WILLINGSHAUSEN. Die Kultur-Initiative-Willingshausen (KIWI) bietet am kommenden Wochenende ein abwechslungsreiches Programm mit Fotografie, einem Fachvortrag zur Schwälmer Tracht und künstlerischer Kartoffelkunst.
Die Rolle und Veränderung der Tracht in der Willingshäuser Malerei
Für den Samstag, den 18.11., hat die KIWI die Leiterin der Schwälmer Dorfmuseums Holzburg eingeladen, um ihr eine Möglichkeit zu geben, ihre Erkenntnisse zur „Rolle und Veränderung der Tracht in der Willingshäuser Malerei“ im Kernort der historischen Künstlerkolonie vorzustellen. Der Bildervortrag der Kulturanthropologin Heidrun Merk findet in der „Neustädter Sieben“ in Willingshausen (Neustädter Straße 7) ab 17:15 Uhr statt.
Der Vortrag beleuchtet die Anfänge, Darstellung und Veränderung der Trachten in der Willingshäuser Malerei, von Ludwig Emil Grimm, Gerhardt von Reutern über Johann Fürchtegott Dielmann, Jakob Becker, Ludwig Knaus bis zu Adolf Lins, Carl Bantzer und Emil Beithan. Stand anfangs das Interesse der Maler, die Menschen mit ihren Trachten wahrheitsgemäß „ad vivum“ (nach dem Leben) zu malen und die Trachten mit ethnografischer Genauigkeit abzubilden, veränderte sich diese Perspektive im Laufe der Zeit hin zu ästhetisch kompositorischen Inszenierungen.
Einen wesentlichen Ursprung des Interesses von, meist in Städten lebenden Malern findet man in den gesellshaftlichen Reaktionen auf die rasant fortschreitende Industrialisierung, die vielfach zu Verlustängsten und Orientierungslosigkeit beim städtischen Bürgertum geführt hatte. Gern schmückten sich die Bürger ihre Wohnstuben mit Bildgeschichten vom Landleben, in der die Einheit von Natur und Mensch, Sitte und Brauchtum gewahrt schien. Sie konnten gar nicht genug bekommen von diesen Erzählungen und erwiesen sich als zuverlässige Abnehmer dieses Genres. Und die Maler lieferten prompt.
Neben dem Blick auf die „unverbrauchte“ Landschaft waren es vor allem die Schwälmerinnen und Schwälmer mit ihren prachtvollen, „exotischen“ Trachten, die die Willingshäuser Maler von Anfang in ihren Bann zogen. Für sie – fast allesamt Städter und zumeist akademisch gebildet – verkörperte das Landleben mit seinen Bewohnerinnen und Bewohnern vor allem eins: Eine intakte, überschaubare dörfliche Welt mit liebenswerten, unverbildeten Menschen. Diese vermeintlich heile, dörfliche Welt stand in Gegensatz zur städtischen Welt. Mit dem Alltag der Menschen in der Schwalm hatte dies indes meist wenig zu tun.
Fotografische Sommer- und Herbstimpressionen
Am Sonntag, dem 19.11., findet die Ausstellung „Spektrum Fotografie“ der Foto-Community Neukirchen einen standesgemäßen Ausklang. Zur Finissage hat es sich der Mentor der Fotofreundinnen und -freunde, Werner Thuleweit, nicht nehmen lassen, eigene in den zurückliegenden Monaten produzierte Lichtbilder zu einer lebendigen Diakomposition 2023 zusammenzustellen. Werner Thuleweit ist in seiner Fotokunst dafür bekannt, dass er mit seiner Kamera die Grenzen zwischen Fotografie und Malerei aufzulösen in der Lage ist. In Überblendtechnik präsentiert dürfen sich daher nicht nur Fotoenthusiasten auf ein besonderes Kunsterlebnis in der „Neustädter Sieben“ in Willingshausen (Neustädter Straße 7) freuen. Der Eintritt ist ebenso wie der Besuch der Ausstellung „Spektrum Fotografie“ frei. Die Lichtbilderkomposition beginnt um 17.00 Uhr, wird etwa eine halbe Stunde dauern. Im Anschluss können die Besucherinnen und Besucher unmittelbar in das „Kulturhaus AnTreff“ gegenüber der Dorfmühle (gerne nach Fußweg; fünf Minuten) wechseln.
Videoinstallation „Kartoffelkino“
Das große Interesse an der eindrucksvollen Videoinstallation „Kartoffelkino“ hat den Frankfurter Künstler Vollrad Kutscher bewogen, nochmals nach Willingshausen zu einer Abschlusspräsentation seiner Kunstperformance zu kommen. So kann am kommenden Sonntag, den 19.11. ab 18.30 Uhr nochmals das Leben der Kartoffel nach ihrer künstlerischen Zubereitung betrachtet werden. Die von Vollrad Kutscher geschnitzten Kartoffelfiguren durften sich dazu ihrem natürlichen Werdegang schrumpelnder Veränderung hingeben, wurden dabei fortwährend fotografiert und finden sich schließlich in einem achtminütigen, von dem in Holzburg wohnhaften Filmkünstler Dieter Reifarth komponierten Filmzusammenschnitt wieder. Die letzte Phase der Kartoffelfiguren vor dem endgültigen Zerfall hat Vollrad Kutscher zudem in Bronze gegossen und auf einer Tribüne platziert. Im Spot des Kurzzeitkinos „Kulturhaus AnTreff“ schauen sie sich von dort ihren eigenen Werdegang von der ungeschälten Kartoffel zu Nachweltmumien an. Man weiß nicht recht, wer sich mehr über die Idee und Arbeit von Vollrad Kutscher amüsiert, die Kinobesucher oder doch die in Bronze erstarrten Kartoffeln selbst.
Vollrad Kutscher wird zu der Finissage „Auf dem Land für das Land“ nochmals mit spitzem und scharfen Messer Hand an jungfräulichen Kartoffeln legen und quasi Willingshäuser Figuren schnitzen. Er animiert auch Gäste und Besucher eigenes geeignetes Werkzeug für filigrane Kartoffelschnitzerei mitzubringen und mit weiteren Figuren den Zyklus des Werdeganges des Deutschen liebster Knolle erneut in Gang zu setzen.
„Wir freuen uns sehr, dass wir mit dem Ausklang unserer voraussichtlich letzten Ausstellung ‚Spektrum Fotografie‘ in 2023 nochmals unsere Ziele und Ansprüche des KIWI-Kulturprogrammes deutlich machen können. Mit der direkten räumlichen und zeitlichen Verknüpfung verschiedener Veranstaltungen und Veranstaltungsorte möchten wir den Ort für Besucherinnen und Besucher attraktiver machen. So können an beiden Tagen des Wochenendes mindestens vier Kulturveranstaltungen nacheinander besucht werden. Dadurch wird der Weg und Ausflug in das ehemalige Malerdorf sehr viel lohnender“, erläutert die KIWI-Vorsitzende Margitta Braun-Biskamp. „Dabei schließen wir selbstverständlich auch den Hinweis auf das Geschehen in der Kunsthalle Willingshausen ein, in der ebenfalls am kommenden Wochenende die Ausstellung des aktuellen Stipendiaten, Arhuhn Aksakal, zu sehen ist.“ (Jörg Haafke)
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