Nabucco gestern und heute an der Edersee-Sperrmauer
EDERTAL-HEMFURTH. Ein schöner Ort, ein klarer Sternenhimmel, eine lauwarme Nacht, beeindruckende Kompositionen von Guiseppe Verdi, mit einer pointierten Inszenierung, gefühlvolles Instrumentenspiel und emotionaler, mitreißender Gesang. Was könnte einen Abend noch schöner machen?
Bürgermeister Klaus Gier freute sich auf der großen Bühne, die Open-Air-Veranstaltung direkt neben der Staumauer als Schirmherr anmoderieren zu dürfen. Am liebsten würde er direkt vor der Staumauer eine feste Bühne einrichten, mit dem Wahrzeichen der Gemeinde als zusätzliche Kulisse. Schön wäre es schon!
Mehr als der Gefangenenchor
Seit etwa einem Jahrzehnt tourt das Ensemble der Festspieloper Prag durch Europa und das mit einem Erfolgskonzept. An schönen Orten, mit einer beeindruckenden Kulisse und aufnahmebereiten Menschen, spielen sie Nabucco. So auch gestern und heute Abend am Edersee. Die Oper leidet immer so ein bisschen unter ihrem bekanntesten Titel: Der „Gefangenenchor“. Auch wer sich – 50 Jahre lang nach Woodstock – wenig für Opern interessiert hat, kennt dieses Lied. So wartet man zweieinhalb Akte auf diesen einen Chor…
… und ist dann überrascht, dass die Oper so viel mehr bietet, als nur den Chor der gefangenen Israeliten in Babylon. Guiseppe Verdi hat Nabucco (Nebukadnezar) symbolisch für den aufkommenden Freiheitsgedanken in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit einem Libretto (Text) von Temistocle Solera komponiert. Die Geschichte des jüdischen Volkes unter babylonischer Knechtschaft und der Fall Babylons mit Intrigen, Machtspiel und letztlich göttlicher Fügung zum guten Ende, versteht man auch ohne den Wortlaut des Textes zu hören. Das tschechische Ensemble singt in Originalsprache, also italienisch.
Tournee-Inszenierung
Damit lenkt wenigstens nichts davon ab, die Aufführung zu genießen, sich von den Bildern leiten und schließlich von der Musik führen zu lassen. Rasend schnell vergeht die Zeit und so verfliegt auch der Gedanke, was denn eineinhalb Akte lang kommt, wenn der Gefangenenchor gesungen ist?
Die Inszenierung ist geschickt gemacht und als Tournee-Produktion muss ein schlichtes Bühnenbild reichen. Die Aufführungen leben davon, dass hier tatsächlich Profis verschiedener tschechischer Bühnen im Sommer unterwegs sind und sie stets an Orten auftreten, die einen eigenen Zauber haben. Zusammen mit Verdis Meisterwerk garantiert das ein schönes Erlebnis.
Der Augenblick zählt!
Unter der Regie von Oldrich Křiž singen am Edersee Martin Bárta den Nabucco, Liana Sass die Abigaille, Hana Dobešová die Rolle der Fenena und Josef Morvec den Ismaele. Das Orchester wird dirigiert von Martin Doubraský. Wer die Stimmung der Mailänder Scala sucht, in der Nabucco am 9. März 1842 uraufgeführt wurde, könnte enttäuscht sein. Wer hingegen Momente zu leben versteht, genießen kann, was gut ist und der Seele schmeichelt, könnte begeistert sein und einen schönen Abend verbringen.
Die Aufführung gestern war mit 800 Besuchern ausverkauft, für die Aufführung heute gibt es Restkarten an der Abendkasse. (rs)