(Aktualisiert: 15:15 Uhr)
Wir berichteten „live“ von der 15. Sitzung des Kreistages in Melsungen
MELSUNGEN. „Der politische Mord“ – an Dr. Walter Lübcke – „ist eine Zäsur. Es ist eine neue Dimension rechter Gewalt und rechter Radikalisierung erreicht, auf die es einer klaren Antwort bedarf.“
Resolution zum Tod von Dr. Walter Lübcke
Der Kreistag des Schwalm-Eder-Kreises verurteilte einstimmig „auf das Schärfste, die in sozialen Medien aufgetauchten Verhöhnungen, Verunglimpfungen und ehrverletzenden Beleidigungen des Ermordeten.“ Mit einer Resolution zum gewaltsamen Tod des Kasseler Regierungspräsidenten begann am Montag um 9:40 Uhr die 15. Sitzung des Kreistages Schwalm-Eder in Melsungen. Der Vorsitzende des Kreistages, Michael Kreuzmann, schilderte, dass immer noch Entsetzen herrsche über die Tat und formulierte die Hoffnung, dass das Rechtssystem der Bundesrepublik deutlich macht, dass auch im Internet das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland gilt.
„Wir verurteilen jede Form der Gewalt gegen Menschen“, so die Resolution: „Rechtsextremes Denken führt zu rechtsextremen Worten und diese werden zu rechtsextremen Taten. Den Feinden unserer Freiheit und unserer Demokratie müssen wir alle gemeinsam konsequent entgegentreten.“
Nachtragshaushalt aufgrund rechtlicher Bestimmungen
Gegen die Stimmen von B90/GRÜNE und LINKE verabschiedete der Kreistag einen Nachtragshaushalt. Hans-Jürgen Köbberling (SPD) erklärte, dass die Verschlechterungen im kommunalen Finanzausgleich für einen Nachteil von 3,5 Millionen Euro sorgten. Das allerdings führe nicht zu Veränderungen im Ergebnis. Allerdings verlangen die Bestimmungen der Hessenkasse und dem Kommunalinvestitionsprogrammgesetz ein Investitionsprogramm. 22 Millionen Euro investiert der Kreis in Straßen und Schulen, insgesamt 44,6 Millionen Euro im Jahr 2019. 8 Millionen, so Willi Werner (FWG), wird der Kreis in den Breitbandausbau stecken. Bis 2022 wird sich der Schuldenstand um 14 Millionen Euro erhöhen, was Willi Werner für den richtigen Weg hält, weil schließlich Werte geschaffen werden. Zweifel bestehen, so Köbberling (SPD), ob es genügend Firmen geben wird, die, hinsichtlich der Preise, auch bauen wollen
Renate Glaser (AfD) stimmt dem Nachtrag zu, weil es sich um eine gesetzmäßige Natur handelt. Die Umsetzung des Bundesteilhabegesetzes kritisiert sie allerdings. Dem Kreis entstünde durch die neue Gesetzgebung eine Mehrbelastung von 5 Millionen Euro für über 700 Fälle. Der Kreis müsse dafür sorgen, die Kreisumlage nicht zu erhöhen, die, wie Willi Werner (FWG) zuvor betonte, die niedrigste in Hessen ist.
Dietrich Hahn (CDU): Rückkehr zu jährlichen Haushaltsplänen
Dietrich Hahn (CDU) beklagte, dass Haushaltspolitiker nur noch selten Gelegenheit zum Reden haben. Er sieht eine schleichende Entmündigung des Parlaments durch den Doppelhaushalt. Die CDU möchte jedes Jahr einen Haushalt beraten, da die Zahlen und Mechanismen verloren gehen und weniger kommuniziert wird. „Wir müssen näher dran sein!“ Er freute sich über die Beschlüsse der Hessischen Landesregierung: „Durch die Hessenkasse bekommen wir 20 Millionen“. Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun (FDP) erkennt, dass Investitionsprogramme benötigt werden, die über Jahre vorausdenken. Das Schulprogramm sei für die Infrastruktur des Landkreises derzeit die wichtigste Sache, weil die Unternehmen hier vor Ort gut ausgebildete Kräfte benötigen. Er hofft, dass keine negativen Nachrichten aus der Wirtschaft kommen, die die Einnahmesituation des Kreises verschlechtern könnten.
Streitthema Mädchenbus
Differenzen gab es beim Mädchenbus. Warlich (B90/Grüne) beklagte, dass beschlossenes Geld (20.000 Euro) nicht ausgegeben wird, der Erste Kreisbeigeordnete, Jürgen Kaufmann (SPD), erkennt hingegen noch keine Nachhaltigkeit im Konzept und möchte den Bus grundsätzlich nicht verhindern. Prof. Dr. h.c. Ludwig Georg Braun erklärte, dass schon aus Sicherheitsgründen niemand gegen einen solchen Bus sein könne, aber vielleicht gäbe es andere, bedarfsgerechtere Lösungen. Marcel Breidenstein beklagt, dass der Schwalm-Eder-Kreis nun der einzige sei, der nichts zahle, aber angefahren werde. Der Bus müsse zu den Mädchen hinfahren. Heidemarie Scheuch-Paschkewitz (LINKE) muss sich schon sehr wundern, dass über einen Betrag von 10.000 Euro im Jahr überhaupt diskutiert werden muss. Deshalb könne sie sich nicht positiv zum Nachtragshaushalt äußern.
FDP: Nachmittagsbetreuung in einer gemeinnützigen Gesellschaft regeln
Wiebke Knell (FDP) erklärte den Antrag der FDP auf Gründung einer gemeinnützigen GmbH für die Nachmittagsbetreuung der Kinder im Schwalm-Eder-Kreis: „Kinder sind unser höchstes Gut“. Das Ehrenamt sei wichtig, aber überfordert. Gerade die administrativen Aufgaben und die pädagogische Konzeptbetreuung seien nicht zuzumuten. Eine Struktur, an der sich die Kommunen beteiligen können, wäre die Lösung.
Landrat Winfried Becker zählt noch vier Hortbetreuungen und 16 Nachmittagsbetreuungen. An allen anderen Standorten wird bereits nach den Profilen des Landes Hessen betreut. Der Starthilfe Ausbildungsverbund stellt den Fördervereinen bereits Hilfen zur Verfügung, was vom Kreis finanziert und gut angenommen wird. Eine große einheitliche Lösung würde der Individualität zuwiderlaufen. „Immer wenn ich Ehrenamt durch Hauptamt ersetze, wird es teurer“, so Becker. Silke Böttcher (CDU) erkennt zu Beginn des neuen Schuljahres eine „Glückssache“, weil die Nachmittagsbetreuung nicht einheitlich geregelt ist. Die Fördervereine mit engagierten Eltern leisten so viel, dass das Familienmodell sonst nicht funktionieren würde. Der Antrag der FDP sei ein wichtiger Schritt. Bis 2022 solle ohnehin ein Rechtsanspruch geschaffen werden. Im Kreis Waldeck-Frankenberg, so Böttcher, bewähre sich eine solche gGmbH bereits. Sie möchte aber das Wohl der Kinder in den Mittelpunkt stellen, nicht die Wettbewerbsfähigkeit des Kreises.
Monika Vaupel (SPD) möchte das Thema in den Ausschüssen beraten und erst dann entscheiden, Marcel Breidenstein (B90/Grüne) kann sich beides vorstellen: den Antrag annehmen oder in den Ausschüssen beraten. Hans Joachim Böhme-Gingold (LINKE) sieht den FDP-Antrag als Notruf. Das finanzielle Risiko der Fördervereine sei immens und eine Überforderung. Aber es sei auch eine Notlösung, der die Linke zustimmt. Renate Glaser stellte fest, dass es in Hessen nur 109 echte Ganztagsschulen gibt. Eltern, so Glaser, möchten sich die Betreuung nicht vorschreiben lassen. Ziel sollte es nicht sein, eine quasi staatliche GmbH zu schaffen, sondern die Fördervereine finanziell besser auszustatten. Günter Rudolph (SPD) will erst Zahlen, Daten und Fakten für eine GmbH. Land und Bund müssten unterstützen. Prof. Dr. Braun (FDP) findet es traurig, weil die Betroffenen eine Lösung erwarten und die gGmbH wäre eine schnelle Lösung, zu der parallel diskutiert werden könne, wo doch alle Fraktionen im Grundsatz dafür sind. Landrat Becker möchte zeitnah eine Lösung und eine Lösung zum nächsten Schuljahreswechsel parat haben. Die Personalhoheit müsse vernünftig gelöst werden. Mit deutlicher Mehrheit wurde der Antrag angenommen aber das Thema zur Umsetzung in die Ausschüsse verwiesen.
Tourismus neu denken?
Die FDP (Wiebke Knell begründete den Antrag) möchte Zahlen zur Tourismus-Entwicklung im Schwalm-Eder-Kreis wissen. Der Tourismus, so Landrat Winfried Becker, wächst, die Touristischen Arbeitsgemeinschaften leisten eine gute Arbeit, die Anfrage wird schriftlich beantwortet. Dietrich Hahn (CDU) sieht im Märchen-Konzept der Grimm-Heimat Nordhessen keine zukunftsfähige Vermarktungschance gegen Allgäu, Nord- und Ostsee und wünscht sich eine neue, grundsätzliche Diskussion.
Schnelles Internet an Schulen
Bündnis 90/Die Grünen wollen wissen, wann die Schulen im Kreis an die schnellen Internetverbindungen der Breitband Nordhessen mit 50 oder gar 100 Mbit/s angeschlossen werden. Marcel Breidenstein begründete die Berichtsanfrage. Landrat Winfried Becker (SPD) erklärte, dass seitens der Wirtschaft und des Bundes wenig getan worden sei. Die nordhessischen Kreise hätten 150 Millionen Euro investiert, damit Ende des Jahres Glasfaser flächendeckend zur Verfügung steht. Aber nicht bis an die Häuser. Doch jede Schule kann natürlich angeschlossen werden. Der Kreis hat 3 Millionen Euro für die Schulen und Krankenhäuser vorgesehen und einen 50-prozentigen Bundeszuschuss beantragt. Über diesen Antrag sei in Berlin noch nicht entschieden. Nicht nur der Schwalm-Eder-Kreis wartet auf die Bundesregierung. Aber an 39 Standorten existieren bereits 50 MBit oder mehr. Winfried Becker möchte neben dem Digitalpakt auch die pädagogischen Konzepte angepasst wissen. Prof. Dr. Braun (FDP) sieht in der Technik schon die von gestern. An den Schulen müssen die Ausbildungskonzepte folgen. Der „Oberste im Kreis“ habe wenig Ahnung davon. Gegen diesen Angriff verwahrte sich Landrat Becker vehement
Bloß keine Heimatumlage?
Immer wieder Streit und Jammern entbrennt um die Kommunalpolitik der Landesregierung und so wird der Kreistag gerne Schauplatz von Kritik an der jeweiligen Landesregierung. SPD und FWG möchten die sogenannte Heimatumlage gerne verhindern, die das Land Hessen einführt und, so Günther Rudolph, gleichzeitig Geld stehle und beim Zurückgeben festlege, Jörg Warlich (B90/Grüne) verwahrt sich gegen die Vorwürfe, in der Landesregierung säßen Diebe und verweist auf die verbliebenen Gewerbesteuer und andere Unterstützungen. Auch die FDP möchte die Regelung auslaufen und die Gewerbesteuer ganz bei den Kommunen lassen. Renate Glaser (AfD) sieht eine verfassungswidrige Bereicherung der Landesregierung. Mark Weinmeister (CDU) wundert sich, das die SPD gegen den Solidaritätsgedanken argumentiert. Kleine Gemeinden im Schwalm-Eder-Kreis, die keine Gewerbesteuereinnahmen haben, wie Morschen, Edermünde oder Frielendorf bekommen jetzt mehr Geld. Außerdem mache der Kreisausgleichsstock nichts anderes. Der Antrag wurde mit der Mehrheit von SPD und FWG angenommen. Ob es das Land beeindruckt?
Rechter Schwalm-Eder-Kreis?
Wie es um die Freien Kräfte Schwalm-Eder steht, wie stark die Identitären im Kreis sind, was über die Partei „Die Rechte“ bekannt ist, wie viele Reichsbürger es gibt und wie viele davon eine Waffenbesitzerlaubnis haben, will die CDU gerne wissen. Michael Schär (CDU) hat von einer Identitären Ortsgruppe gehört.
Landrat Winfried Becker (SPD) sieht den Schwalm-Eder-Kreis als vorbildlich. Schon nach Neuenhain habe es breite Aktionen gegeben. Heidemarie Scheuch-Paschkewitz freute sich über den Antrag. Gemeinsam mit Günter Rudolph (SPD) freite sich sic vor allem darüber, dass er von der CDU kam, weil sie noch vor Jahren das Problem geleugnet habe. Rudolph sieht allerdings auch den Kreis für nicht zuständig. Landrat Winfried Becker hat eine entsprechende Frage an den Hessischen Innenminister weitergeleitet und möchte nach dessen Antwort Auskunft geben.
Nahverkehrsplan
Einen Nahverkehrsplan wünschen sich die Bündnis 90/Die Grünen. Becker erinnert sich, dass der letzte Plan, noch bei seinem Amtsvorgänger, drei Jahre bis zur Verabschiedung gedauert hat. Das Thema wird aufgegriffen, der Landrat bittet um Geduld.
Pflege-App auf dem Weg
Die AfD wünscht sich eine Pflege-App als Heim- und Pflegedienst-Finder. Nach großem Hin- und Her und Zweifeln an der Aktualisierung einer solchen App, geht das Ansinnen jetzt in die Ausschüsse.
Schuldenprävention früh beginnen?
SPD und FWG wollen an den Schulen gerne Schuldenprävention in den Unterricht integrieren, weil schon Kinder und Jugendliche gefährdet sind, sich zu verschulden. Das Land Hessen soll dazu aufgefordert werden und auch dazu, gegebenenfalls Kooperationspartner aus dem Bereich Schuldnerberatung einzusetzen. Auch dieses Thema geht in die Ausschüsse.
Kampf dem Riesenbärenklau
Aus dem Kaukasus stammt der invasive Neophyte Riesenbärenklau, kurz Herkulesstaude. Der – oder diese – kann fiese Verbrennungen verursachen und mit Dominanz von vier Metern Höhe heimische Pflanzen verdrängen. Ein Monitoring mit Kartierung der Pflanze, die sich über Gewässer verbreitet, mit dem Ziel ihrer Vernichtung, ist das Ansinnen eines Antrages von SPD und FWG. Prof. Dr. Ludwig Braun (FDP) bat darum, die Ambrosia-Pflanze einzubeziehen. Michael Schär (CDU) sah keinen Sinn, einen Beschluss zu fassen und die Finanzierung beim Land anzumahnen. Der Kreis müsse die Kosten dann auch tragen. Das Thema geht nun in den Umweltausschuss.
Förderung Hospital in Fritzlar
Krankenhäuser im ländlichen Raum bekommen extra Geld. Nur das Hospital zum Heiligen Geist in Fritzlar ist leer ausgegangen. Die Versorgungsgebiete sollen entscheiden, forderte die CDU-Fraktion. MdB Edgar Franke (SPD) rechnet einer Initiative der SPD die ursprüngliche Unterstützung kleiner Kliniken zu. Der CDU Bundesminister habe die Kriterien allerdings verschärft. Manche Kliniken bekommen jetzt Geld vom Land und vom Bund, weil die Kriterien nun gleich sind, andere dafür gar nichts. Eine Öffnungsklausel für die Orientierung am tatsächlichen Versorgungsgebiet könne Abhilfe schaffen. Die Kreistagsmitglieder schreiben das jetzt als Resolution an die Bundesregierung.
Defibrillatoren an die Schulen
Die CDU brachte einen Antrag ein, um Schulen sowie Sporthallen im Schwalm-Eder-Kreis mit AED´s auszustatten und jährlich den Umgang zu schulen. Landrat Winfried Becker findet das Anliegen gut und möchte das im nächsten Haushalt verankern. Die AfD möchte den Antrag auf die Sportplätze erweitern. Beide Anträge wurden mit großer Mehrheit in den Kreisausschuss verwiesen, um die Haushaltsberatung vorzubereiten.
Maßnahmen gegen den Klimanotstand angemahnt
Die LINKE sieht Handlungsbedarf gegen den Klimawandel und möchte den Kreistag dazu bewegen, den Klimanotstand auszurufen. Sachsen, Nordrhein-Westfalen und etwa 200 Kommunen hätten das schon getan, erläuterte hans Joachim Böhme-Gingold mit dem Ziel, dass sich der Umweltausschuss damit beschäftigt. „Wenn das Haus in Flammen steht, muss man löschen“. Kreisbeigeordneter Helmut Mutschler (FWG) betonte die hohen Klimaziele des Kreises. Ein Notstand würde die bisherige Arbeit schwächen und verwirren.
Wiebke Knell (FDP) sieht im Notstand nur ein Symbol und damit keine Handlungskonsequenz. Durch den Vorrang vor allem Anderen, zum Beispiel auch der Bildung, wäre das „Selbstmord aus Angst vor dem Tod“. Es bestehe Hoffnung und kein Notstand. Auch Marcel Breidenstein (B90/Grüne) hätte gerne den Begriff Notstand vermieden. Um keine Eskalationsstufe auszurufen, geht das Thema in den Umweltausschuss. Obwohl Dr. Volker Iber (AfD) der Meinung ist, dass die Bundesrepublik mit 2 Prozent Weltanteil an der CO2 Emission sowieso nichts ausrichten kann.
Und sonst noch…
Ein Schulgrundstück an der Drei-Burgen-Schule wird an die Stadt Felsberg zurückübertragen. Für den Bau einer Atemschutzübungsanlage in Schwalmstadt, wird ein Erbbaurechtsvertrag abgeschlossen. Der Besuch von Schülern an Kasseler Berufsschulen wird vertraglich besser geregelt. (rs)