
Kooperation mit VW zur Fernwärme © Archivfoto: Rainer Sander
Stadtverordnetenversammlung trifft Entscheidungen
BAUNATAL. In einer -. vertretungsweise für Reiner Heine – von Nicole Mumberg (SPD) geleiteten Sondersitzung hat die Stadtverordnetenversammlung in Baunatal am 20.10. 2025 erneut über Fernwärme diskutiert. In der zurückliegenden – ebenfalls außerordentlichen – Sitzung am 29.09. war ein gemeinsamer Antrag von SPD und CDU gescheitert.
Die beiden Mehrheitsfraktionen waren an der notwenigen 2/3-Mehrheit der gewählten (nicht anwesenden) Stadtverordneten gescheitert, um das Thema zusätzlich auf die Tagesordnung zu nehmen. FDP und GRÜNE hatten dagegen gestimmt. Bereits einen Tag später hat der Magistrat unter Bürgermeister Henry Richter mit den Stimmen der GRÜNEN und der FDP einstimmig, wie Frau Mumberg berichtete, mit einem Antragstext aus der Verwaltung, diese erneute Sitzung gefordert.
2.500 Euro Extrakosten
In der hitzigen und teilweise ruppigen Debatte wurde viel gesagt, die Frage, was 24 Stunden später eigentlich anders gewesen ist, allerdings nicht beantwortet. Bürgermeister Henry Richter fand es immer noch nicht dringend, obwohl er im Magistrat wohl mitgestimmt hat und Oliver Grüning floh in die Argumentation, dass FDP und GRÜNE einfach nicht dafür zuständig gewesen seien, einem CDU/SPD-Antrag auf die Tagesordnung zu helfen … Der „Spaß“ belastet die Stadtverordneten mit Zeit und die angeschlagene Stadtkasse mit etwa 2.500 Euro.
Anpassung der Kooperationsvereinbarung an Förderrichtlinie
Jetzt wurde nachgeholt, was längst beschlossen sein sollte: die Anpassung der Kooperationsvereinbarung mit der Volkswagen Kraftwerk GmbH (VWK) und die Beantragung von Fördermitteln für die klimaneutrale Fernwärmeversorgung und die zeitgleiche Erstellung eines Dekarbonisierungsfahrplans für Baunatal bis 2045.
Zentraler Punkt: Die Förderbedingungen des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) erlauben keine Weitergabe von Fördermitteln. Statt einer gemeinsamen Förderung übernimmt VW nun die Fremdleistungen der Stadt, die dafür auf die Förderung ihrer Eigenleistung verzichtet – unterm Strich mit finanzieller Entlastung für Baunatal und einem Zuschuss von 45 Prozent auf die Investitionen. Dabei dürfte es um einen Zuschussbetrag im deutlich 5-stelligen Millionenbereich gehen.
Daniel Jung: Keine Verzögerung im Dezernat
Erster Stadtrat Daniel Jung stellte klar, dass in seinem Dezernat keine Verzögerung eingetreten sei: Die Abteilung habe bereits vor der Sommerpause Ergebnisse vorgelegt, das Verfahren aber sei durch formale Unsicherheiten beim Fördergeber blockiert worden. „Es geht um ein funktionierendes System und um die höchstmögliche Fördersumme“, betonte Jung. In Baunatal gehe Dekarbonisierung nicht ohne Volkswagen in einem verbundenen Netz.
Die Stadtverordneten folgten schließlich der Magistratsvorlage – und damit inhaltlich genau jenem Antrag, den SPD und CDU bereits drei Wochen zuvor eingebracht hatten.
Politisches Schauspiel um technische Notwendigkeit
Was sachlich ein technischer und förderrechtlicher Anpassungsvorgang ist, geriet politisch zur Bühne.
- SPD-Fraktionschef Udo Rodenberg sprach von einem „Tanz der Lemminge“, weil GRÜNE und FDP zunächst die Dringlichkeit verneint und damit eine zusätzliche Sitzung verursacht hätten. „Erschreckend, dass Expertise beiseitegeschoben wurde – und ein Tag später im Magistrat alles einstimmig beschlossen war“, so Rodenberg.
- Andreas Mock (CDU) nannte die Sondersitzung „eine teure Farce“, die Bürger draußen kaum nachvollziehen könnten. „Die Bürger fragen sich, warum wir nicht einfach handeln“.
- Oliver Grünig (FDP) erklärte, die FDP werde der Magistratsvorlage zustimmen.
- Lothar Rost (BÜNDNIS 90/GRÜNE) kritisierte die mangelnde Abstimmung zwischen Verwaltung und BAFA (Fördergebendes Bundesamt) sowie die späte Vorlage. Seine Fraktion werde sich enthalten, auch wenn sie „inhaltlich hinter dem Ziel der Dekarbonisierung“ stehe.
Bürgermeister Richter sieht „Knicks“ gegenüber VW
- Bürgermeister Henry Richter verteidigte sein Vorgehen. Er habe den Wunsch nach juristischer Begleitung gehabt und sei „kein Freund von Schnellschüssen“. Man hätte „Zeit gehabt bis Mitte November“. Dass nun doch eine Sondersitzung notwendig wurde, bezeichnete er als Entgegenkommen an Volkswagen.
- Für CDU-Mann Sebastian Stüssel war das „ein dolles Ding“: „Die Verwaltung muss den Beschlüssen der demokratisch gewählten Instanzen folgen, nicht umgekehrt.“
Bürgerinformation parallel
Parallel zur Sitzung fand eine Bürgerveranstaltung zur kommunalen Wärmeplanung statt. Das beauftragte Planungsbüro Qoncept stellte dort das Konzept vor und diskutierte mit Bürgern zwei geplante Wärmeleitstränge – Richtung Kirchbaunaer Straße und Großenritte. Auch die Nutzung von Abwärme aus der Kläranlage ist vorgesehen.
Ein Streit um das Gleiche
Am Ende war man sich im Ziel völlig einig: Baunatal soll in den kommenden Jahren seine Wärmeversorgung dekarbonisieren. Die GRÜNEN enthielten sich bei der Magistratsvorlage und stimmten gegen den SPD/CDU-Antrag. In vielen zukünftigen Stadtverordnetenversammlungen wird die Fraktion B90/GRÜNE noch einmal daran erinnert werden, dass sie gegen den ersten Schritt zu Dekarbonisierung in Baunatal gestimmt haben. Aus prinzipiellen Erwägungen. Was sagt es über ein Parlament und den Zustand einer Kommune, wenn die größte Herausforderung der Gegenwart für einen politischen Schlagabtausch genutzt wird, wenn es in der Sache alle ähnlich sehen und der Weg im Grunde alternativlos ist?
Und das ist nun beschlossene Sache:
Im Kern geht es um die Anpassung der Kooperationsvereinbarung (Kooperationsvereinbarung) mit der VW Kraftwerk AG (VWK) und einen politischen Auftrag an den Magistrat, den BEW‑Antrag für die Transformationsplanung gemeinsam mit VW/VWK auf den Weg zu bringen.
Die bisherige Vereinbarung konnte wegen BAFA‑Vorgaben nicht in Kraft treten (Förderweitergaben gelten als Einnahmen). Künftig übernimmt VWK/VW die Fremdleistungskosten für das städtische Teilnetz und vereinnahmt die entsprechende Förderung. Die Stadt verzichtet auf Förderung ihrer Eigenleistungen und übernimmt 10.000 € netto an Voruntersuchungskosten; die am 16.09.2024 beschlossene überplanmäßige Auszahlung von 200.000 € (abzgl. 50 % Förderung) entfällt. Für dieses Projekt gelten VWK‑Vergaberichtlinien.
SchelleAntragstellung
Der SPD/CDU-Antrag „Transformationsplanung Fernwärme“ beauftragt den Magistrat unverzüglich die Voraussetzungen für einen gemeinsamen BEW‑Antrag von Stadt, VW und VWK zu schaffen. Begründung: „Ein‑Antrag‑Prinzip“ der BAFA für hydraulisch verbundene Netze, die Frist 31.12.2026 für den Dekarbonisierungsfahrplan (§ 32 Abs. 1 Wärmeplanungsgesetz) sowie Unsicherheiten bezüglich der Programmlaufzeit.
Zeitgleich zur Stadtverordnetenversammlung wurden Bürgerinnen und Bürger über die kommunale Wärmeplanung informiert. Das Beratungsunternehmen stellte zwei Hauptstränge in Aussicht – Richtung Kirchbaunaer Straße und Richtung Großenritte – und die Einbindung von Abwärme aus der Kläranlage in die künftige Versorgung.
Auch Scheitern gehört zum Leben
Selbst wenn der 17. November, Tag der nächsten ordentlichen Stadtverordnetenversammlung, theoretisch auch gereicht hätte, um fristegerecht einzureichen, wäre das Risiko zu scheitern, Nachreichungen nicht mehr vornehmen und die Bearbeitungszeit nicht mehr stemmen zu können, deutlich größer.
Die einzige Frage bei einem Thema, das inhaltlich nicht umstritten war, die jetzt vielleicht noch unbeantwortet ist, warum SPD und CDU immer noch darum bemüht sind, der entspannten Haltung von Bürgermeister, FDP und GRÜNEN entgegenzuwirken. Könnte es möglicherweise auch zur Politik gehören, die verantwortlichen Personen grandios scheitern zu lassen? (rainer sander)

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