. Auch 18 Monate nach dem Tod, hätten noch viele die markante Stimme Schaubs im Ohr: „Er lebt in uns weiter und das ist eigentlich die höchste Auszeichnung und Ehrung, die möglich ist!“
Sebastian Stüssel: Ein Ort zum Andenken für den Vollblutpolitiker
Sebastian Stüssel (CDU) formulierte einen Zwiespalt, in dem es schwerfalle, die passenden Worte zu finden. Positiv sei der Anlass, einen der verdientesten Menschen der Stadt zu ehren, aber der sei veranlasst durch eine Tragödie. Erst, wenn jemand geht, der nahesteht, merkt man, was er bedeutet hat, so Stüssel und „er wird als Vollblutpolitiker fehlen“. Einen Riss macht er nun in der Baunataler Gesellschaft und der Politik aus und wirft ganz allgemein „der Presse“ vor, dass sie in seinen Augen zu wenig transportiert, dass Manfred Schaub stets auf Konsens gesetzt habe. Schaub war für ihn ein Charakterkopf und auch er habe noch die Stimme im Ohr.
Streiten konnte er damit, aber nie persönlich, immer habe er ihn (Stüssel) mit großem Respekt behandelt und in der Tat, habe man auch viel gemeinsam gelacht. Bei so viel Zeit, die man miteinander in der Kommunalpolitik verbringt, sei das eine intensive Beziehung gewesen, in der er viele persönliche Momente geschenkt bekommen habe und das als politischer Heißsporn. In der Stadtpolitik seien Spuren sichtbar, die ihn nie unvergessen machen, den Macher, der Dinge angepackt, das Stadtbild massiv geprägt und vielfältige Verdienste erworben hat: „Man kann nicht alles aufzählen!“
Man hätte ihn früher ehren sollen, erinnerte Stüssel noch einmal an seine Versuche dazu, mitten im zurückliegenden Bürgermeisterwahlkampf. Schön fände der CDU-Fraktionsvorsitzende einen Platz oder Ort als Andenken. „Wir respektieren aber die Wünsche der Familie.“ Für die äußert er die Hoffnung, sie könne bald mit einem Lächeln an die wertvolle Zeit zurückdenken.
Edmund Borschel: „Warum er?“
Auch Edmund Borschel (B90/GRÜNE) erwähnte die langjährigen Verdienste. Erst 2017 habe er Manfred Schaub in diesem Hause gratuliert und dabei viel Fortune und eine ruhige Hand gewünscht. Das Schicksal habe eine andere Wahl getroffen, gläubige Christen würden sagen, ,,Gott hat anders entscheiden“. Warum er?“ Das würden sich die Angehörigen sicher fragen. Nicht nur sie fragen sich das, so die Andeutung auf den „Sohn“ und „Ersten Bürger unserer Stadt“, auf den gerade in Krisenzeiten verlass gewesen sei. Bürgernah, freundlich, verbindlich, auf Menschen zugehend und immer, wenn es in Debatten eng wurde, um Kompromisse bemüht, so war er aus der Sicht von Borschel. Oder wie Winston Churchill gesagt hat: „Demokratie ist die Notwendigkeit, sich gelegentlich mit den Ansichten Andersdenkender auseinanderzusetzen.“ Das sei ein Vermächtnis für die Zukunft.
Dr. Rainer Oswald: Aus dem Ruder gelaufenes wieder eingefangen
Dr. Rainer Oswald (FDP) hat Manfred Schaub in seiner noch jungen politischen Laufbahn nur kurz als Politiker erlebt, aber das sei beeindruckend gewesen. Die direkte Ansprache hat Dinge, die aus dem Ruder liefen, wieder einfangen können. Er sei jemand, der für die Sache brannte.
Keine Aussprache und einstimmig
Der Antrag mit dem Wortlaut „Die Stadtverordnetenversammlung beschließt, Manfred Schaub aufgrund seines langjährigen persönlichen Wirkens in verschiedenen Funktionen, Mandaten und Positionen posthum mit dem Ehrenbürgerrecht und mit der Ernennung zum Ehrenbürgermeister der Stadt Baunatal zu ehren,“ wurde ohne Aussprache einstimmig von den Stadtverordneten angenommen.
Silke Engler: „Anspruch gerecht durchs Leben zu gehen“
Bürgermeisterin Silke Engler durfte – wie der gesamte Magistrat – nicht mit abstimmen, aber es hat auch sie beschäftigt. „Eine Ehrung Posthum hat es in Baunatal noch nicht gegeben.“ Die Worte der vier Fraktionsvorsitzenden hätten ein sehr persönliches und politisches Bild gezeichnet, aber auch als Chef der Verwaltung habe er sich den dort arbeitenden Menschen zugewandt. Um 6:00 Uhr habe er als erster den Fahrstuhl bedient hat, dieses Engagement aber nie von anderen verlangt. Er habe immer alle Papiere gelesen und sein phänomenales Gedächtnis habe manche Aktensuche beschleunigt. Als Dienstvorgesetzter hatte er ein offenes Ohr, konnte oder wollte aber auch nicht immer alle Wünsche erfüllen. Sein Bemühen, so Engler, war vom Anspruch gekennzeichnet, gerecht durchs Leben zu gehen und immer eine gute Lösung zu finden: „Ein richtig toller Chef, mit dem wir gerne noch zusammengearbeitet hätten.“
Die Urkunden wurden an Manfred Schaubs Ehefrau Ute Wiesner übergeben. Die Familie hat sich gewünscht, nicht fotografiert zu werden. Ein Wunsch, der gerne respektiert wurde. (rs)