Baunataler Haushalt wohl erst im März oder April
BAUNATAL. Wie führt und wie verantwortet man eine Stadt, deren strukturelles Defizit über 50 Jahre lang dank sprudelnder Einnahmen nicht aufgefallen und gewachsen ist? Jetzt macht es „Aua“! Die Frage ist nicht ob, sondern wo, wie stark und bei wem? In der jüngsten Sitzung der Stadtverordneten stand der Haushalt für 2025 nicht auf der Tagesordnung, aber doch mitten im Raum.
Ohne Haushalt kann eine Stadt eigentlich nur noch die Pflichtaufgaben erfüllen. Das wird ab 1. Januar in Baunatal der Fall sein. Mit dieser Situation leben viele Kommunen, aber nicht alle heben gerade ähnliche Schwierigkeiten. Die Einbringung hat Bürgermeister Henry Richter frühestens für den 24. Februar 2025 in Form eines Einzelhaushaltes angekündigt. Verabschiedet werden kann er dann erst am 31. März oder 19. Mai 2025. Die vielleicht wichtigste Nachricht dazu ging gestern bei Stadtverordnetenvorsteher Reiner Heine (SPD) in Form eines Antrages und bei nh24 als Meldung ein.
SPD und CDU wollen Doppelhaushalt für 2025/2026 festschreiben
SPD und CDU beantragen für die nächste Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 3. Februar die Aufstellung eines Doppelhaushaltes für die Jahre 2025 und 2026. Auch für 2023/2024 und 2021/2022 gab es jeweils Doppelhaushalte. Die beiden Fraktionen haben zusammen 33 Sitze (von 45) im Stadtparlament und begründen dies mit dem erheblich geringeren Arbeitsaufwand in der Verwaltung, der Haushaltssicherheit im Jahr 2026 vom 1. Januar an und dem Umstand, dass die Haushaltsaufstellung dann nicht in die Zeit des Kommunalwahlkampfes 2026 fällt. Der Bürgermeister hätte dann auch mehr Zeit, um seine Bestrebungen für Bürgerhaushalt, digitalen Haushalt und Produkthaushalt umzusetzen. Getreu dem betriebswirtschaftlichen Grundsatz: Mehr Information bedeutet stets mehr Aufwand.
Richter begründete den Einzelhaushalt am Montag mit nicht bekannten Tarifsteigerungen, nicht bekannter Kreis- und Schulumlage und einer geplanten Änderung der Hessischen Gemeindeordnung. Die ist in der Tat im Gespräch und könnte – nach Informationen aus Wiesbaden Kommunen das Schuldenmachen erleichtern und den kommunalen Finanzausgleich zuungunsten der Kommunen reduzieren.
Andere Unterstützungsbasis für Henry Richter?
Die wichtigsten Nachrichten werden in der VW-Stadt derzeit außerhalb des parlamentarischen Alltags produziert. Aus der Interessengemeinschaft „Gemeinsam für Baunatal“, die den neuen Bürgermeister im Bürgermeisterwahlkampf unterstützt hat, wurde eine Wählergemeinschaft, die zur Kommunalwahl 2026 antreten wird und jetzt stets die Besucherreihen im Stadtverordnetensaal füllt.
Das scheint FDP und GRÜNE von der Verpflichtung zu entbinden, „ihren“ Bürgermeister in allen Fragen zu unterstützen. So hatte Henry Richter in der Stadtverordnetenversammlung am Montag wechselnde Mehrheiten gegen sich. Brauchen wird er in Zukunft (wechselnde) Mehrheiten für sich. Jedenfalls so lange, bis die Wählerinitiative GfB die absolute Mehrheit erringt.
Straßenreinigung wird teurer
GRÜNE und FDP haben in den vergangenen Jahren mit dazu beigetragen, dass die Straßenreinigung einschließlich Laubentsorgung intensiviert wird. Jetzt musste der Magistrat und dem Vorsitz von Bürgermeister Henry Richter die Rechnung dafür präsentieren. Die Gebühren für die Straßenreinigung müssen zur gesetzlich vorgeschriebenen Kostendeckung voraussichtlich um 82 Prozent fast verdoppelt werden. Das hat eine Ausschreibung ergeben. Um diese Änderung im kommenden Jahr vornehmen zu dürfen, fassten die Stadtverordneten einen sogenannten Ankündigungsbeschluss. Nicht ohne Diskussion.
- Sebastian Stüssel (CDU) findet, wenn die Kosten steigen, müssen sie auch weitergegeben werden. Edmund Borschel habe zuletzt gesagt, das treffe jetzt die Privilegierten. Es werde jetzt so getan, als sei das unvermeidbar. Die Menschen können sich nicht wehren, aber die GRÜNEN haben für die Ausweitung geworben.
- Dr. Rainer Oswald (FDP) bedankte sich bei Stüssel, der zurecht kritisiere. Die FDP ist immer wachsam bei Gebührenerhöhungen. „Da haben wir nicht aufgepasst, was das bedeutet. Mit weinendem Auge müssen wir zustimmen, weil wir es mit verbockt haben“
- Henry Richter klagte, er müsse immer die schlechten Nachrichten verkündigen. Die Ausschreibungen für vorjahresgleiche Aufwendungen ergeben statt 99.000 Euro jetzt 153.000 Euro. Die Verwaltung habe keine andere Chance. Es wurden keine zusätzlichen Leistungen aufgenommen.
- Udo Rodenberg (SPD) will vor den Ergebnissen nicht weglaufen, aber über den Leistungsumfang nachdenken.
Gegen die 8 Stimmen der CDU wurde mit 31 Ja-Stimmen der Erhöhung der Straßenreinigungsgebühren in 2025 zugestimmt.
Wasser und Abwasser werden auch teurer
Auch die Gebühren für Schmutzwasser (bisher 1,83 Euro/m³) und Niederschlagswasser (bisher 0,93 Euro/m³ steigen – um Kostendeckung zu erzielen – auf 2,44 Euro/m³ beziehungsweise 0,89 Euro/m³. Für die Trinkwassergebühren hat das Gruppenwasserwerk Fritzlar-Homberg, das einen Großteil des Frischwassers liefert, eine deutliche Erhöhung angekündigt. Um die Gebühren in 2025 entsprechend gegenüber den Verbrauchern anheben zu können, fassten die Stadtverordneten einen entsprechenden Beschluss.
- Andreas Mock (CDU) kündigte an, nicht zustimmen zu können. Weder der Bürgermeister noch der Erste Stadtrat können etwas dafür. Brunnen wurden in der Vergangenheit geschlossen, um günstig einkaufen zu können. Die Sanierung eigener Brunnen hätte die günstigere Alternative sein können. „Jetzt sind wir abhängig und können nicht mehr umschalten.“ Tatsächlich wollte VW selbst fördern, es hat Privileg für eigenes Wasser. Um den Grundwasserspiegel nicht zu gefährden, sei so verfahren worden. Damals habe VW allerdings noch Gewerbesteuer bezahlt, heute nicht mehr. Jetzt müsse man mit dem Sparen anfangen, um Bürger nicht zu belasten.
- Martina Klein (B90/GRÜNE) erklärt, dass Gespräche geführt werden und Kosten für Netzsanierung und Brunnenrenovierung anfallen. Jetzt müsse man auch Konzerne zur Beteiligung verpflichten. Fast überall gebe es einen Wassercent.
- Dr. Rainer Oswald (FDP) beklagt die Wiederholung des ewig Selbigem. Die Idee schien damals gut, es anderen anzuvertrauen. Die Bürger werden fragen, was habt Ihr die ganze Zeit getan?
- Daniel Jung erinnert, Baunatal habe bisher immer von günstigeren Gebühren des Gruppenwasserwerks profitiert. Der Beweis, dass es mit eigenem Wasser günstiger wäre, müsste erst angetreten werden. Stadtwerke tun alles, um in der kommunalen Familie eine gerechte Verteilung zu erzielen.
Der Beschluss wurde angenommen gegen die CDU-Stimmen.
Grundsteuer steigt nicht dank CDU und SPD
Die Reform der Grundsteuer soll nach dem Willen von Bund und Ländern aufkommensneutral umgesetzt werden. Die Hessische Steuerverwaltung teilte mit Schreiben vom 5. Juni 2024 ihre Empfehlung für aufkommensneutrale Hebesätze in Baunatal mit. Sie empfiehlt für die Grundsteuer A einen Hebesatz in Höhe von 555,32 % (bisher 560) und für die Grundsteuer B einen Hebesatz in Höhe von 542,37 % (bisher 590).
- Sebastian Stüssel (CDU) findet, die Verantwortung des Bürgermeisters wäre gewesen, heute einen Haushalt einzubringen. Stattdessen findet diese Debatte statt. Wer einen Bürgerhaushalt will, legt doch einen Haushalt vor und diskutiert politisch, statt einzelne Beschlüsse zu treffen. Man müsse den Bürgern doch reinen Wein einschenken und klar sagen, was es kostet. Könnte es sein, dass wir ein Minus von 35 Millionen machen? Dann muss es immer jemand bezahlen. Er erkennt keine Ideen, wo Einnahmen generiert werden können. Nur der Bürger müsse bezahlen. „Wir brauchen einen Haushalt!“ Also müsse nun erst einmal aufkommensneutral entschieden werden.
- Bürgermeister Henry Richter findet es spannend. Die beauftragte Wirtschaftsberatung habe im November vorgeschlagen, Grundsteuer und Kitagebühren zu erhöhen. Im ganzen Bundesgebiet haben Kommunen Probleme. Das Land habe nur empfohlen.
- Dr. Rainer Oswald (FDP) möchte jetzt nicht erhöhen, um Druck zu machen, mehr zu sparen. Nur das helfe noch.
- Franziska Bünsow (B90/GRÜNE) erkennt ein gerechteres und transparenteres System, das dem tatsächlichen Wert der Grundstücke näherkommt. Eine Absenkung sende falsche Signale an die Bürger. Die Chancen stünden gut, „dass wir mit dem nächsten Haushalt diesen Beschluss kassieren müssen.“
- Udo Rodenberg (SPD) stellte richtig, dass es nicht um eine Absenkung geht. „Wir reden davon, dass die Einnahme gleich bleibt.
- Andreas Mock (CDU) griff den Bürgermeister an für seine Aussage, die CDU habe keinen Vorschlag gemacht. Die CDU sei jahrelang dafür abgestraft worden, weil sie Einsparungen wollte und immer wieder Haushalte abgelehnt habe. Es gab aber Zeiten, als Henry Richter noch in der SPD-Fraktion saß und alle Sparvorschläge der CDU abgelehnt habe. Dann bei den GRÜNEN wollte er sogar das Sportbad erhalten und dafür Bürger zum Protest in die STAVO gelockt. Das war doch kein Sparvorschlag. In der Haushaltskommission war er mit den GRÜNEN gegen viele Einsparungen.
Niedriger gegenüber der Vorlage des Bürgermeisters wurden die Hebesätze für die Grundsteuer A auf 436 und die Grundsteuer B auf 555 beschlossen. Lediglich die GRÜNEN wollten für die höheren Werte von Henry Richter stimmen,
Tatsächlich haben alle Kostensteigerungen noch nichts mit der veränderten Haushaltslage zu tun und wären so oder unvermeidbar. Erst mit dem Haushalt wird die „Neue Wirklichkeit“ offenbart.
Kommt „BTL“ als KFZ-Kennzeichen?
Ein gemeinsamer Antrag von SPD- und CDU-Fraktion griff die Umfrage des Stadtmarketings auf, ein eigenes Kfz-Kennzeichen für Baunatal einzuführen. Es gab einen breiten positiven Rücklauf.
- Bürgermeister Henry Richter freute sich über Antrag. 320 Kommunen seien angeschrieben worden.
- Edmund Borschel (B90/GRÜNE) rechnete aus, dass sich 2,8 % der über 18-jährigen dafür ausgesprochen haben. Er fände es gut, wenn man das für Baunatal Nord auch so annehmen würde. „Wenn wir keine wichtigen Themen haben!“ Einzig positiver Aspekt sei, dass Antragsteller und der Bürgermister das gleiche Interesse hätten.
- Dr. Rainer Oswald (FDP) ist das egal. Aber endlich gäbe es einmal Stadtidentität in Abgrenzung zu anderen Kommunen.
Per Beschluss wurde der Magistrat der Stadt Baunatal beauftragt, die Einführung eines eigenen Kfz-Kennzeichens für Baunatal als größter Stadt im Landkreis Kassel zu forcieren. SPD, CDU und FDP stimmten dafür, die GRÜNEN enthielten sich. (Rainer Sander)