
Stefan Jäger © Foto: Rainer Sander
Vortrag von Stefan Jäger im Hochzeitshaus Fritzlar
FRITZLAR. Wer waren Arminius und Segestes? Haben Chatten geholfen, Varus zu besiegen? Wo kamen sie her und was ist eigentlich aus ihnen geworden? Und an welchem Ort liegt eigentlich Mattium? Stefan Jäger schreibt nicht nur spannende Romane und Theaterstücke über unsere Vorfahren aus der Eisenzeit, er kann auch wunderbar erzählen.
„Meine Vorträge werden immer etwas länger“, räumt der Buchautor und Freizeit-Historiker im Museum Hochzeitshaus in Fritzlar ein. Am Dienstag referierte er über den germanischen Stamm, der wohl Hessen den Namen gab, sich von der Völkerwanderung wenig beeindrucken ließ und vom römischen Geschichtsschreiber Tacitus beinahe glorifiziert wurde. Begrüßt wurde er von Klaus Lambert (Museumsverein) und Museumsleiterin Stefanie Mnich.

Germanen haben nur an ihren Stamm gedacht
Gewandert sind die Chatten schon, wenn auch vor der Völkerwanderung. Germanen waren überhaupt viel unterwegs. Bestes Beispiel sind die Kimbern und Teutonen. Waren sie Germanen oder Kelten? Julius Cäsar hat die Unterscheidung getroffen. Seine Motive hat er mit ins Grab genommen. Jedenfalls haben Germanen in Stämmen gedacht, nicht in Nationen oder Völkern. Ein Gemeinschaftsgefühl für das große Ganze gab es nicht.
Der Sohn eines Cheruskerfürsten, Arminius, hat es gegen den Willen von Fürst Segestes geschafft, mehrere Stämme im „freien“ Germanien gegen die drei Legionen Roms zusammenzuschmieden und diese in einen Hinterhalt gelockt. Die Chatten werden in der Geschichtsschreibung als Teilnehmer nicht explizit genannt. Aus der Tatsache, dass Germanicus auf seinen Rachefeldzügen ihren Hauptort Mattium vernichtet hat, darf man schließen, dass sie mitgekämpft haben. Und wenn, waren sie mit der Disziplin und der Ordnung, die Tacitus beschreibt, sicher auch maßgeblich am Erfolg beteiligt.
Nur wenige Geschichtsquellen über ihre Lebensweise
11 vor Christus tauchen die Chatten in der Geschichtsschreibung auf. Autoren, wie Armin Becker sind sich sicher, dass sie hier in suebische Siedlungsgebiete gezogen sind. Die Sueben selbst hatten die Region verlassen. Die Zuhörer erfahren viel über die Lebensweise der Chatten und Quellen. Eine ist die „Germania“ von Tacitus, deren einzige Ausgabe im Kloster Hersfeld aufgetaucht ist.

Der Name Chattengau deutet noch immer auf das Kernsiedlungsgebiet des Stammes hin, der sich zwischendurch auch mal aufgespalten hat. So sind die Bataver ins heutige Holland gezogen. Wenn noch Chattenblut durch nordhessische Adern fließt, haben wir eine Menge Verwandte in Amsterdam.
Mattium lag an der Eder und hat einmal gebrannt
Und Mattium? Jäger folgt der These von Udo Schlitzberger (ehemaliger Landrat des Kreises Kassel) und Klaus Fröhlich, wonach „Alt-Geismar“, eine entdeckte eisenzeitliche Siedlung an der Eder bei Geismar, die einen Brandhorizont aufweist und wegen der Nähe zur Adrana (Eder), der Beschreibung von Tacitus am ehesten entspricht, Mattium gewesen sein könnte. Erfahren werden wir das vielleicht nie.
So bleiben die Chatten immer ein wenig rätselhaft und lassen Fantasien blühen. Chatti, Hassi, Hessi, Hessen, so könnte die Lautverschiebung zum heutigen Namen des Bundeslandes geführt haben. Aber auch das bleibt Theorie, denn die Chatten kannten keine Schriftsprache. Und was die Römer aufgeschrieben haben, war oft politisch motiviert und ist im Grunde auf eine Handvoll Erwähnungen beschränkt. Es war ein spannender Vortrag und nach zwei Stunden waren die Zuhörer etwas informierter und vielleicht ein wenig schlauer. Tatsächlich Neues über unsere Vorfahren ist schwer zu erfahren … (rs)

