BAD WILDUNGEN | TRENDELBURG | FULDATAL | BAD ZWESTEN. Auch wenn Archäologen schon in der frühen Jungsteinzeit (5500 bis 4900 vor Christus) die erste Käseherstellung beweisen, die nachgewiesene Laktose-Intoleranz von Ötzi, der etwas später die Alpen überquert hat belegt, dass Milchprodukte nicht immer auf dem Speiseplan unserer Vorfahren gestanden haben. Dennoch war später bei Ägyptern und Griechen bereits die Herstellung von Schafs- oder Ziegenkäse weit verbreitet. Mit den Römern kam die Käsekultur auch nach Nordeuropa.
Heute sind leckere Käsespezialitäten – gerade in einer Zeit bewusster Ernährung – nicht mehr wegzudenken. Im Supermarkt oder Discounter fällt die Entscheidung häufig für den exakt geschnittenen und verschweißten Käse. Weil für solchen Industriekäse die Milch von vielen verschiedenen Lieferanten kommt, der Käse aber immer gleich schmecken muss, wird in der Produktion standardisiert. Schon vor dem Pasteurisieren durchläuft die Milch zahlreiche Behandlungen, wie die Zentrifugation, das Thermiseren und das Bactofugieren. Das Fett- und Protein-Volumen wird angeglichen und schließlich bis zu 73 Grad Celsius pasteurisiert. Fett ist wesentlich für Geschmack und Aroma des Käses. Industriekäse bleibt meist länger im Solebad als Bauernkäse, er verliert mehr Feuchtigkeit, wird salziger und ist dafür fettärmer.
Milch von eigenen Kühen ist nicht immer gleich
Milch für den Bauernhofkäse stammt von hofeigenen Kühen und besteht zumeist aus frischer Rohmilch. Eine Standarisierung von Bauernkäse ist weder möglich, noch gewollt, denn die Zusammensetzung der Milch ist jeden Tag anders. Die Jahreszeit, das Futter der Kühe und letztlich auch die Erfahrung in der Handwerkskunst, entscheiden über Qualität und Geschmack des fertigen Käses, der nach traditionellen Methoden bereitet wird.
Auch in Nordhessen und im Landkreis Kassel gibt es zahlreich Bauernhöfe mit eigener Käserei. Dazu zählen der Weidberghof von Familie Jütte in Fuldatal-Simmershausen, der Hennehof von Frank und Beate Henne in Trendelburg oder der Dülfershof in Bad Wildungen. Der Kellerwaldhof von Familie Häusling in Bad Zwesten ist beispielsweise ein reiner Bio-Betrieb. Alle vier produzieren Rohmilchkäse nach alter Tradition, Dülfershof, Weidberghof und Hennehof ausschließlich, der Kellerwaldhof zum Teil.
Handarbeit und gesunde Bestandteile
„Wenn es bei uns um die naturgerechte Käseherstellung geht, ist Handarbeit angesagt“, sagt Gudrun Schade von Dülfershof. „Die frische Rohmilch von unseren Kühen wird auf 30 Grad Celsius erwärmt, mit Lab vermengt und „dick gelegt”. Die entstandene Gallerte wird in Erbsengröße kleingeschnitten und vorsichtig zwei bis drei Stunden gerührt. Während dieser Zeit tritt die Molke aus der Gallerte und der „Käsebruch” entsteht. Dieser „Käsebruch” wird in Formen gefüllt, mehrmals gewendet und nur durch sein Eigengewicht gepresst. Am Abend wird der junge Käse noch einmal in die Form gesetzt. Am nächsten Tag kommt er für einen Tag in ein Salzbad. In einem Keller, ganz in der Erde gelegen, reift er, wird dreimal die Woche mit Salzwasser geschmiert, getrocknet und gewendet. Je nach Sorte über drei bis zwölf Monate. Dabei garantiert Frau Schade, dass alle wichtigen Inhaltsstoffe der Milch erhalten geblieben sind.
„Ein paar tausend Kilo Käse verlassen jedes Jahr unsere Hofkäserei in Bad Zwesten Oberurff“, beschreibt Marianne Spenner-Häusling die Leistungsfähigkeit des reinen Bio-Betriebes. „Hartkäse, Schnittkäse, Weichkäse und Frischkäse in zahlreichen Variationen von mild bis herzhaft, von rosig bis nussig, von stinknormal bis außergewöhnlich, landen auf den Esstischen unserer hoffentlich glücklichen Kunden!“ 30 Jahre Bioland-Erfahrung stecken in den Naturprodukten aus Oberurff.
Tradition seit 1958
Seit 1958 wird der Hennehof als Milchviehbetrieb bewirtschaftet, seit 1961 stehen hier die Jersey-Kühe aus Dänemark. 90 davon sind es zurzeit. 75 Kühe der Rasse „Holstein-Frisian“ oder Braune aus den Alpen sind die Milchlieferanten für den Käse vom Weidberghof.
Frischkäse und Schnittkäse kommen vom Weidberghof, Rohmilchschnittkäse und Ausgereifter Rohmilchschnittkäse vom Hennehof. Neben Kräutern und Gewürzen haben auch Klima, Kuh und Futter einen großen Einfluss auf den Geschmack und die Konsistenz der Käse. Also ist im Grunde jeder Käse eine regionale Spezialität mit einem ganz eigenen Geschmack. So erklären es auch die ausführlichen Internetseiten der vier Höfe. Unter www.weidberghof.de, www.henne-kaese.de, www.kellerwaldhof.de oder www.duelfershof.de gibt es mehr Informationen.
„Trendelburger“, „Schwalmtaler“ oder „Kleine Italiener gefällig?
Fantasievoll ist auch die Namensgebung: Der Trendelburger in 13 Geschmacksrichtungen von Natur über Bärlauch bis Chili kommt natürlich vom Hennehof, Kleine Italiener Bockshornkleesamen oder Feuerteufel (Achtung scharf!) gibt es auf dem Weidberghof. Don Camillo und Peppone, Salomé und Rosaria, Urfftaler oder Schwalmtaler heißen Sorten vom Kellerwaldhof. Ein wenig kann man am Namen schon erraten, welche Käsesorten sich dahinter verbergen oder was sollte Camembär wohl sein?
Jausenstation, Hofläden und Supermarktverkauf
Der Weidberghof hat inzwischen eine „Verköstigungsecke“ Bis 50 Personen sind bei Voranmeldung willkommen. Ab Mitte April gibt es auch das Hofcafé mit Blick in die Käserei. Der Dülfershof bewirtschaftet eine Jausenstation mit Platz für viele Gäste, gerne auch Betriebsausflüge oder Familienfeiern.
Einen Hofladen haben alle vier Höfe. Käse von Jüttes Weidberghof gibt es in 13 REWE-Märkten („Landmarkt“), 2 EDEKA-Geschäfte sowie Dorfläden in Stadt und Landkreis Kassel. Die Produkte vom Hennehof werden in 20 Verschiedenen Dorf- oder Hofläden, 50 REWE-Märkten bis Ober-Ramstadt in Südhessen sowie einigen ausgewählten EDEKA-Märkten in Stadt und Landkreis Kassel sowie an den Marktständen von Kuhaupt und im Reformhaus Ludwig in Kassel verkauft. Also auch auf Wochenmärkten findet man die Käsesorten vom Hennehof und dem Weidberghof. Der Dülfershof präsentiert sich jedes Jahr auf der Direktvermarktermesse in Bad Wildungen. Sehr viele Bio- und Bio-Hofläden in Nordhessen führen den Käse vom Kellerwaldhof.
Wer handwerklich hergestellten Bauernhof-Käse, meist aus Rohmilch aber auch aus pasteurisierter Milch hergestellt sucht, findet in Nordhessen also zahlreiche gute Adressen. So gut kann Nordhessen schmecken! (rs)