Neue Zukunft für die Gesundheitsversorgung?
HESSISCH-LICHTENAU. Am Samstag hat nh24 im Rahmen der Berichterstattung über eine Betriebsversammlung bei Asklepios berichtet, dass dort mitgeteilt wurde, der Lichtenau e. V. sei im Gespräch mit dem Landkreis, um in Melsungen ein intersektorales Gesundheitszentrum zu entwickeln. Bereits das Hospital in Fritzlar und Gesundheit Nordhessen haben keine Lösung gefunden.
Heute hat sich Geschäftsführer Matthias Adler aus Hessisch Lichtenau gemeldet: „Die Gespräche des Landkreises zur Zukunft des Krankenhauses Melsungen haben wir als Nachbarn beziehungsweise als ambulanter Anbieter vor Ort in den letzten anderthalb Jahren ausschließlich aus der Presse verfolgt. So haben wir auch von den Verhandlungen mit den Kollegen in Fritzlar beziehungsweise Kassel erfahren. Mit uns wurden bis dato keine konkreten Verhandlungen zur Übernahme der Klinik geführt. Aufgrund dessen haben und hatten wir keinerlei Einblick in relevante Daten und Verträge. Derzeit befinden wir uns lediglich am Anfang von sondierenden Gesprächen, um eine mögliche Unterstützung abschätzen zu können.“
Vorhandene Ressourcen nutzen
Die bisherigen Überlegungen, so Adler, berücksichtigten im Grundsatz vielmehr die vorhandenen, aktuellen Ressourcen, die in Hessisch Lichtenau vorgehalten werden, sowie eine Erweiterung der bereits durch den Lichtenau e.V. begonnenen ambulanten Versorgung in Melsungen. Zudem sei der aktuelle politische Diskurs auf Bundes- und Landesebene zur zukünftigen Struktur des Gesundheitswesens zu berücksichtigen.
„Seit 2021 haben wir unseren Standort in Hessisch Lichtenau personell und strukturell weiterentwickelt und ausgebaut“, erläutert der Klinik-Geschäftsführer, „insbesondere in der Geriatrie/Altersmedizin, der Akut- und Notfallmedizin, der Allgemeinchirurgie und der Unfallchirurgie. Auf Grund der durch uns vorgehaltenen Ressourcen und Strukturen ist der Schwalm-Eder-Kreis vor einigen Wochen auf uns zugekommen, um gemeinsam zu eruieren, wie wir zu einer Verbesserung der medizinischen Versorgung in Melsungen beitragen können.
Für wirtschaftliche Betrachtung sind weitere Planungen notwendig
Ein Grundsatzpapier wurde erstellt und in der letzten Woche an den Schwalm-Eder-Kreis übermittelt. „Wir sehen die Vorschläge als konsequente Weiterentwicklung unserer ambulanten Angebote vor Ort und verstehen unser Papier als vernetzende Brücke zu den stationären Angeboten in Hessisch Lichtenau.“ Es obliege nun der weiteren Diskussion mit dem zuständigen Ministerium, der kassenärztlichen Vereinigung Hessen und den Krankenkassen, ob und in welchem Umfang die Versorgungsideen realistisch werden könnten. Erst danach könne die übliche kaufmännisch und rechtliche Prüfung erfolgen, auf deren Basis dann grundsätzliche Gremienentscheidungen eingeleitet werden können.
Strukturdebatte auf Bundesebene hat Auswirkungen
Abschließend erklärt der Geschäftsführer der Orthopädischen Klinik Hessisch Lichtenau gGmbH und MVZ LICHTENAU gGmbH sowie Kaufmännischer Vorstand von LICHTENAU e.V.: „Insgesamt soll unser Grundsatzpapier die Ergebnisse der bundesweiten „Ambulantisierungsdebatte“ berücksichtigen und gleichzeitig eine zukunftsfähige, moderne, vernetzte und telemedizinische Versorgung in der Region gewährleisten. Wir bitten um Verständnis, dass wir derzeit zu den konkreten Inhalten keine konkreten Angaben machen können, da noch nicht absehbar ist, wie die Reaktionen des HMSI, der KVH und der Krankenkassen ausfallen werden. Es ist daher erforderlich, dass zunächst diese grundsätzliche, inhaltliche Diskussion mit allen Beteiligten geführt werden kann, denen die Planungshoheit obliegt. Zudem muss parallel auch die Strukturdebatte auf Bundesebene noch finalisiert werden. Erst nach diesen Diskussionen und Debatten kann eine seriöse Berechnung und Beurteilung erfolgen.“
Schließlich betont Adler, es sei selbstverständlich, dass die stationären Angebote in Hessisch Lichtenau auch weiterhin den Patienten aus dem Schwalm-Eder-Kreis offenstehen. Durch den Ausbau am Standort Hessisch Lichtenau würden auch weiterhin personelle Ressourcen aufgebaut und benötigt.
Zum Hintergrund:
Die Leistungen im Krankenhausbereich unterliegen seit Jahrzehnten der bundesweiten Ordnungspolitik des BMG sowie der Landeskrankenhausplanung. Insbesondere in den letzten zwanzig Jahren hat der Gesetzgeber den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) mit rechtlichen und strukturellen Kompetenzen ausgestattet und wirkt über den G-BA auf die Strukturen und Prozesse im Gesundheitswesen ein. Dabei erstrecken sich die Kompetenzen auch in den ambulanten Sektor hinein. Vornehmlich in sensiblen Bereichen bei der Versorgung von vulnerablen Patienten wie in der Unfallchirurgie, Notfallmedizin und bei elektiven Eingriffen gelten die Qualitätsvorgaben des G-BA. 1 Dies betrifft zum Beispiel seit mehr als 15 Jahren Mindestmengen zur Implantation von Kniegelenk-Endoprothesen. In den letzten Jahren sind Vorgaben zur gestuften stationären Notfallversorgung hinzugekommen. In Kürze treten Qualitätskriterien zur Versorgung von Hüftgelenknahen Femurfrakturen in Kraft. Für beide Themenbereiche ist die Vorhaltung von personellen Ressourcen im Bereich Akut- und Notfallmedizin sowie Geriatrie erforderlich.
Die Orthopädische Klinik Hessisch Lichtenau gGmbH unterhält seit 01.07.2022 eine eigene Abteilung für Geriatrie / Altersmedizin, mit dem Schwerpunkt Alterstraumatologie und Orthogeriatrie. Diese wird von Chefarzt Oliver Groß (Facharzt für Innere Medizin, Geriatrie) und der leitenden Oberärztin Sirii Seraphin (Fachärztin für Innere Medizin und Allgemeinmedizin, Geriatrie, Notfallmedizin, Palliativmedizin) geleitet. Aktuell verfügt die Abteilung über 10 Betten, ein weiterer Ausbau auf 20 Betten ist in 2023 geplant. Patienten mit akuten und chronischen altersmedizinischen sowie geriatrisch-frührehabilitativen Problemstellungen erfahren hier eine kompetente Betreuung. Es wird eine besondere geriatrische Spezialisierung im Bereich der Chirurgie, Unfallchirurgie, Orthopädie und Schmerzmedizin vorgehalten. Die Versorgung von neuro-geriatrischen und gerontopsychiatrischen Patienten obliegt weiterhin den umliegenden geriatrischen Abteilungen.
Weitere Neuerung der Klinik in Hessisch Lichtenau ist seit 01.07.2022 die Etablierung eines Zentralen Notaufnahme unter Chefarzt Michael Kind (Facharzt für Allgemeine Chirurgie, Akut- und Notfallmedizin, Rettungsdienst). Neben den gewohnten Fragestellungen zu orthopädischen und unfallchirurgischen Fragestellungen werden die Patienten, Angehörigen und Rettungsdienste nun auch bei Fragestellungen und Problemen der Akut- und Notfallmedizin in und rund um den Schockraum umfassend und kompetent betreut. Bereits zu Beginn des Jahres 2021 wurde in Hessisch Lichtenau die allgemeinchirurgische Versorgung ausgebaut. Dr. med. Urs Schöffel (Facharzt für Allgemeine Chirurgie und Viszeralchirurgie, Notfallmedizin) steht als Leiter der Allgemein- und Viszeralchirurgie nunmehr nicht mehr ausschließlich nur für elektive chirurgische Eingriffe zur Verfügung, sondern erweitert das Spektrum in Hessisch Lichtenau um auch die operative allgemeinchirurgische akute Notfallversorgung, z.B. Blinddarm-, Gallenblasenoperationen, Weichteil-, Bruch- und Verwachsungsoperationen.
Zum 01.10.2022 hat die Klinik in Hessisch Lichtenau die stationäre Durchgangsarzt-Versorgung der Berufsgenossenschaftlichen Unfallversorgung (BGUV) regelhaft wieder aufgenommen. Das Team um Chefarzt Tobias Radebold (Facharzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie) steht damit wie gewohnt weiterhin ambulant, aber nunmehr auch stationär für die Versorgung von Arbeits- und Berufs- und Wegeunfällen zur Verfügung. Neben Chefarzt Radebold, der neben der Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie auch die Zusatzbezeichnung Handchirurgie führt und in diesem Bereich eine besondere Expertise aufweist, verfügen auch der Leitende Oberarzt Dr. med. Valentin Stoltefaut und Oberarzt Dr. med. Dennis Kornmann über die Zusatzbezeichnung Spezielle Unfallchirurgie. Das Team versorgt nicht nur die BGUV-Fälle, sondern auch alle unfall- und handchirurgischen Patienten, traumatologische Notfälle und steht darüber hinaus auch bei Problemstellungen zur Revisionschirurgie, rekonstruktiven und Wiederherstellungschirurgie als Ansprechpartner zur Verfügung.
Die MVZ LICHTENAU gGmbH, als Tochtergesellschaft der Orthopädischen Klinik Hessisch Lichtenau gGmbH, hat im Herbst 2021 eine Zweigpraxis des MVZ OCP Kassel in der Fritzlarer Straße 34 in Melsungen eröffnet. Das ambulante Praxisteam bietet dort an vier Tagen Sprechstunde für die örtliche und regionale Bevölkerung an und steht als Anlaufpunkt bei allen orthopädischen, unfallchirurgischen und schmerzmedizinischen Fragestellungen zur Verfügung. Räumlich bedingt kann eine Versorgung von Arbeits-und Berufs- und Wegeunfällen der derzeit rund 17.000 Beschäftigten bzw. Schulen und Kitas nicht vor Ort in Melsungen angeboten werden. Diese Fälle können aktuell nur in der Hauptpraxis in Kassel-Bettenhausen bzw. in der Orthopädischen Klinik Hessisch Lichtenau versorgt werden. (pm | rs)