
Der Chatte erzählt © Grafik: Rainer Sander mit KI-Unterstützung
FRIELENDORF. Äquiwas? Genau jetzt in dieser Sekunde, am 20 März, um 10:01 Uhr ist Frühlingsanfang! Das Datum, an dem Tag und Nacht gleich lang sind. Es ist jedes Jahr ein Moment der Veränderung. Das Äquinoktium (lateinisch aequus = gleich), die Tag-und-Nacht-Gleiche, ist ein Moment des Gleichgewichts in der Natur. An diesen beiden Tagen im Jahr – im Frühling und im Herbst – sind Licht und Dunkelheit exakt im Gleichgewicht.
Ein universelles Naturgesetz, ein wiederkehrender Zyklus, den weder Menschen noch Klima beeinflussen können. Für uns, die wir weder Kalender noch Uhr kannten, waren das entscheidende Tage. Genauso wie die Sonnenwenden und genau dazwischen noch einige andere Daten.
Nur eine Sekunde Gleichgewicht
Ihr erlebt gerade, dass auch Demokratie dem Prinzip des Gleichgewichts folgt. Weniger statisch, eher dynamisch. Menschlich! Sie lebt von unterschiedlichen Meinungen, Interessen und gesellschaftlichen Kräften in einem ausgewogenen Verhältnis. Im Äquinoktium befinden sich zwei Kräfte, Licht und Dunkelheit, für einen kurzen Augenblick in Balance. Auch Demokratie ist Gleichgewicht. Zum Beispiel zwischen individuellen und kollektiven Interessen, zwischen Freiheit und Ordnung, zwischen Vergangenheit und Zukunft. Manche glauben auch zwischen „Rechts“ und „Links“, kapitalistisch und sozialistisch, kommunistisch und nationalsozialistisch.
Die Herbst Tag-und-Nacht-Gleiche steht für Ernte, Reflexion, das Ende eines Zyklus – vergleichbar mit politischen Amtszeiten, in denen Bilanz gezogen wird. Also Wendepunkte im Jahreslauf oder Wahlen und gesellschaftliche Umbrüche sind Wendepunkte gleichmäßiger Wellenbewegungen.
Die Tag-und-Nacht-Gleichem sind immer Zeitenwenden. Fällt Euch was auf? Auch die Politik spricht gerade von Zeitenwende. Der Frühling symbolisiert Wachstum, Aufbruch, neues Leben. Ähnlich wie in Demokratien, wenn Reformen beschlossen, neue Ideen ausprobiert werden oder Machtwechsel stattfinden.
Krise oder Chance?
Das Äquinoktium zeigt, dass Gleichgewicht wohl existiert, aber nur für einen winzigen Moment. Schon am nächsten Tag sind die Verhältnisse wieder verschoben. Wie in der Demokratie. Schon der Tag nach der Wahl folgt dem gleichen Prinzip, stimmt‘s? Sie ist nämlich kein Zustand, sondern ein Prozess. Die perfekte ewige Balance ist der größte menschliche Irrtum. Raum und Zeit sind die größten Täuscher. Wir können uns auch weder nur für den Tag und gegen die Nacht oder nur für das Einatmen und gegen das Ausatmen entscheiden. Immer nur Sonne erschafft die Wüsten. Menschen sind auch nie nur fair oder nur unfair, nie nur gut oder nur böse, nie nur gesund oder nur krank. Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr. Die Natur, der wir noch ein wenig näher waren, kennt übrigens auch keine Gerechtigkeit. Das ist eine menschliche „Erfindung“. Ge-„Recht“ eben …

Wir haben unsere Angelegenheiten etwas unmittelbarer erledigt. Da bin ich mal wieder bei unseren Things. Wir haben zuerst alle Waffen abgegeben, uns dann gestritten, dabei viel Alkohol getrunken und erst am nächsten Tag verkatert, nüchtern und energielos unsere Entscheidungen getroffen. Ihr seid erst energielos gleichgültig, trinkt dann viel Alkohol, streitet und greift schließlich in der Krise zu den Waffen.
Im Chinesischen haben Krise und Chance übrigens das gleiche Wort-Symbol; ji 机 …
Euer
Chatte
