ABENTEUERLAND. „Wo sind all die Indianer hin? Wann verlor das große Ziel den Sinn? Dieses alte Bild aus der Kinderzeit zeigt alle Brüder vom Stamm der Gerechtigkeit … mit wildem Schrei stand jeder stolze Krieger den Schwachen bei. Unser Ehrenwort war heilig, nur ein Bleichgesicht betrog … So wie Chingachgook für das Gute stehen, als letzter Mohikaner unter Geiern nach dem Rechten sehen … Wie viel Träume dürfen platzen, ohne dass man sich verrät? … Es gibt noch ein paar wenige … die erkennen sich am Blick …“
Und jetzt schauen wir alle in Gedanken Hartmut Engler von Pur in die Augen und sagen mit einem Tonfall tiefster Überzeugung: „Du billiger Rassist!“ Merken Sie was? Das geht nicht! Ich krieg’s nicht hin! Weil dieser Text, den (nicht nur) ich 1993 zum Radio laut mitgesungen habe, so erstaunlich viel Tugendhaftes, Wertschätzendes und Antirassistisches wiedergibt. Dazu passen das Wort des Jahres 1993 „Sozialabbau“ und das Unwort des Jahres 1993 „Überfremdung“.
Ich kann verstehen, warum das „I-Wort“ so heikel ist. Die Begründung: Es ist eine Wortschöpfung von außen für eine Gruppe von Menschen in einem bestimmten Lebensraum, der noch dazu auf einem wissenschaftlichen Fehler beruht. Mit dem Begriff stehen zusätzlich viele rassistische Menschenrechtsverletzungen und ein Genozid in Verbindung. Außerdem wird klischeehaft romantisiert.
Sie kennen die Geschichte: Columbus wollte nach Indien, wähnte sich in Indien, traf auf Menschen, die für sich selbst keinen Begriff kannten und nannte sie konsequent Indianer. So würden wir heute Marsmenschen Marsianer nennen, wie wir alle Nicht-Erdbewohner schon mal – aus erdzentrierter Sicht – als „Außerirdische“ bezeichnen „ETs“ (ExtraTerrestrisch) eben. Sollte es welche geben und wir in ein paar Jahrzehnten oder Jahrhunderten friedlich nebeneinander leben, werden wir die Anfänge dieser Beziehung also auch als rassistisch wahrnehmen. Wobei ich den Begriff rassistisch schon rassistisch finde, denn bei Menschen gibt es keine verschiedenen Rassen. Der Rasse-Begriff findet tatsächlich nur noch im Zusammenhang mit Züchtungen und Zuchtmerkmalen offiziell Verwendung.
Wenn wir anfangen, wissenschaftliche Fehler bei Namensgebungen zu beklagen: Eine der berühmtesten ist Jehova. Der Name einer Religionsgemeinschaft basiert auf einem Übersetzungsfehler, der – wider besseres Wissen – fortgesetzt ignoriert wird. Wenn wir bemängeln, dass Wortschöpfungen von außen erfolgen, dann betrifft eine der ältesten dieser Art uns selbst. Noch immer sagt die Welt „Germany“ in Anspielung auf Germanien. Dass „die“ Germanen unsere Vorfahren sein könnten, scheitert am Umstand, dass es nicht nur die Indianer nicht gab, sondern auch die Germanen nicht. Es gab Sioux oder Apachen und Chatten oder Cherusker. Auch hier war ein Eroberer, nämlich Julius Cäsar, der alleinige „Namensgeber“. Er stiftete gleich zwei kolonialistische Volksbezeichnungen. Die besiegten Stämme Westeuropas wurden zu Kelten (die sich selbst auch nie als solche bezeichnet haben) und die unbesiegten Barbaren zu Germanen.
Zumindest diejenigen, die sich als Nachfahren der germanischen Stämme fühlen, sind genauso betroffen wie die American Natives. Arminius, der Held der Varusschlacht, wollte jedenfalls genauso wenig Germane und Vercingetorix ebenso ungern Kelte sein, wie Sitting Bull Indianer sein wollte. Das haben Cherusker, Averner und Sioux gemeinsam.
Und was die romantische Verklärung in Büchern und Filmen betrifft? Ich überlege gerade, was wir mit Goethe machen, der im Faust den Teufel verharmlost: „Ich bin ein Teil von jener Kraft, die stets das Böse will und stets das Gute schafft.“ Was ist mit der Realitätstreue bei den Israeliten in der Bibel, die 40 Jahre für 400 Kilometer benötigten? Also keine 3 Meter pro Tag schafften. Wo bleibt die Faktentreue bei Weihnachtsmann und Christkind, die beide auf reale Personen zurückgehen? Wie steht es um die naturwissenschaftliche Korrektheit der Hundedarstellung in PawPatrol oder der Rolle der Einhörner in My Little Pony? Darf man den Herrn der Ringe lesen oder ansehen, in dem Zwerge (Kleinwüchsige) verunglimpft und die evidenzbasierte Medizin durch Zauberer infrage gestellt wird? Gandalf hätte kaum gegen Corona geimpft. Also: Wo ziehen wir Grenzen?
Es gibt kein Land der Welt, das Rassismus nicht verbieten würde. Trotzdem findet er statt. Und es hat ihn zu jeder Zeit gegeben. Der Kunst etwas zu verbieten oder sie moralisch unter Druck zu setzen, war schon immer heikel. Was rechtfertigt es, Bücher und Filme, Kunst und Künstler zu verdammen? Wie gehen wir Allegorien um, in denen wir behaupten „mehr Indianer und weniger Häuptlinge“, wenn wir flache Strukturen meinen?
Eine Ächtung oder ein Verbot von „Indianer“-Filmen oder Büchern wird keinen einzigen Rassisten umstimmen. Nur weil etwas nicht mehr gezeigt wird, ist es nicht weg. Wir wissen, dass nichts ohne sein Gegenteil wahr sein kann. Wir bekämpfen seit Jahrtausenden die Krankheit und die Gesundheit lässt gleichzeitig nach. Es gibt das eine nicht ohne das andere. Gleichwohl können wir gesund leben. Wir bekommen die Berge nicht ohne Täler und Tage nicht ohne Nächte. Den Nordpol nicht ohne Südpol und Liebe genauso wenig ohne Hass wie einen Magneten ohne Minuspol. Man kann ihn höchstens komplett entmagnetisieren.
Wir können aber selbst bestimmen, ob wir uns mit Liebe begegnen oder mit Hass. Es ist naiv zu glauben, man könne „Das Böse“ eliminieren, indem alles, was heikle Weltbilder zeichnet, aus dem Alltag verschwindet. Ohne Sonne gäbe es kein Leben auf dieser Erde. Ausschließlich mit Sonne aber auch nicht. Nur noch Sonne schafft die Wüste …
In einer Welt, die keinen Rassismus mehr kennt, gibt es auch keine Haltung mehr gegen Rassismus. Das wäre gefährlich, wenn wir den Rassismus tatsächlich nicht besiegen würden. Was wir immer unternehmen können, ist, über problematische Sichtweisen zu reden und Dinge zu erklären, damit auch Kinder lernen, sie einzuordnen. Wenn aus Purs Liedtext am Ende übrig bleibt, dass der Starke dem Schwachen beisteht, egal ob rot, schwarz, gelb oder weiß, wäre das Ziel schneller erreicht …
Ihr
Rainer Sander
4 Kommentare
Bleibe dabei, Cannabis als Heil und Nutzpflanzen zu benutzen ist richtig!
Zum inhalieren ist es echt zu gefährlich und die positiven Gehirnzellen werden, ja auch wie beim Alkoholiker, zerstört.
Wer so einen Text verfasst, hat oder hatte Probleme mit Drogen.
Ich gehe jetzt erst mal in meinem Tipi
Der Kommentar zeigt deutlich deine „überdurchschnittliche Intelligenz“ Leseverständnis gleich Null
Einer hat es treffend formuliert und damit später leider zutreffend formuliert.
https://www.nordstadtblogger.de/dort-wo-man-buecher-verbrennt-verbrennt-man-auch-am-ende-menschen-heinrich-heine/
Warum nur kriegen Eiferer immer so viel Zulauf ?
Was haben Christen denn rund um den Globus alles unter dem Zeichen des Kreuzes angerichtet !
Heute sind es wohl auch wieder in erster Linie Christen.
Gut auf den Punkt gebracht. Die Ächtung von Filmen und Büchern bewirken eher das Gegenteil. Die Menschen fühlen sich zu Recht doch eher als unmündige Personen, die nicht fähig sind sich ein eigenes Urteil zu bilden.
Kommentare wurden geschlossen.