Stadtverordnetenversammlung Baunatal mit zwei Sitzungsunterbrechungen
BAUNATAL. In der ersten Sitzung nach der Sommerpause durften sich die Stadtverordneten der Volkswagenstadt am Montagabend von 18 Uhr bis 21 Uhr zunächst mit Fragen und Antworten beschäftigen, bevor sie leidenschaftlich über Details stritten und sogar zweimal unterbrachen.
Dr. Lorenz: Auf Schienen von Großenritte nach Wilhelmshöhe?
Dr. Klaus-Peter Lorenz (SPD) wollte wissen, ob es möglich sein wird, den Schienenpersonennahverkehr zwischen Großenritte und Kassel-Wilhelmshöhe, wiedereinzuführen. Eine Machbarkeitsstudie solle vorliegen. Diese Machbarkeitsstudie liegt der Stadt, so erläuterte Bürgermeisterin Silke Engler in ihrer Antwort, nicht vor. Im Juni 2017 hat die Stadt die Verkehrsunternehmen gebeten, sich zu äußern. Der NVV hat eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Für die Stadt haben sich weitere Fragen ergeben. Beispielsweise: Kann ein 30-Minutentakt realisiert werden? Kann die Linie über Wilhelmshöhe hinaus verlängert werden und wenn ja, wohin? Der NVV, so Engler, rechne mit einer weiteren Bearbeitungszeit bis Herbst 2020.
Dr. Oswald: Will Westfalen wachsen?
Dr. Rainer Oswald (FDP) hat gehört, man spreche in der Stadt darüber, dass die Westfalen-Tankstelle ausgebaut wird. Was wird dann mit dem Verkehrsaufkommen und was mit dem Lärmschutz? Möchte Oswald wissen. Engler bestätigte, dass es bereits in der Zeitung gestanden habe. Die Westfalen AG hatte zunächst einen Bauantrag eingereicht, um eine Autowaschanlage zu errichten und diesen zurückgenommen. Sie habe dann einen Antrag auf Errichtung einer LPG-Tankstelle eingereicht und diesen ebenfalls zurückgezogen. Jetzt wird ein ordentliches Bebauungsplanverfahren eingeleitet. Verkehrsaufkommen und Lärmbelastung sollen darin berücksichtigt werden.
Dr. Oswald vermisst Sicherheitsmatten und aktuelle Adressen
Beim Stadtfest gab es an manchen Stellen keine Sicherheitsmatten, hat Dr. Rainer Oswald (FDP) festgestellt. Er möchte wissen, wer dafür zuständig ist und in Regress genommen würde, wenn etwas passiert wäre. Die Bürgermeisterin erklärte, dass die Stadt die Stadtmarketing GmbH beauftragt habe, das Stadtfest durchzuführen. Diese wiederum habe eine Elektroinstallationsfirma beauftragt. Eine Sicherheitsbegehung hat keine Risiken erkannt, weil auch Schlauchbrücken zum Einsatz kamen. Engler bat darum, dass mitgeteilt wird, wo ein Versäumnis auftraten.
Oswald hat auch gehört, dass ein Bescheid über Grundsteuer noch nach Monaten an die alte Adresse eines steuerpflichtigen Bürgers gegangen ist. Nach der Datenschutzgrundverordnung dürfen die Daten zwischen den Dienststellen im Haus nicht mehr automatisch abgeglichen dürfen, sagte Engler.
Schwitzen im AquaPark – nun doch privater Betreiber
Der AquaPark beschäftigt die Stadtverordneten erneut, aber nicht mit dem erfrischenden Nass, sondern dem Bereich zum Schwitzen. Die mögliche Schließung der Sauna in der städtischen Bäderlandschaft hatte für Aufsehen gesorgt. Die Betriebskommission bekam in der Stadtverordnetenversammlung am 17. Juni den Auftrag, den Betrieb nach einem vorgegebenen Modell und die Variante einer Verpachtung zu prüfen.
Bei Öffnungszeiten von 14 bis 20 Uhr an sechs Tagen und an zwei Tagen bis 22 Uhr, würde sich, bei 42 Besuchern pro Tag, die Eintrittspreise von 15,50 Euro zahlen und bei weitgehender Automatisierung von Abläufen durch ein Drehkreuz am Eingang und Getränkeautomaten, ein Überschuss von 47.500 Euro ergeben. Modellrechnungen haben ihre Tücken: zuletzt kamen pro Tag tatsächlich nur 30 Besucher, bei einem Preis von 11,50 Euro. Bliebe es bei den bisherigen Besucherzahlen, wäre kein Überschuss zu erwarten.
Nach Ablauf der Ausschreibung, an der sich zunächst gar kein möglicher Betreiber beteiligt hatte, meldete sich doch noch ein Interessent. Er möchte täglich bis 23 Uhr öffnen und bei 12 Euro Eintritt auch einen stündlichen Aufguss sowie einen Spezialaufguss anbieten. Täglich frische Salate, Brezeln, Obstsalat, sowie kalte und warme Getränke sorgen für Betreuungsqualität. Die Sauna soll nach den Regeln des Deutschen Saunabundes betrieben werden. Anette Milas (SPD) erklärte außerdem, dass die Beschäftigung von vier Mitarbeitern zugesagt sei. Man solle, so Milas, die Chance nutzen. Trotzdem werde aus Vorsicht der Vertrag nur für zwei Jahre geschlossen, mit einer dreijährigen Verlängerungsoption.
Sebastian Stüssel (CDU) hatte es anders in Erinnerung. „Wir sind froh, einen Pächter gefunden zu haben und froh, dass das privatrechtlich organisiert wird.“ Aber es sei nicht die Politik gewesen. Alle Vorlagen hätten bisher vorgesehen, den Saunabetrieb zu beenden. Dank sprach er den Saunisten für ihre Kampfbereitschaft aus. Die Sauna ist ein wichtiges Angebot. Herr Rost (B90/Grüne) begrüßte die Lösung und freute sich über 380 gesammelte Unterschriften. Rainer Heine (SPD) hat die Lösung beeindruckt, nicht die Unterschriftenliste.
Mehr Energie
Die Stadtwerke Baunatal haben ihren Energiebericht vorgelegt. Der Gesamtenergieverbrauch der Stadt Baunatal, der Stadtwerke Baunatal sowie des Verbandes für Abwasserbeseitigung und Hochwasserschutz Baunatal Schauenburg (VAH) lag im Jahr 2018 bei 14.738.288 kWh Wärme und 6.355.868 kWh Strom. Der Wärmeverbrauch ist damit im Vergleich zum Vorjahr (2017: 12.877.380 kWh) erkennbar gestiegen, der Stromverbrauch (2017: 6.315.783 kWh) unwesentlich gestiegen. Mit 27 Prozent am Verbrauch ist der AquaPark der größte Stromkonsument, gefolgt von der Straßenbeleuchtung mit 15 Prozent, Stadthalle und Rathaus mit 13 Prozent und den Sportanlagen mit 10 Prozent. Der Anteil der Kindergärten liegt bei 3 Prozent. Beschlüsse dazu gab es nicht zu fassen, die Parlamentarier nehmen das nur zur Kenntnis.
Arnold Dittmar (SPD) erinnert sich an regelmäßige Abläufe, wonach immer die SPD den Energiebericht lobt, alle anderen ihn aber ablehnen. Er lobte für die SPD auch in diesem Jahr den Bericht. Die Energie stamme in Baunatal aus CO2-frei erzeugtem Strom. Energieeinsparpotential wird gesehen. Aber auch die Investitionen müssen in Relation gesetzt werden. Im AquaPark könnte beispielsweise mit neuer Technik Energie gespart werden, aber die vorzeitige Investition würde sich nicht amortisieren. Bei der Straßenbeleuchtung konnte der Verbrauch seit 2009 und der Umstellung auf LED-Lampen bereits halbiert werden.
Unterschiedliche Sichtweisen zum Energiebericht
Oswald (FDP) liest als Liberaler den Bericht anders. Er sieht die Verbraucher in der Pflicht und es gäbe keine CO2-freie Energiegewinnung. Der Bericht sei ideologisch gefärbt und werde von der FDP deshalb auch nicht zur Kenntnis genommen. Lothar Rost (B90/Grüne) liest im Bericht, dass der Wärmeverbrauch den höchsten Stand bisher erreicht hat. Der Stromverbrauch bleibe trotz Einsparungen bei der Straßenbeleuchtung gleich. Das unterscheidet die Stadt übrigens nicht vom Durchschnitt in Deutschland.
Die Grünen werden sich weiterhin für Energiesparmaßnahmen einsetzen. Sebastian Stüssel (CDU) bemüht gelegentlich Metaphern: „wenn die einen sagen, dass es regnet und die anderen sagen, dass die Sonne scheint, kann man sich nicht einigen.“ Ja, das ist wohl so. Er fragte Herrn Arnold, in welcher Stadt er denn lebe? Es sei ein Mythos, dass – wenn die Bürger mehr zahlen – auch mehr Einsparungen erfolgen würden. Im Rathaus seien die Dämmmatten heruntergerutscht und man könne nur mit Heizung gegensteuern. Hallen seien dämmtechnisch marode und der Automobilhersteller in Baunatal sei ohnehin der größte Energieverbraucher. Auch dazu und zum privaten Verbrauch müsse etwas gesagt werden. Am Ende viele Worte, die bewiesen, dass auch diejenigen den Bericht zur Kenntnis genommen haben, die verkündeten, ihn nicht zur Kenntnis nehmen zu wollen. So ähnlich stellte das schmunzelnd auch Stadtverordnetenvorsteher Peter Lutze (SPD) fest.
Satzungen für Verwaltungsgebühren und Straßenreinigung
Zwei Satzungen änderten die Stadtverordneten. Die Verwaltungssatzung wurde nach einer Mustersatzung des Kreises Kassel angepasst und einstimmig verabschiedet. Das Ziel ist eine weitgehende Vereinheitlichung der Gebühren im Landkreis. Die Steigerungen sind weitgehend im Bagatellbereich.
Auch die Straßenreinigungssatzung sollte verändert werden. Der Haupt- und Finanzausschuss hat festgestellt, dass es weiteren Beratungsbedarf hinsichtlich der Straßenreinigungssatzung und der damit verbundenen Gebührenordnung gibt. Edmund Borschel (B90/Grüne) wollte nicht unerwähnt wissen, dass es Streit gab und die Grünen für die Vertagung gesorgt haben.
Schotterwüsten: Scharfes Schwert, Freiheit oder Reue?
Ein Antrag der SPD-Fraktion zielte darauf, Schottergärten zukünftig einzudämmen. Der Magistrat solle prüfen, wie das zukünftig möglich sein kann. In der Sache herrschte (fast) Einigkeit. Im Detail natürlich nicht.
Dr. Klaus-Peter Lorenz möchte, dass die großflächige Anlage von Schottergärten unterbunden wird, weil durch die Versiegelung der Wasserhaushalt gestört wird. Vögel und Kleintieren werde außerdem der Lebensraum entzogen und die Wärme in den Steinen zusätzlich gespeichert. Man wolle keine Vorgartenpolizei, sondern Einvernehmen mit den Bürgern. Sebastian Stüssel (CDU) erklärte den Antrag für sinnvoll und findet Schotterwüsten weder persönlich noch politisch gut. Er erkennt aber, dass im Bebauungsplan ein Grünanteil vorgesehen ist und wünscht sich ein „schärferes Schwert“, um die bestehenden Regeln einzuhalten.
Oswald (FDP) würde – nach eigenem Bekunden – zwar nie einen Schottergarten anlegen, aber man dürfe „dem Bürger seine Freiheit nicht nehmen“. Wenn er sich um die Pflege seines Gartens nicht kümmern kann, müsse er Alternativen finden können. Edmund Borschel (B90/Grüne) kritisiert hingegen, dass der Antrag so unkonkret sei. Was heißt großflächig? Will er wissen. Es möchte Werte erfahren. Die Stadt habe selbst in Großenritte Schottersteine aufgebracht. Reumütig müsse sich die Stadt an die eigene Brust klopfen. Ohne Kontrolle ginge es aber nicht, nur Appelle reichen also nicht. Es solle jetzt nicht der falsche Eindruck entstehen, dass die Stadt nicht kontrollieren wird. Bei zwei Gegenstimmen von der FDP wurde der Antrag angenommen.
Endausbau im Trineweg kommt 2020 – zwei Sitzungsunterbrechungen
In der Politik muss man auch Positionen ändern können. Zu Beginn der Bebauung im Baugebiet „Weißes Feld/Trineweg“ in Großenritte sahen sich die Bauherren dort noch mit dem Vorwurf konfrontiert, Günstlinge von einem Listen-Geschacher im Rathaus zu sein. Jetzt wurde Lothar Rost (B90/Grüne) zum Anwalt der Bauherren, als er feststellte, dass im Trineweg alle Grundstücke bebaut sind und alle Bauherren auch den Straßenausbau über den Grundstückspreis mitbezahlt hätten. Daher stellten die Grünen den Antrag, die Stadtverordnetenversammlung möge beschließen, bei den Haushaltsberatungen 2020 den Endausbau der Straßen und Bürgersteige im Baugebiet „Weißes Feld/Trineweg“ in Baunatal-Großenritte zu berücksichtigen. Ein Anliegen, mit dem sich die Stadtverordneten prompt mehr als eine Stunde beschäftigten.
Oswald (FDP) findet, dass die Bürger vorfinanziert haben und daher müsse der Ausbau zeitnah erfolgen. Sebastian Stüssel (CDU) kritisierte einen Antrag der SPD zum gleichen Thema, der mit dem Ziel einer unkonkreten Prüfung kurzfristig eingebracht worden und also den anderen Fraktionen nicht bekannt war. Stüssel sieht eine Zweckbindung der Gelder und daher gar keinen Prüfungsbedarf. Engler stellte klar, dass es nicht um treuhänderisch verwaltete Gelder geht. Sie sehe allerdings sehr wohl eine moralische Verpflichtung – aber eben keine juristische.
Wenn alle das Gleiche wollen, ist es doch nicht dasselbe
Edmund Borschel sieht längst Sicherheitsaspekte vernachlässigt, weil durch fehlende Bürgersteige inzwischen spielende Kinder gefährdet seien. In 2020 müsse der Ausbau erfolgen. Herr Bader sprach für den Behindertenbeirat und schloss sich dem Antrag von Bündnis 90/Grüne an, weil die Barrierefreiheit nicht gegeben ist.
Nach zwei Sitzungsunterbrechungen und vielen Wortmeldungen konnten sich alle Fraktionen auf einen gemeinsamen Wortlaut verständigen, der dann mit Stimmen aller vier Fraktionen und dem Ziel des Endausbaus sowohl im Trineweg, als auch im Bereich AWO im Jahr 2020, verabschiedet wurde.
Ein Antrag der Grünen, um den Magistrat zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung im Trineweg zu beraten und umzusetzen, wurde zurückgezogen. Im Oktober wird erneut beraten. (rs)