
Neue Stadträte in Baunatal © Foto: Rainer Sander
Stadtverordnete diskutieren über Konsolidierung und „Dachschaden“
BAUNATAL. Zu einer nicht geplanten außerordentlichen Sitzung, der zweiten im September, hatte Stadtverordnetenvorsteher Reiner Heine (SPD) eingeladen. Mit einer vollen Tagesordnung, zwei Eilanträgen und intensiven Debatten kam die Stadtverordnetenversammlung Baunatal am gestrigen Montagabend (29. September) in der Stadthalle zusammen.
Neben städtebaulichen Themen und Satzungsfragen standen die Mitwirkung am „Pakt für den Ganztag“, die Hundesteuersatzung sowie die juristische Fortführung des „Dachschadens“ am Freizeitbad auf dem Programm. Außerdem präsentierte der Magistrat einen Zwischenbericht zu möglichen Einsparpotenzialen, und neue ehrenamtliche Stadträte wurden vereidigt.
Keine Eilbedürftigkeit bei Fernwärme und Bauna-Center?
Bereits zu Beginn der Sitzung wurden zwei Eilanträge von SPD und CDU aufgerufen. Dabei ging es nicht um eine inhaltliche Entscheidung, sondern um die Frage, ob die Anträge mit einer Zweidrittelmehrheit überhaupt auf die Tagesordnung genommen werden. Beide Vorhaben verfehlten dieses Quorum. Christian Strube hatte namentliche Abstimmung durchgesetzt, damit später nachvollziehbar ist, wer möglicherweise schwerwiegende Konsequenzen für die Stadt zu verantworten hat.

Der erste Antrag betraf die Transformationsplanung Fernwärme. SPD und CDU wollten den Magistrat beauftragen, gemeinsam mit Volkswagen und der VW Kraftwerk GmbH einen Förderantrag im Bundesprogramm „Effiziente Wärmenetze“ (BEW) zu stellen. Für die Stadt hätte dies bedeutet, dass sie zwar auf die Förderung ihrer Eigenleistungen verzichtet, aber gleichzeitig finanziell entlastet wird, da VW die Fremdleistungskosten übernimmt und im Gegenzug die entsprechenden Fördergelder erhält.
- Udo Rodenberg (SPD) warb eindringlich für eine schnelle Entscheidung: „Wir brauchen jetzt Tempo, um keine Zeit und keine Fördermittel zu verlieren.“
- Bürgermeister Henry Richter äußerte dagegen Bedenken, eine so weitreichende Entscheidung ohne juristische Prüfung zu treffen: „Eine Konsortiallösung könnte sinnvoller sein.“
- Auch die GRÜNEN plädierten durch Edmund Borschel (B90/GRÜNE) für mehr Zeit und wollten das Thema im November ordnungsgemäß beraten.
- Erster Stadtrat Daniel Jung mahnte eindringlich, auch das Netz im Auge haben. Die Dekarbonisierung müsse parallel geplant werden, nämlich bis Ende 2026. Es habe bereits eine episch lange Prüfung durch die VW-Rechtsabteilung. Der könne man vertrauen. Jetzt muss es in den Geschäftsgang. „Selbst wenn Magistrat morgen beschließt, müssen wir trotzdem bis November warten.“ Daher bittet er: „Also jetzt dem Magistrat das Recht geben, eine Vereinbarung abzuschließen, denn am 31.12. muss der Dekarbonisierungspfad stehen!“
Das beeindruckte FDP und GRÜNE nicht. Am Ende stimmten 23 Abgeordnete für den Eilantrag, 10 dagegen – die notwendige Zweidrittelmehrheit wurde verfehlt.
Der zweite Eilantrag zielte auf die Neugestaltung des Parkdecks am Europaplatz („Baunacenter“). SPD und CDU forderten, der Magistrat solle unverzüglich die Ausschreibung vorbereiten, um nach jahrelanger Diskussion endlich Fortschritte zu erzielen.
- Franziska Bünsow (B90/GRÜNE) widersprach: „In drei Wochen findet eine interfraktionelle Sitzung statt, in der der Investor gehört wird. Es gibt keine Eilbedürftigkeit.“
- Auch Bürgermeister Richter verwies auf bereits eingeleitete Schritte.
- Sebastian Stüssel (CDU) hört immer wieder, „dass wir noch Zeit haben“. Wir wollen keine Vergabe, sondern die formale Ausschreibung.“ Bei der BN-Ausschreibung habe die Stadt erlebt, welche Konsequenzen eine Verzögerung hat. „Wir machen das nicht zum Spaß. Wir müssen Abläufe schneller und strukturierter hinbekommen.“ Die Eilbedürftigkeit liebe im Interesse der Baunataler Bürgerinnen und Bürger.
Mit 23 Ja- und 10 Nein-Stimmen verfehlte auch dieser Antrag die notwendige Zweidrittelmehrheit für die Aufnahme in die gestrige Tagesordnung.
Neue Gremienmitglieder und Einbahnstraße bleibt (vorerst)
Zu Beginn der offiziellen Tagesordnung wurden nach dem Tod von Dr. Oswald (FDP) und dem Rücktritt von Thomas Gerke (CDU) mehrere Gremien neu besetzt. Gisela Harte, Oliver König und Joshua Gans (alle FDP) sowie Andreas Mock (CDU) wurden einstimmig gewählt. Nicole Mock (CDU) erhielt eine Enthaltung, als sie zur neuen stellvertretenden Stadtverordnetenvorsteherin gewählt wurde.
Beim Antrag der Grünen zur Reduzierung der Verkehrsbelastung in Großenritte kam es zu Ergänzungen durch die CDU. Unter anderem soll die Einbahnregelung in der Burgbergstraße erhalten bleiben. Bürgermeister Henry Richter erklärte dazu: „Die Baumaßnahme dauert noch zwei Jahre. Wenn sich die Regelung bewährt, kann sie bleiben.“ Die Ergänzung wurde einstimmig angenommen, der eigentliche Antrag nicht behandelt.
Pakt für den Ganztag kommt und Hunde werden teurer
Großen Raum nahm die Diskussion zum „Pakt für den Ganztag“ ein. Die Stadt will künftig mit dem Landkreis und dem Land Hessen kooperieren und die Trägerschaft für Nachmittagsangebote übernehmen.
- Robert Szeltner (SPD) betonte: „Es geht um die Zukunft unserer Kinder und die Entlastung der Familien.“
- Nicole Mock (CDU) verwies auf die Stärkung Baunatals als familienfreundliche Stadt.
- Tamaris Müller (B90/GRÜNE) mahnte, auf die Kosten kleiner Schulen zu achten, forderte aber mehr Ressourcen für Bildungsgerechtigkeit. Zwei Enthaltungen der Grünen verhinderten kein klares Votum: Der Antrag wurde mit breiter Mehrheit angenommen.
Die Hundesteuersatzung wurde an eine Mustersatzung des Hessischen Städte- und Gemeindebunds angepasst und um zehn Prozent erhöht. Neue Regelungen betreffen unter anderem Befreiungen für Tierheimhunde oder Ermäßigungen für Schutzhunde. Die Vorlage wurde einstimmig beschlossen. Stadtverordnetenvorsteher Reiner Heine kommentierte augenzwinkernd: „Bitte allen Hunden sagen!“
Hätte man damals schneller und sorgfältiger gearbeitet …
Wozu es führt, wenn es nicht schnell und sorgfältig läuft, demonstrierte die kontroversere Debatte über die Fortführung der Klage zum sogenannten „Dachschaden“ am Freizeitbad. Das Berufungsverfahren soll fortgeführt werden, die Kosten belaufen sich auf rund 70.000 Euro.
- Bürgermeister Henry Richter sprach von einem „schweren Erbe“, da die Stadt anfangs nicht selbst Klagepartei gewesen sei.
- Sebastian Stüssel (CDU) begründete die Notwendigkeit einer höchstrichterlichen Klärung: „Nur so können wir mögliche Ansprüche gegen die Anwälte sichern.“
- Lothar Rost (B90/GRÜNE) bezeichnete das Bad als „unendliche Geschichte“ und mahnte auch Aufklärung über die Verantwortung der früheren Verwaltungsspitze an.
Am Ende votierte die Stadtverordnetenversammlung einstimmig für die Fortsetzung des Verfahrens.
Sparen oder Gebühren erhöhen? Bürgermeister in Verantwortung
Ein Schwerpunkt der Sitzung war der Zwischenbericht der Projektgruppe „Ergebnisverbesserungspotenziale“. Bürgermeister Richter nannte verschiedene Optionen, mit denen die Stadt Einnahmen steigern oder Kosten senken könnte, darunter:
- Einführung einer Zweitwohnungssteuer
- Parkgebühren in der Innenstadt
- Erhöhung der Kindertagesstättengebühren und des Verpflegungsgeldes
- Zentralisierung der Küchen
- Stärkere Vermarktung von Sportstätten
- Patenschaften in der Grünpflege
- Einsparungen durch Optimierung der Reinigung
- Rückbau von Kinderspielplätzen und Anpassungen bei Dorfgemeinschaftshäusern
- Berechnung einer Nutzung öffentlicher Flächen (z. B. Außengastronomie im Sommer)
Eine Abstimmung gab es dem Bericht, aber eine lebhafte Diskussion.
- In der Debatte kritisierte Thomas Gerke (CDU), dass vor allem Gebührenerhöhungen genannt würden: „So wird das nichts.“
- Franziska Bünsow (B90/GRÜNE) sprach sich für Parkgebühren und eine Zweitwohnungssteuer aus, lehnte aber höhere Verpflegungskosten ab.
- Udo Rodenberg (SPD) forderte „klare Einsparungen, nicht nur Belastungen für Bürger“.
- Scharf reagierte Sebastian Stüssel (CDU): „Wenn das die einzige Idee ist, einfach alle Steuern erhöhen, dann brauchen wir keine Arbeitskreise. Parkgebühren und eine Verteuerung der Gastronomie seien kontraproduktiv zu der vom Bürgermeister versprochenen Belebung der Innenstadt.
- Besonders heftig reagierte Matthias Finis (CDU) „Ich bin wahnsinnig enttäuscht von der Verwaltung, die der Bürgermeister zu steuern und zu verantworten habe. „Von 84 Punkten der Beratungsgesellschaft hören wir 4 in der Vorlage. Wie lange wollen wir über diese Punkte reden? Bei 42 Millionen Euro Personalkosten will er wissen, wie denn die Abläufe sind: „Da erwarte ich eine Personalbemessung!“
Zwei neue Stadträte
Formalerer Natur war die Vereidigung zweier neuer ehrenamtlicher Stadträte. Robert Szeltner (SPD) und Thomas Gerke (CDU) rückten für die ausgeschiedenen Gerhard Sell (CDU) und Reimut Schulzke (SPD) nach. (rainer sander)
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Vereidigung der neuen Stadträte Vereidigung Robert Szeltner (SPD-Mitte) und Thomas Gerke (CDU-rechts daneben) durch Stadtverordnetenvorsteher Reiner Heine (SPD-links daneben. Ausgeschieden sind Reimut Schulzke (SPD-rechts) und Gerhard Sell (CDU-nicht im Bild) gemeinsam mit Bürgermeister Henry Richter (links) © Foto: Rainer Sander