SCHWALMSTADT (wal). Der Bach Gers, der seine Quelle im Knüll nordöstlich von Frielendorf-Schönborn hat und zwischen Schwalmstadt-Allendorf und Neuental-Schlierbach in die Schwalm mündet, wurde innerhalb der letzten Jahren zwischen Schwalmstadt-Rörshain und Schwalmstadt-Allendorf in einem kurzen Abschnitt renaturiert. Die Renaturierung begann im Jahr 2009 mit einem „Unfall“.
Vor rund 12 Jahren baggerten Mitarbeiter des Schwalmstädter Bauhofs die Gers verbotenerweise aus, berichtete Schwalmstadt Bauamtsleiter Alexander Inden am Montagvormittag. Aus der unerlaubten Maßnahme holte dann die Verwaltung, in Absprache mit Leuten der „Unteren Wasserschutzbehörde“ beim Landkreis, die Kuh vom Eis und hatte die Idee, die Baggerarbeiten in eine Renaturierungsmaßnahme umzuwandeln, genauer gesagt zu erweitern. Im Jahr 2012 erhielten die betroffenen Landwirte ein Vorankündigung von Bürgermeisters Wilhelm Kröll, gleichzeitig wurde ein Landschaftsplaner beauftragt. Die ersten Vermessungsarbeiten folgten im Jahr 2013. Etwa ein Jahr später stand der Tauschplan der Stadtverwaltung mit den betroffenen Landwirten fest. Laut Inden waren etwa 20 Parteien an den Verhandlungen beteiligt. Anschließend folgten die Aufstellung der Finanzierung für die WiBank sowie eine Kampfmittelsondierung, bei der knapp 260 „verdächtige“ Objekte ausgemacht werden konnten. Kein Verdachtsfall sollte sich bestätigen, sagte Alexander Inden. Im Jahr 2018 bekam die Stadt den Bewilligungsbescheid, ein Jahr später, nach einer Ausschreibung, hatte eine Baufirma den Auftrag für die bevorstehenden Maßnahmen.
Stadtbauamtsleiter Alexander Inden, Dr.-Ing. Reiner Braun und Oliver Spohr von der Weber-Ingenieure GmbH sowie Dr. Christian Henschke vom Regierungspräsidium Kassel erläuterten das Projekt und dessen Ziele. Finanziert und betreut hat die Maßnahme, die bislang auf den Bereich der Stadt Schwalmstadt begrenzt ist, die „Obere Naturschutzbehörde“ des Regierungspräsidiums (RP) Kassel, weswegen am Montag auch Regierungspräsident Mark Weinmeister und Schwalmstadts Bürgermeister Stefan Pinhard das Projekt besichtigten.
Im Bereich Frielendorf fließt die Gers, wie seit rund 300 Jahren, nahezu gerade auf die Schwalm zu. Das Gewässer ist dort eingepfercht und ähnelt eher einem Kanal, als einem natürlichen Bachlauf. Sie hat grabenartige Strukturen ohne Uferbewuchs, einen gestreckten Lauf ohne Kurven und ein monotones Strömungsbild. Die jetzt abschlossen Baumaßnahmen haben das Ziel, die ökologischen Funktionen der Gers wiederzubeleben, die bei den Begradigungen und Auewaldrodungen verloren gegangen sind. Die Fließgeschwindigkeit ist gesunken und im Gegenzug stieg die Grundwasseranreicherung. Durch die Renaturierung erhöht sich zudem die Strukturvielfalt im Gewässer: Der Sauerstoffeintrag steigt stetig und die Selbstreinigungskraft verbessert sich. Flussorganismen, die bislang in der Gers praktisch nicht vorhanden waren, können in kühlere Gewässerabschnitte wandern. So profitieren viele Pflanzen und Tiere, die von den Folgen des Klimawandels negativ betroffen sind.
„Wir gewinnen lebendige, artenreiche Gewässer zurück, die zudem im Hochwasserfall natürliche Rückhaltsräume bieten“, so Weinmeister. Die Förderung des ersten Bauabschnitts erfolgte aus dem Landesprogramm „Gewässerentwicklung und Hochwasserschutz“ und der zweite Bauabschnitt aus Mitteln des „Integrierten Klimaschutzplan Hessen“. Insgesamt flossen rund 500.000 EUR in die Maßnahmen, die beiden Abschnitte zwischen Rörshain und Michelsberg sowie Allendorf.
„Die Baumaßnahmen hatten einen langen Planungs- und Ausführungszeitraum. Das hat meine Bauverwaltung viel Energie gekostet. Das Ergebnis kann sich aber wirklich sehen lassen. Wasserökologie, Natur- und Klimaschutz sind für uns alle heute von essenzieller Bedeutung. Deshalb werden wir als Stadt auch künftig solche Maßnahmen weiter umsetzen. Zudem möchte ich mich bei allen Beteiligten – insbesondere den Landwirten und Landeigentümern – ganz herzlich für die hervorragende Zusammenarbeit bedanken“, resümierte Schwalmstadts Bürgermeister Pinhard das Projekt.
Die Gers ist ein etwa 10 Kilometer langes Gewässer, das in den Ausläufern des Knülls entspringt und bei Allendorf in den Fluss Schwalm mündet. (wal)