Dachdecker-Innung Kassel begrüßt ihr 125. Jubiläumsjahr
KASSEL. Es war der 1. Juli 1899, als die Dachdecker in Kassel ihre Innung gründeten. Mitten im Jahr 2024 also wird die Innung, die inzwischen über das Stadtgebiet von Kassel hinaus die Dachdecker aus den Landkreisen Kassel, Werra-Meißner, Schwalm-Eder und Hersfeld-Rotenburg vertritt, 125 Jahre alt. Gestartet sind die Handwerker in ihr Jubiläumsjahr mit einem Neujahrsempfang.
Nicht nur auf dem Dach müssen die Fachleute für Pfannen, Schiefer, Aluminium oder Bitumen oft mit Regen, Schnee und Wind kämpfen. Am vergangenen Mittwoch machten Schnee und Eis auf den Straßen die Anreise ins UK 14 (Untere Karlsstraße 14) in Kassel schwierig. Große Redner waren in der Einladung angekündigt, aber Dirk Bollwerk, Präsident des „Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks“, musste ebenso wie Norbert Hain vor den Schneemassen am 17. Januar passen. Ähnlich erging es auch zahlreichen Gästen aus den entlegeneren Zipfeln des großen Innungsgebietes.
Einladung zum Groove On The Roof
Die Wetter-Verschwörung ignorierend, führte Obermeister Joachim Schaumlöffel, unterstützt von den Musikern der Band „Groove on The Roof“ um Werner Kiefer heiter-ironisch durch den Abend. Musikprogramm und Zitate waren stets abgestimmt auf das Gründungsjahr 1899. Ein Lied von Duke Ellington stand am Anfang des Empfangs. Der Duke kam 1899 zur Welt. Johann Strauß, dessen Musik beim Come Together aus der Konserve kam, ist hingegen 1899 gestorben. Die Frankfurter Eintracht wurde 1899 gegründet, zwar im selben Jahr wie die Innung. Der KSV Hessen Kassel ist allerdings sechs Jahre älter. Das sollte nicht unerwähnt sein!
Was war sonst noch 1899? Was haben die Gründer damals für Musik „gestreamt“ und hieß klassische Musik damals schon klassische Musik? Die Zeit hat sichtbar Dinge verändert, das „letzte Wort“ eines Meisters im Gespräch, „so lange die Fulda in diese Richtung fließt …“, wird immer noch ab und zu ein Lehrling hören.
Föderalismus ist o. k. – einheitliche Strukturen ebenso
Um Auszubildende kümmert sich auch Handwerkskammer Präsident Frank Dittmar. Zurzeit sind in Deutschland 46 Millionen Menschen in Arbeit, im Jahr 2060 können es nur noch 36 Millionen seien. Pisa hat Schwächen offenbart und die Frage ist erlaubt: „Brauchen wir 17 Minister für Bildung?“ Mehr Digitalisierung und einheitliche Strukturen könnten dem Staat nicht schaden. Bundesweit gleiche Verwaltungsplattformen und Sicherheit für langfristige Investitionen in die Infrastruktur, gezielte Förderungen statt alle paar Wochen Änderungen wären positiv.
Dittmar sieht nicht nur eine Zeitenwende nach 125 Jahren, sondern vor allem das Handwerk im Wandel. Wenn Energiepreise durch die Decke gehen, die Welt rauer wird, Diktatoren und Autokraten wieder regieren dürfen, wird sichtbar, „dass wir in Abhängigkeiten gut, aber viel zu lange gelebt haben. Es wird Zeit wieder zu produzieren und das können wir im Handwerk!“ Vor KI, so Dittmar, brauche das Dachdeckerhandwerk keine Angst zu haben. Spezialisten sagen voraus, dass Dachdecker nur in 25 Prozent ihrer Arbeit von KI unterstützt werden können. Bei Bäckern könnten das 80 Prozent sein, bei Friseuren fünf Prozent. Handwerker werden also auch zukünftig als Handwerker gebraucht. Die Globalisierung produziert immer mehr schwerfällige Konzerne. Eine weitere große Chance für kleine Betriebe mit Handarbeit.
Berufsschule mit Qualität – Meisterschule kostenfrei
Winfried Becker ist Landrat am Verwaltungsstandort der Innung in Homberg/Efze. Im Namen seiner Kollegen stellte er fest, Handwerk sei in dieser Zeit etwas Besonderes. Die Landkreise sind über ihre Berufsschulen unmittelbar an der Ausbildung beteiligt und Becker möchte Qualität liefern, um alle vier Berufsschulstandorte zu erhalten. Wenn nur noch 30 Stunden pro Woche und nur noch an drei oder vier Tagen in der Woche gearbeitet wird, wird vieles nicht mehr funktionieren. Schon 2028 werden im Landkreis 9800 Arbeitskräfte fehlen. In vielen Bereichen wollen junge Menschen keine Führungspositionen mehr einnehmen. Immerhin, das Handwerk „schafft und macht“. Er freut sich, dass die neue Landesregierung im Koalitionsvertrag festgelegt hat, dass der Meisterbrief in Hessen zukünftig nichts mehr kosten wird.
Zum Dank für ehrende und wegweisende Worte gab’s den Stenz, den Wanderstab der Handwerks-Gesellen.
Sehnsucht muss produktiv sein!
Obermeister Joachim Schaumlöffel ließ die letzten 125 Jahre kurz Revue passieren und stellte das Programm fürs Jubiläumsjahr fest. Höhepunkt wird am 24. August der Festabend zum Jubiläum sein. Einen Leitspruch fürs Jubiläumsjahr fand er auch: „Echte Sehnsucht muss stets produktiv sein, um etwas Neues zu schaffen“. Dafür steht das Dachdeckerhandwerk, mit neuen Herausforderungen und vor allem Antworten auf diese. (rs)
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