
Der Vorsitzende der Stiftung 7000 Eichen, Volker Schäfer, im Bild links neben der Platane, verschaffte der Klima-Baum-Pflanzung an der Zufahrt zum Haaße-Hügel eine besondere Anerkennung @Foto: Alexander Schenk | nh
Baumpflanzung für den Klimaschutz setzt die Idee der „7000 Eichen“ fort
von Alexander Schenk
SCHWALMSTADT-TREYSA. „Ich bin sehr dankbar für das heutige Erlebnis“, zeigte sich der Vorsitzende der Stiftung 7000 Eichen, Volker Schäfer, angetan von der Pflanzung der Platane auf der kleinen Grünfläche an der Einfahrt zum Haaße-Hügel in Schwalmstadt-Treysa.
„Tatsächlich hatte das Geschehen ein gewisses Beuys-Feeling“, befand Jörg Haafke vom Förderverein Kulturlandschaft Schwalm e.V. Auf Initiative des Schwalmgymnasiums stand der Tag ganz im Zeichen des documenta-Künstlers Joseph Beuys. Die Umweltbeauftragte des Schwalmgymnasiums, Tanja Neiber, hatte nicht nur Volker Schäfer für einen Vortrag über Beuys und die Aktion „7000 Eichen“, sondern auch dessen Weggefährten Rainer Rappmann für einen Dialog per Video gewinnen können.
Nach Meinung von Jörg Haafke hätten Vortrag und Dialog unbedingt neben der mitwirkenden Umwelt-Ag und Aktiven des Fördervereins Kulturlandschaft ein größeres Publikumsinteresse verdient gehabt: „Immerhin ging es ja um den – wie er mitunter betitelt wird – ‚Jahrhundertkünstler‘ Joseph Beuys und dessen einzigartigen Verdienst, den Bäumen in der Stadt den Weg geebnet zu haben“.
Der Vorsitzende des Fördervereins Kulturlandschaft Schwalm e. V. lebte 1982 selbst als Student der Landschaftsplanung zur documenta 7 in Kassel und kann die außerordentliche Leistung von Joseph Beuys für das Stadtgrün nur anerkennend bestätigen: „Wir ‘Landschafter‘ waren seinerzeit geradezu verzweifelt über die ablehnende Haltung der Stadt gegenüber Baumpflanzungen. Symptomatisch dafür war auch die erste Reaktion der documenta-Stadt – übrigens unter dem damaligen Oberbürgermeister Hans Eichel, später Hessischer Ministerpräsident und danach noch Bundesfinanzminister – auf die Bitte von Joseph Beuys, mögliche Pflanzstandorte für seine Kunstaktion zu benennen: Ihm wurden gerade ein paar Dutzend in Aussicht gestellt …“ Bekanntlich habe er diese Verweigerung mit dem mutigen, fast verwegenen Kunstwerk „7000 Eichen“ beantwortet und schließlich mit der Kraft der Kunst und breiter Unterstützung viele Widerstände überwunden. Tatsächlich konnten bis zur Nachfolge-documenta 1987 7000 Bäume gepflanzt werden. Joseph Beuys selbst war 1986 verstorben und hat die Vollendung seines Kunstwerks nicht erleben können, und dennoch sein ehrgeiziges Ziel erreicht und ganz nebenbei zwei documenta-Ausstellungen unmittelbar miteinander verbunden.






Herr Schäfer steuerte zu dieser gelungenen Stadtverwandlung eindrucksvolle Vorher-Nachher-Bilder über das erzielte Ergebnis für das Kasseler Stadtgrün bei und stellte dabei die uneigennützige Unterstützung der Aktion durch weitere renommierte documenta-Künstler heraus, die sogar Erlöse von Verkäufen ihrer Werke zur Finanzierung der „Stadtverwaldung“, wie Beuys seine Initiative auch nannte, zur Verfügung stellten. So und unter Mitwirkung von Bürgern, Vereinen, Schulen und anderen Institutionen konnte schließlich das Kunstwerk gelingen und als „Soziale Plastik“ einen erweiterten Kunstbegriff zum Leben erwecken. Rainer Rappmann stellte mit dem Beuys-Zitat „Die Zukunft, die wir wollen, müssen wir erfinden. Sonst bekommen wir eine, die wir nicht wollen” einen zentralen Antrieb des Künstlers zum Ansporn für bürgerschaftliches Engagement heraus.
In diesem Sinne wurde zum Abschluss des Beuys-Dialogs im Schwalmgymnasium schließlich die im Vorjahr auf dem Schulhof gepflanzte Stiel-Eiche von Herrn Schäfer mit einem Extragruß und Gießwasser aus Kassel gewürdigt. Die Schülerinnen und Schüler der Umwelt-Ag reichten dazu selbst gebackene Kekse in Eichenblatt-Form und Apfelsaft.
Schließlich sollte der Funke vom Schulhof in den öffentlichen Raum überspringen: Dabei legte Bürgermeister Tobias Kreuter nach vorheriger Zustimmung zum Pflanzort nicht nur fachkundig Hand an, sondern begann mit seinem Grußwort zur Pflanzung der wiederum, ebenso wie die Basalt-Stele vom Förderverein Kulturlandschaft gespendeten Platane sogleich ein interaktives Baumgeflüster. Im Unterschied zu den seit 2015 in der Schwalm bekannten „Lesungen unter Bäumen“ erhielten dieses Mal die Gäste die Möglichkeit, ihrerseits Wortbeiträge zur Feier des Tages beizusteuern. Bürgermeister Kreuter leitete dazu mit den Worten Warren Buffetts ein: „Heute sitzt jemand im Schatten, weil jemand vor langer Zeit einen Baum gepflanzt hat.” Neben zahlreichen Zukunftswünschen für den Baum trug der Ortsvorsteher von Treysa, Jörg Hebebrand, den melancholischen Liedtext „Mein Freund der Baum“ der Sängerin Alexandra aus dem Jahr 1968 vor. Das Lied wurde seinerzeit als „Hymne des beginnenden Öko-Zeitalters“ gefeiert und mag nun, mehr als fünf Jahrzehnte später, zumindest als Motto für die von den Initiatoren angestrebte Kampagne für Klimabäume in der Innenstadt wirken.
Der Baum-Fachmann und Bearbeiter des Schwalmstädter-Baumkatasters, Philipp Fuck, nahm den neuen „Mitbürger“ jedenfalls sogleich freudig online in das städtische Kataster auf, wies aber richtigerweise auch darauf hin, dass es zwar gut sei, neue Bäume zu pflanzen, man sich aber ebenso um die Widerstandskraft der noch vorhandenen älteren Bäume in der Stadt bemühen müsse.
Jetzt hoffen die Initiatoren der Pflanzung vom 4. Juni, dass unter den Vorzeichen des anhaltenden Klimawandels mit sich in den Städten ständig verschlechternden Lebensbedingungen ein ähnlicher Impuls gelingt und Wohlfühl-Klima-Bäume in die Stadt Einzug halten können, die Hitzephasen ausgleichen und Luftfeuchtigkeit in austrocknende Stein- und Asphaltwüsten bringen mögen. Der Rastplatz am Europa-Radweg ist indessen jedenfalls durch die Pflanzung perspektivisch schon in den Genuss eines bislang fehlenden Schattenspenders gekommen.
„Vor allem mit Blick auf die Schwälmer Hommage zum Kunst-Projekt ‚7000 Eichen‘ in Form der Basalt-Stelen aus dem Steinbruch Allendorf-Landsburg sollte es selbstverständlich sein“, so Jörg Haafke, „dass die Schwälmer Klimabäume wie schon die Pilot-Pflanzung am 4. Juni ebenfalls einen steinernen Wächter aus Basalt bekommen.“ Damit könne auch ein Stück documenta-Kunst in die Schwalm gelangen. Die maßgebliche Initiatorin des interaktiven Baumgeflüsters mit Beuys-Komponente, Tanja Neiber, freute sich über die gelungene Aktion und überreichte insgesamt 27 Beteiligten zum Dank und zur Erinnerung eine kleine Plakette, auf der sie Datum und die Koordinaten des Baumstandortes eingraviert hatte: „Mit der heutigen Baumpflanzung ist das ‚Baumgeflüster‘ ‚erwachsen‘ geworden und aus der Schule heraus in die Stadt, in die Gesellschaft, in die Zukunft gewachsen… – begleitet von vielen guten Gedanken!“ Die Soziale Plastik des Bäumepflanzens jedenfalls hat sichtbar und breit verankert in der Gesellschaft und allen Altersgruppen eine Ausdehnung in die Schwalm erfahren (Bild 7).
Damit könnte sich die Vision erfüllen, die Rebecca Bernhardt zur Eröffnung des Dialogs mit der Beuys-Idee vorgetragen hatte: „Jeder starke Baum war einmal eine kleine Pflanze. Und jede große Tat beginnt mit einem kleinen guten Gedanken.” (Alexander Schenk | nh)

