SCHLITZ | OFFENBACH. Im Fall des im Juni 2015 entführten Unternehmersohns Markus Würth haben Spezialeinheiten der Polizei am Mittwochmorgen in Offenbach einen 48 Jahre alten in Offenbach wohnhaften serbisch-montenegrinischen Staatsangehörigen festgenommen. Ein Richter erließ Haftbefehl wegen des Verdachts des erpresserischen Menschenraubes sowie der bestehenden Fluchtgefahr.
Der damals 50-jährige Markus Würth war am Mittwoch, den 17. Juni 2015, in Schlitz-Sassen entführt worden. Der Täter forderte damals insgesamt 3 Millionen Euro Lösegeld. Die Geldübergabe, die nachts im Bereich der A 3, Höhe Würzburg, stattfinden sollte, scheiterte jedoch. Nachdem der Entführer das Versteck des Opfers preisgegeben hatte, konnte Markus Würth am Folgetag in einem Waldgebiet bei Würzburg-Kist an einen Baum gefesselt aufgefunden werden. Seitdem fahndete die Staatsanwaltschaft Gießen gemeinsam mit einer bei der Kriminalpolizei in Fulda eingerichteten Sonderkommission nach dem oder den unbekannten Entführern.
Im Frühjahr 2017 erreichten die Familie Würth mehrere E-Mails eines zunächst unbekannten Verfassers. In den Schreiben wurde vor einer erneuten Entführung des Unternehmersohns gewarnt und ein hoher Geldbetrag für die Verhinderung der angeblich bevorstehenden Tat verlangt. Dabei offenbarte der Verfasser zahlreiche Details über den Entführungsfall aus dem Jahr 2015, so dass die von Anfang an eingeschalteten Strafverfolgungsbehörden annahmen, dass es sich bei dem Verfasser der Mails um einen einst Tatbeteiligten handeln muss. Zu der in den Textnachrichten angekündigten Entführung kam es schlussendlich genauso wenig wie zur Zahlung einer Geldsumme. Im Sommer 2017 endete der E-Mail-Kontakt.
So blieb die wichtigste Spur der Ermittlerinnen und Ermittler eine Tonbandaufzeichnung mit der Stimme des Erpressers. Das Sprachwissenschaftliche Institut der Philipps-Universität Marburg hatte die Stimmsequenz analysiert und darauf aufbauend gemeinsam mit den Strafverfolgungsbehörden ein Täterprofil erstellt. Mit diesem Täterprofil wandten sich Staatsanwaltschaft und Polizei im Frühjahr 2017 – parallel zu dem erwähnten neuerlichen Erpresserkontakt – an die Öffentlichkeit. Zahlreiche Zeitungen, Radio- und Fernsehsender trugen zu einer weiten Verbreitung des Fahndungsaufrufs bei. Zeitgleich erhielten mehrere tausend, aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Menschen im Rhein-Main-Gebiet postalisch das Fahndungsplakat zugestellt. Die Polizei richtete ein Hinweistelefon ein. Über 6.200-mal hörten sich Interessierte die Täterstimme an. Insgesamt erhielten die Ermittler mehr als 600 Hinweise zum Fall aus der Bevölkerung.
Einer dieser Hinweise brachte die Beamtinnen und Beamten schließlich auf die Spur des Festgenommenen. Denn eine Zeugin erinnerte sich an die Stimme eines Handwerkers, der in ihrer Wohnung Renovierungsarbeiten durchgeführt hatte. Während der sich anschließenden Ermittlungen konnte die Polizei die Stimme dieses Mannes aufzeichnen.
Die Sprachwissenschaftler der Philipps-Universität Marburg wurden daraufhin erneut eingeschaltet und stellten bei der Auswertung der Aufzeichnungen fest, dass es sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um die Täterstimme handelt. Ergänzend legte das Bundeskriminalamt Untersuchungsergebnisse vor, wonach auch die Textinhalte der E-Mail-Serie Alleinstellungsmerkmale aufweisen, die sich mit denen der Stimmaufzeichnung decken. (ots | wal) (Aktualisiert: 15. März 13:48 Uhr)