Lions organisieren Forum in Fritzlar
FRITZLAR. Es ist eine Botschaft, wenn der Lions Club zum Wirtschaftsforum bittet und die ganze Region herbeiströmt. Also maßgebliche „Teilnehmer“ an der nordhessischen Wirtschaft und solche, die gestalten oder steuern. Politik spielte am Donnerstagabend in der Stadthalle Fritzlar ausnahmsweise keine tragende Rolle.
Melvin Jones, Versicherungskaufmann aus Chicago und dort Sekretär des „The Business Circle“, so etwas wie ein Gewerbeverein, gründete 1917, mitten im Weltkrieg den Lions Clubs. International war er damals noch nicht, aber das Motto war politisch brisant: „Wir dienen!“ Und zwar denen, die Unterstützung brauchen können. Das ist einziges Ziel der Vereinigung meist einflussreicher und erfolgreicher Menschen. LIONS ist zugleich ein Akronym mit der Bedeutung: „Liberty, Intelligence, Our Nations‘ Safety“ (Freiheit, Intelligenz, die Sicherheit unserer Nationen).
Frank Börner: Wirtschaft ist Fundament der Gesellschaft
Neuer Präsident der Lions Fritzlar-Chattengau ist ein Ruheständler aus der Politik, der stets an die Wirtschaftskraft der Region geglaubt hat: Frank Börner, vor zwei Jahren noch Bürgermeister in Gudensberg. „Wir sollten gut zuhören“, mahnte er bei der Begrüßung der fast 150 Gäste, denn „die Wirtschaft ist das Fundament unserer Gesellschaft.“ Politik sei gut beraten, ein Wohl für Klima zu schaffen. Für die Kommunen ist die Gewerbesteuer eine wichtige Einnahme. Es ging also um die Zukunft der Wirtschaft in Nordhessen.
Die hingegen ließ keinen Zweifel aufkommen, dass sie sich wieder verweigern, noch in starre Regeln gezwängt werden will. Mit der riesigen Resonanz hatten die Lions nicht gerechnet. Börner vermutet, dass die VW-Krise das Thema gerade besonders befördert.
Querschnitt der nordhessischen Wirtschaft
Als Menschen, die aktiv im (Wirtschafts-) Leben stehen eingeladen waren Katharina Koch, Inhaberin der Landfleischerei Koch in Calden), Handwerkspräsident und Bauunternehmer Frank Dittmar aus Guxhagen, Markus Luckey, einst Topmanager und heute Inhaber der Schokoladenmanufaktur DreiMeister Spezialitäten in Bad Arolsen sowie Wirtschaftsprüfer Markus Küfner aus Kassel. Dazu gesellten sich mit Kai Georg Bachmann als Geschäftsführer Regionalmanagement Nordhessen und dem Geschäftsführer von Pro Nordhessen, Markus Exner, die beiden wesentlichen Gestalter der nordhessischen Regionalentwicklung. Markus Exner moderierte zugleich das erste Wirtschaftsforum gemeinsam mit Anja Kukuck-Peppler, Vorstand der VR Partnerbank Chattengau-Schwalm-Eder.
Für den Veranstaltungsort begrüßte Bürgermeister Hartmut Spogat mit der Botschaft, dass man in der Domstadt mit Geld umzugehen wisse, selbst wenn die Veranstaltungslocation in der Renovierung statt 5,2 Millionen schließlich 7 Millionen Euro gekostet habe. Einleitend schilderte er die Situation: 25.000 Unternehmen erwarten laut FAZ ein Nullwachstum. 0,8 Prozent prognostiziert der IWF, weltweit sind es 3,2. Amerika erreicht 2,8 Prozent.
Markus Exner: Alleinstellungen der Region betonen
Exner blickte angesichts nordhessischer Lebensmittel-Produkte, die regionale Botschafter sind in einstige Hutewälder und auf die unverändert aktuelle Ahle Wurscht, jetzt eine europaweit geschützte regionale Marke; und – wie Frau Koch ergänzte – jetzt mit dem Parma-Schinken auf Augenhöhe. Exners Schlussfolgerung: „Wir brauchen diese Alleinstellungen im Wettbewerb der Regionen.“
Kai Georg Bachmann erwähnte bei den Zukunftsprodukten die Automobilstandorte VW in Baunatal und Mercedes in Kassel. Beide Werke seien in ihren Konzernen federführend für die Entwicklung der Elektromobilität. Das sei gut für Nordhessen: „Das geht nicht mehr weg und ohne diese Antizipation der E-Mobilität sähe es noch schlechter aus!“
Anja Kukuck-Peppler stellt fest, dass auch in Nordhessen junge Menschen eher Sicherheit als Beständigkeit suchen und weiß außerdem, wie sehr Schokolade zur persönlichen Residenz beizutragen vermag. Süßigkeiten-Produzent Luckey nimmt positive Veränderung wahr. Vor 15 Jahren dominierten noch Preisdiskussionen, jetzt sind es andere Themen. DreiMeister sind nicht die billigsten, aber der regionale Gedanke ist eine Stärke. Außerdem: Kekse aus Polen sind billiger, aber nicht immer kurzfristig lieferbar.
Gute Rahmenbedingungen sind die beste Unterstützung
Handwerkspräsident Dittmar betont die jahrhundertealte Fähigkeit des Handwerks, jeden Wandel zu managen. Mehr Mitarbeiter als die Industrie habe das Handwerk. Über 5 Millionen, die mit zu viel Bürokratie gebremst werden. Bildung ist wichtig. Die Menschen beunruhige aktuell die gesamtwirtschaftliche Situation mehr als die eigene. Gebraucht werden junge Leute, die Häuser bauen und Dächer decken. Der Mittelstand ist ganz einfach. „Wir wollen keine Unterstützung sondern Rahmenbedingungen.“ Bachmann bestätigt die handwerkliche Flexibilität. Sogar als Influencer begeistern Handwerker in den sozialen Medien. Und er ist sich sicher: „wir müssen den Menschen auch wieder mehr zumuten.
Frank Dittmar tritt auch gegen die Akademisierung beruflicher Wirklichkeit ein und weiß, in dieser Region kann man erfolgreich arbeiten und verdient im gesamten Berufsleben nicht weniger als andere Arbeitnehmer.
Vieles ändert sich und Nordhessen ist flexibel
Wie ändert sich die Wirtschaft? Fleischerei-Chefin Koch erkennt Umdenken. Früher war es nicht denkbar, dass ein Fleischerei-Betrieb an die Tochter geht, eher an den Schwiegersohn. Luckey, beklagt, dass der Mindestlohn Gestaltungsspielräume raubt und nicht zu arbeiten oft attraktiver ist findet den Fachkräftemangel übrigens weniger dramatisch. „Wir finden welche!“ Die Frage, „Was muss ich dem Arbeitnehmer bieten“, findet er falsch. Man müsse auch fragen, was dem Arbeitgeber geboten wird. Für Bachmann existiert schon Fachkräftemangel. Ohne Zuwanderung würde Gastronomie nicht mehr funktionieren.
Was erwartet die nordhessische Wirtschaft von der Politik? Es gehe nicht mehr darum, die Staatsverschuldung gering zu halten, vor allem gelte es, nicht mehr parteipolitisch zu denken. Luckey verspricht: „Wir investieren sowieso! Aber wir brauchen Verlässlichkeit der Politik, vom Kommunalpolitiker bis zum Bundeskanzler.
Und die besonderen nordhessischen Chancen? Sie steigen global bei mehr Mut und mehr Ärmel hochkrempeln, bei gleichzeitig weniger Vollkasko. Die Entwicklung von Baugebieten in Nordhessen sei stärker als in Südhessen (Exner), in Ballungsgebieten gebe es kaum noch Möglichkeiten, sich Eigentum zu erwirtschaften. Bachmann erkennt, was die A49 für die Region rund um Schwalmstadt bedeutet. In Ballungsgebieten hat niemand mehr die Möglichkeit sich Eigentum zu erwirtschaften.
Spirit der Familienunternehmen nutzen
Luckey weiß, Familienunternehmen haben Spirit! Koch sieht eine Stärke in der Standorttreue, beispielsweise des Handwerks. Bankerin Kukuck-Peppler findet, die Unternehmen sind flexibel in Nordhessen und Nordhessen ist nicht so volatil, wie andere Regionen.
Was kann die Wirtschaft tun? „Wir müssen auch sagen, dass wir das haben“, sagt Luckey und Küfner hat verstanden, dass man immer auch mal eine Extrameile gehen muss, gerade weil es Nordhessen aktuell geht es besser als im Bundesbereich.
Der erste Wirtschaftsgipfel war eine perfekte Zusammenfassung der Situation und eine präzise Standortanalyse. Am Ende zählt, was alle gemeinsam daraus machen. Der Anfang ist getan. Am Ende zählt, welche Taten aus Worten entstehen. (Rainer Sander)
1 Kommentar
„Also maßgebliche „Teilnehmer“ an der nordhessischen Wirtschaft und solche, die gestalten oder steuern.“
DAS ist auch ein Problem. Denn die Strukturen dort sind ja durch diese Begrenzung auch schon wieder verkrustet.
Bürger die Querdenken, vieles in Frage stellen oder ungewöhnliche oder kritische Ideen haben, bleiben wie in der Politik außen vor.
Sozusagen: Man ist unter Gleichgesinnten!
Das merkt man auch daran, dass man nach wie vor am Airport Kassel festhält, obwohl dort Fracht und sonstiges Aufkommen praktisch nur von den Firmen stammen, die Flughafennah angesiedelt sind oder einen Verkerhslandeplatz benötigen.
Auf den sollte man Kassel herunterstufen..
Das Geld das die Eigentümer versenken würde frei.
Man könnte es der nordhessischen Wirtschaft zur Förderung verfügbar machen.
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