Ex Stiltskin-/Ex Genesis-Sänger in Willingshausen
WILLINGSHAUSEN. Das Leben besteht aus wahrgenommenen und verpassten Gelegenheiten – wofür auch immer. Wer den Auftritt von Ray Wilson am Freitagabend in der Antreffhalle Willingshausen verpasst hat, hat zumindest ein bereicherndes, eindrucksvolles Konzertereignis nicht wahrgenommen. Zum Start einer Veranstaltung von „Die Schwalm rockt“ ist die Steven Stealer Band „gesetzt“.
Steven Stealer zum Vorwärmen
Was kann man über die Steven Stealer Band Neues sagen? Sie sind und bleiben als Cover-Band das Maß aller Dinge. Neu war Bianca van Kemenade, die für Locomotive Breath mit ihrer Querflöte die große Bühne betrat. Davor gab’s „Eye of The Tiger“, „Wish You Were Here“, „School“ oder „Perfect Strangers“. Wie immer perfekt, nah am Original und trotzdem SSB. Ich wiederhole mich gerne.
Steven Stealer Fotos:
Zum Start des Ray Wilson-Gigs war am Freitagabend „There Must Be Some Other Way“ zu hören, ein Titel, den Ray bei Genesis gemeinsam mit Tony Banks und Mike Rutherford geschrieben hat und der nicht nur passend für den Auftakt, sondern symptomatisch ist für die musikalische Rolle des geradlinigen Schotten.
Es ist völlig unerheblich, ob jemand den Sänger und Gitarristen von Stiltskin, von Genesis oder von seinen Solo-Projekten kennt, schließlich ist es immer Ray Wilson. Da er „nur“ diese drei Dinge bisher gemacht hat (außer der Schulband Guaranteed Pure, die keiner kennt), ist er mit sehr unterschiedlichen „Etiketten“ identifiziert“. Also: Der urwüchsige Typ, der mit „Inside“ (von Stiltskin) jahrelang in der Werbung für Levi‘s gesungen hat, aber auch der Guy, der da war, als Phil Collins keinen Bock mehr auf das Projekt Genesis hatte und 1996 lieber Solo unterwegs war. Aber nur so lange, bis es Phil gewurmt hat.
Von der Kunst des Dreiklangs zum Einklang
Für Wilson, den Sänger mit der charismatischen Ausstrahlung, ist es folglich nicht leicht, drei sehr unterschiedliche Musikstile unter einem Markennamen zusammenzufassen. Wohl nicht ohne Grund heißt seine Live-Doppel-CD „Time & Distance“. Sie dient als „Referenz“ für viele Konzerte. Unübersehbar steht auf der Bühne ein Musiker, der nicht viel Worte macht, sondern über seine Musik, seine Ausstrahlung, seine Gestik und Mimik mit dem Publikum kommuniziert. Das tut er übrigens sehr deutlich und klar. Ich persönlich habe in den letzten 30 Jahren kaum einen Musiker erlebt, der so intensiv ohne Worte mit einem Fotografen „spricht“. Die wenigen Zuhörer in Willingshausen haben eine starke Bühnenpräsenz, ein druckvolles Konzert, eine harmonische Band und eine unglaubliche Nähe aus der musikalischen Interpretation zum Publikum erlebt.
Dabei gelingt es Ray Wilson zusammen mit seiner Band, dank der – für alle drei bereits einmal eingeschlagenen musikalischen Wege untypischen – Instrumental-Besetzung, einen eigenen Stil, eine unverwechselbare musikalische Einzigartigkeit zu erschaffen. Der Stil lebt wirklich von der Bandbesetzung:
- Ray Wilson – Vocals/Guitar
- Steve Wilson – Vocals/Guitar
- Kool Lyczek – Piano/Keyboards
- Marcin Kajper – Bass, Saxophone, Flute, Clarinet
- Mario Koszel – Drums and Percussion
- Alicja Chrząszcz – Violin
Wenn aus seiner Zeit bei der Independent Band Stiltskin mit schottischen Anleihen, dem Ausflug in den symphonischen Rock von Genesis, gepaart mit dem eigenen Stil aus Folk und Pop, eine Fusion mit echtem Wiedererkennungsmerkmal entsteht, dann über Violine, Saxofon (beide gab es in den anderen Bands nicht), Querflöte (gab es bei Genesis nur mit Peter Gabriel) und die markante Stimme von Ray. Damit steht Ray Wilson für etwas, was ihn vielleicht nicht mehr zum Weltstar macht, aber ausgesprochen individuell ist und das Maximum aus der miserablen Rolle holt, derjenige zu sein, der als Pausenfüller etwas durfte, was der große Phil nie und anderen beiden von Genesis zu wenig ernst genommen haben.
Ein bisschen Lebenshilfe auf der Reise durch die (Schaffens-) Zeit
„Take it slow“ erzählt von den Dingen, die so kommen, wie sie kommen müssen, wenn man ihnen die Zeit lässt, weil das Leben nicht immer das ist, was es ist. Und „Lemon Yellow Sun“ dreht sich um die Dinge, die Dich im Leben finden. „Carpet Crawlers“ klang bei Phil Collins immer wie ein Cover-Song. Ray Wilson hat es mit einem anderen Ex-Genesis-Musiker, dem Gitarristen Steve Hackett, neu eingespielt. Es kling gut, passt, aber der letzte Funke fehlt… Trotzdem: Enorm druckvoll und mehr als solide. Manche Dinge muss man einfach verändern, ersetzen, ergänzen. Also: „Another Day in Paradise“ (Phil Collins), Another Cup of Coffee (Mike & The Mechanics). Auch wenn ich finde, dass es extrem schwer ist, Peter Gabriel zu covern, bietet sich Solsbury Hill schon deshalb an, um den Titel endlich mal richtig zu schreiben und zum anderen, weil es Gabriels leicht ironischer Rückblick auf die Genesis-Zeit war und zugleich die Beschreibung eines inspirierenden Ortes. Das war die Antreffhalle am Freitag auch.
Nach der Pause: „Calling All Stations“, der Titelsong „seines“ Genesis Albums, das völlig unterbewertet ist, wenn man nur die Verkaufszahlen sieht. Er geht unter die Haut! Es folgt ein kleiner Ausflug zu David Bowie: „Heroes“. Ein Meisterwerk, das gut gecovert werden darf. Haben genügend andere weniger gut gemacht! „In The Air Tonight“? OK!
Die Wendepunkte im Leben
Eines der schönsten Lieder ist „Alone“. Es beschreibt die Wendepunkte im Leben, wenn nichts bleibt, außer dem Selbst und zur Erkenntnis gelangt, dass alles richtig ist und nicht falsch. Auch dann nicht, wenn man neu anfangen muss. Entscheidend ist, was wichtig ist. So, wie Ray Wilson seinen eigenen Text zur eigenen Musik singt, klingt es, als habe ihn die Erfahrung gelehrt, was es bedeutet. Und wenn nicht, dann kennt er eine Lösung: „Wenn Du Musik liebst, bist Du nie Allein!“
„Follow You Follow Me“ bei mir nie gezündet, auch Freitagabend nicht. Musik bleibt erfreulicher Weise Geschmackssache. „American Beauty“, zieht unweigerlich mit und „Land of Confusion“ passt einfach.
Die Schar der Fans forderte energisch Zugabe. Das Medley aus „Im on Fire“, „Blowing in The Tind“, „Knocking on Heavens Door“ war denn auch zum Mitsingen und zeigt ein bisschen Wilsons musikalische Heimat. Als allerletzter Song schließlich „Inside“, der Titel, den man von Ray Wilson auch kennt, wenn man Genesis nicht mag. Fazit? Mit dem, was Ray Wilson aus allen seinen Gaben und vergangenen Projekten macht, hat er jede Chance genutzt. Beim nächsten Mal besser nicht verpassen …
Die Schwalm rockt weiter
Thorsten Laabs (www.die-schwalm-rockt.de) hat Ray Wilson nach Willingshausen geholt, genauso wie einen Tag später Chris Norman. Am 12. November spielen The Sweet in der Kulturhalle in Schwalmstadt-Ziegenhain, die allmählich zu Andy Scotts Schwälmer Wohnzimmer wird. (Rainer Sander)
1 Kommentar
Endlich wieder mal ein super Wochenende !!
Die beiden Konzerte am 9.9.22 und 10.9.22 waren ein voller Erfolg. Danke an Herrn Laabs und alle die an den beiden Abende für diese beiden Konzerte zuständig und im Einsatz waren !!!!
Einziger Punkt war die verspätete Einlasszeit am Samstag Abend. Und was aufgefallen ist dass einige fehlgeleiteten Frauen sich benommen haben wie eine wilde Horde.
Sie beleidigten und bedrängten das Sicherheitspersonal und ihr Verhalten war unterirdisch. Einige dieser Frauen waren schon Samstag mittags aufdem Gelände und haben nur Stress gemacht.Der Sicherheitsdienst hat einen sehr guten Job gemacht das hat auch der Manager und selbst Chris Norman bestätigt.Diese Menschen sollten sich schämen solche Unwahrheiten zu verbreiten !!
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