Wie ein altes Schlachthaus in Edenkoben zum Atelier wurde
EDENKOBEN | BORKEN-TROCKENERFURTH. Handwerkliche Präzision ist der Schlüssel zu herausragender Wurst. Das zeigt Metzgermeister Fritz Kästel, der mit seinem Handwerk bereits zahlreiche Auszeichnungen gewonnen hat.
Seine „Nordhessische Ahle Wurscht“ wurde mehrfach mit Gold prämiert. In der Schlachterei Kohl Kramer Kästel, die seit vier Generationen in Trockenerfurth ansässig ist, führt der zweifache Wurstweltmeister Kästel seit über 30 Jahren das Familienunternehmen.
Die Erfolgsgeschichte dieser und anderer Wurstspezialitäten basiert auf alten Rezepturen, die von Generation zu Generation weitergegeben werden. Ein besonderer Meilenstein gelang Kästel 2023, als er für die „Nordhessische Ahle Wurscht“ das EU-Schutzsiegel „geschützte geografische Angabe (g.g.A.)“ erhielt.
Eine andere Form von handwerklicher Kunst zeigt sich im Werk des Malers und Grafikers Lutz Schoenherr, der sein Atelier im alten Schlachthaus von Edenkoben (Landkreis Südliche Weinstraße in Rheinland-Pfalz) betreibt. Für Schoenherr ist Handwerk ein zentraler Bestandteil seiner künstlerischen Arbeit. Er hat sich auf Siebdruck spezialisiert und fertigt dabei Druckgrafiken an, die durch ihre technische Präzision beeindrucken. Für das Werk „In honor of the Buena Vista Social Club“ waren 128 Druckvorgänge erforderlich, um die verschiedenen Farben exakt zu platzieren. Ebenso beeindruckend ist das Bild „Die Eloquenz der Sardine“, das für eine Buchillustration in fließenden Farben gestaltet wurde. Hierbei waren fast 80 Druckvorgänge nötig, um ein einziges Unikat zu schaffen.
Schoenherr betreibt seine „graphic art work“ im ehemaligen Schlachthaus – dem Elternhaus von Fritz Kästel. In eben diesem Betrieb lernte Kästel einst das Metzgerhandwerk. Der Weg der beiden Handwerksmeister kreuzte sich zufällig, als Schoenherr nach größeren Atelierräumen suchte und Kästel eine leerstehende Metzgerei besaß. Das Schlachthaus stand seit über 20 Jahren leer, nachdem Kästels Vater in den Ruhestand ging und die beiden kurzzeitigen Nachfolger die hohen Qualitätsstandards der Metzgerei nicht aufrechterhalten konnten.
Seit 2022 hat das alte Schlachthaus eine beeindruckende Transformation durchlaufen. Die Maschinen wurden ausgeräumt, aber einige Einrichtungsgegenstände bewusst erhalten, um dem Atelier ein außergewöhnliches Flair zu verleihen. Was einst als Raum für Fleischverarbeitung diente, ist nun ein kreativer Ort für künstlerische Arbeit.
Der erste Kontakt zwischen Schoenherr und Kästel verlief mit viel Skepsis, doch heute sind beide glücklich über die Entwicklung. Der Maler genießt den großzügigen Raum für seine Kunst, der sich zudem als Galerie mit einzigartigem Ambiente eignet. Die „1. ART inter REGIONAL“ Ausstellung im Schlachthaus vereinte beide Handwerksmetiers: Statt einer traditionellen Vernissage wurde ein Kunst-Schlachtfest gefeiert, zu dem Metzgermeister Kästel eigens aus Trockenerfurth nach Edenkoben reiste.
Für Kästel bedeutet die Wiederbelebung der alten Metzgerei viel: Ein Ort, der einst der Wurstproduktion diente, hat sich zu einem Raum der kreativen Transformation gewandelt – bereit für weitere Veränderungen in der Zukunft. (wal)