KASSEL /WOLFHAGEN. Als die beiden Marschkolonnen mit 30 Fahrzeugen ihren Einsatzort erreichten, brach die Dunkelheit herein. Dennoch mussten die Einsatzkräfte sieben Behandlungs- und weitere Funktionszelte errichten, um bis zu 50 Verletzte zu versorgen.
Dies forderte das Übungsszenario, das am Samstag von etwa 170 Teilnehmenden der Medizinischen Task Force 34 Kassel (MTF 34) auf dem Gelände der Herwig-Blankertz-Schule in Wolfhagen im Landkreis Kassel volle Einsatzbereitschaft abverlangte.
„Im Ernstfall muss es schnell gehen – und alles muss reibungslos ineinandergreifen. Derartige Großübungen, bei denen die Einsatzkräfte regelmäßig ihr Wissen und Können unter Beweis stellen können, bilden die Grundlage für einen reibungslosen Ablauf. Die Menschen in der Region können stolz auf die Einheiten des Katastrophenschutzes sein: Auch in Ausnahmesituationen behalten sie die Lage souverän im Griff“, lobten Kassels Dezernent für Sicherheit und Ordnung, Heiko Lehmkuhl, und Andreas Siebert, Landrat des Landkreises Kassel, die Mitwirkenden.
In Kassel und Wolfhagen übte die Medizinische Task Force 34 Kassel (MTF 34). Es handelt sich dabei um einen sogenannten sanitätsdienstlichen Einsatzgroßverband, den der Bund im Rahmen des Zivilschutzes aufgestellt hat. Die Medizinische Task Force setzt sich aus Einheiten des DRK Kassel-Wolfhagen, des DRK Hofgeismar, des DRK Kassel-Land, des ASB Kassel-Nordhessen sowie der Berufsfeuerwehr Kassel zusammen. Dieser Einsatzverband verfügt derzeit über rund 30 Fahrzeuge und etwa 115 Helferinnen und Helfer.
Übungsort und -szenario sind fiktiv gewählt. Die Übung wurde von den unteren Katastrophenschutzbehörden der Stadt Kassel sowie des Landkreises Kassel organisiert. Als Übungsszenario dient die Explosion eines Asteroiden in der Erdatmosphäre, die durch Druckwelle und Trümmerteile hunderte Menschen verletzte sowie Straßen, Gebäude und Teile der kritischen Infrastruktur im benachbarten Göttingen zerstörte oder erheblich beschädigte. Der Katastrophenschutzstab der Stadt Göttingen fordert daraufhin überörtliche Hilfe, auch aus Hessen, an. Das Hessische Innenministerium entsendet laut Übungsdrehbuch daraufhin die Medizinische Task Force 34 nach Göttingen.
Schon die Anfahrt gehörte zur Übung. Am Samstagnachmittag wurde die MTF von der Leitstelle Kassel bei der Kasseler Feuerwehr alarmiert. Die in Stadt und Landkreis stationierten Fahrzeuge der MTF 34 sammelten sich daraufhin an einem sogenannten Bereitstellungsraum in der Kasseler Nordstadt. Von dort aus fuhren zwei Marschkolonnen in das Einsatz- bzw. Übungsgebiet, in diesem Fall nach Wolfhagen in die ehemalige Kaserne, die sich die Organisatoren als Übungsgelände ausgesucht hatten. Die Herwig-Blankertz-Schule in Wolfhagen stellte ihr Gelände sowie Gebäude für die Übung zur Verfügung. Auf die Helferinnen und Helfer der Medizinischen Task Force warteten dort verschiedene Aufgaben. In der anbrechenden Dunkelheit bauten die Sanitäter ihre sieben Behandlungszelte sowie weitere Funktionszelte auf. Die Patiententransportgruppe übte mit ihren Krankentransportwagen das Fahren unter schwierigen Bedingungen sowie die Aufnahme von Verletzten in den Krankenwagen. Die Versorgung der etwa 170 Übungsteilnehmer und Gäste übernahmen der Betreuungszug Wolfhagen sowie der Logistiktrupp der MTF 34.
Ein Schwerpunkt der diesjährigen Übung war die Arbeit bei Dunkelheit, die erstmals unter realistischen Bedingungen von der MTF 34 geübt wurde. Ein Ziel war es, herauszufinden, wie viele Beleuchtungsgeräte erforderlich sind, um den gesamten Wirkungsbereich einer Medizinischen Task Force auszuleuchten. Da die MTF noch über keine eigene Einsatzstellenbeleuchtung verfügt, wurden die Gerätewagen Technik mit den Anhängern Strom der Betreuungszüge des Landes-Katastrophenschutzes eingesetzt, da diese Stromgeneratoren auch über integrierte Lichtmasten verfügen.
Die Übung dauerte bis 22 Uhr. Nachdem alle Zelte und Geräte wieder abgebaut und auf den Fahrzeugen verstaut waren, verließen die Einheiten gegen 23 Uhr das Übungsgelände und machten sich auf die Heimfahrt. Die Übung stieß auf großes Interesse bei Fachpublikum. Als Gäste wurden Führungskräfte der drei anderen hessischen MTF-Standorte Gießen/Fulda, Frankfurt und Darmstadt/Darmstadt-Dieburg, Vertreter der hessischen Landesverbände von DRK und ASB, Vertreter des DRK aus dem benachbarten Ostwestfalen, der Hessischen Landesfeuerwehrschule sowie des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe in Bonn begrüßt.
Hintergrund: Medizinische Task Force
Die Medizinische Task Force ist als taktische Einheit mit Spezialfähigkeiten eine Arzt besetzte sanitätsdienstliche Einsatzabteilung, die zur Unterstützung bzw. Ergänzung regulärer Einheiten des Katastrophenschutzes und Sanitätsdienstes eingesetzt wird. Zudem ist eine MTF in der Lage, einen sanitätsdienstlichen Einsatz selbstständig zu leiten und auszuführen. Die unterschiedlichen Fähigkeitsschwerpunkte einer MTF ermöglichen vielfältige Einsatzoptionen, die zur Bewältigung spezifischer katastrophenmedizinischer Lagen benötigt werden. Zu den Aufgaben der MTF im Zivilschutzfall und der länderübergreifenden Katastrophenhilfe gehören:
- die Dekontamination von Verletzten,
- der Aufbau und Betrieb eines Behandlungsplatzes und
- der Patiententransport.
- Aufbau und Betrieb einer oder mehrerer Patientenablage(n),
- Aufbau und Betrieb einer Sichtungsstelle vor einem Krankenhaus,
- Aufbau und Betrieb einer Dekontaminationsstelle für Verletzte vor einem Krankenhaus,
- Aufbau und Betrieb einer oder mehrerer Unfallhilfsstellen.
Bundesweit wurden 61 Medizinische Task Force aufgestellt. Die MTF in Kassel war einer der Pilotstandorte, an denen das Konzept für die MTF entwickelt wurde.
Weitere Informationen zu diesem Thema gibt es auf der Internetseite des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe unter
https://www.bbk.bund.de/DE/Themen/Gesundheitlicher-Bevoelkerungsschutz/Sanitaetsdienst/MTF/mtf_node.html (pm)