Ministerpräsident auf Tour de Automobil
BAUNATAL | KORBACH. Das Kabinett ist südhessisch. Das ist ok, versetzt Kurhessen aber in Zurückhaltung. Dafür hat Ministerpräsident Boris Rhein Nordhessen inzwischen zur Chefsache erklärt, was es nicht besser macht. Es erinnert ein wenig an vergangene Zeiten, in denen man die armen Nordhessen, die sich nicht selbst kümmern können, liebevoll umsorgen musste.
Die „Eingeborenen“ in den Kolonien bekamen einst bunte Glasperlen. Immerhin: Das letzte Mal, als ein Ministerpräsident Nordhessen zur Chefsache erklärt hat, haben wir einen neuen Flughafen und das Güterverkehrszentrum bekommen. Was könnte der neue Ministerpräsident jetzt mitbringen, wenn er gerade auf zahlreichen Stationen durch die nördlichen Landesteile Kurhessen und Waldeck tourt?
Teil der Rundreise ist gleichzeitig die angekündigte Tour „Automobile Zukunft“. Sie hat mit einem Besuch im Reifen-Werk von Continental in Korbach begonnen. Gestern war VW in Baunatal an der Reihe.
Vor Ort ein Bild über die Situation machen …
„Für Hessen ist die Automobilindustrie inklusive ihrer Zulieferer von sehr großer Bedeutung. In unserem Land arbeiten 240.000 Menschen in Jobs, die direkt oder indirekt mit der Automobilindustrie zusammenhängen. Im Jahr 2020 sind daraus rund 20 Milliarden Euro an Bruttowertschöpfung entstanden“, sagte Rhein in Korbach. Gestern in Baunatal fügte er vor laufenden Fernsehkameras hinzu: „Volkswagen ist ein besonders wichtiges Werk als sehr großer Arbeitgeber und Technologietreiber.“ Der Abschied vom Verbrenner in kürzester Zeit, so der Ministerpräsident, sei eine große Herausforderung:
„Zugleich befindet sich die Automobilindustrie wegen der Elektrifizierung des Antriebs, der Automatisierung des Fahrens und der Vernetzung von Fahrzeugen in einem tiefgreifenden Transformationsprozess“, erläuterte der Ministerpräsident und fügte schon in Korbach hinzu: „Das bietet Chancen, fordert die Unternehmen aber auch heraus. Ich möchte mir vor Ort bei den Geschäftsleitungen, aber vor allem auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ein Bild von der Lage machen.“
Größte jemals vorgenommene Transformation
In Baunatal begrüßte Werkleiter Jörg Fenstermann den Ministerpräsidenten, der in Begleitung von Regierungspräsident Mark Weinmeister gekommen war. Beiden Gästen zeigte sich am Modell der elektromobilen Antriebseinheit, wie durchdacht die neue Technologie bei VW ist und zugleich, mit wie wenig Komponenten ein Elektroauto gegenüber dem Verbrenner auskommt. Markus Daniels von VW betonte, es sei die größte Transformation, die Volkswagen je vorgenommen habe.
Das ein E-Auto mit 200 Komponenten, gegenüber etwa 1000 in einem herkömmlichen Automobil auskommt, habe auch Auswirkungen auf die Belegschaft, so die Position des Ministerpräsidenten. Im Gespräch mit dem stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden Christian Wetekam, der sich über die Technologieentwicklung und Qualifizierung der Beschäftigten freut, betonte Boris Rhein, dass auch über die Zukunft der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nachgedacht werden muss. Es gehe nicht ohne sie.
Intensive Zusammenarbeit von VW und Universität Kassel
Mirko Wöllenstein und Nils Brücker verdeutlichten mit Aluminium-Guss-Teilen den technischen Vorsprung der Gießerei in Baunatal und die Zusammenarbeit mit der Universitär Kassel. Mit Software- und Halbleitern entstehe ein „Valley“, sagte Jörg Fenstermann in Anspielung auf das Silicon Valley in Kalifornien. Eine Kooperation, die auch für die Landesregierung wegweisend ist.
Schon in einer Presseerklärung hatte Rhein verlauten lassen: „Die Landesregierung will Partner der Unternehmen bei der Transformation sein. Wir unterstützen die Unternehmen beim Strukturwandel und auch dabei, neue Produkte, Prozesse und Geschäftsmodelle zu entwickeln und hier in Hessen zu produzieren. Wir schaffen die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige Energiebeschaffung und für eine leistungsfähige digitale Infrastruktur. Es ist nicht unsere Aufgabe zuzuschauen, sondern dazu beizutragen, Wohlstand, Arbeitsplätze, automobile Wertschöpfung und Innovationskraft auch in ländlichen Regionen zu sichern und die Klimaschutzziele zu erreichen.“
Kassel bildet gesamte Prozesskette ab
Nach einem Rundgang durch das Werk betonte Fenstermann. „Wir haben eine stark ausgeprägte Kompetenz in der Belegschaft, die wir kontinuierlich ausbauen. Wir bilden bei allen Produkten die gesamte Prozesskette von der Entwicklung, Planung über die Fertigung bis zur Qualitätssicherung ab. Das zeichnet uns in Kassel aus.“ Christian Wetekam hob in diesem Zusammenhang die hohe Kompetenz der Belegschaft und die große Flexibilität und Veränderungsbereitschaft im Transformationsprozess hervor.
Die Erkenntnisse aus der Tour „Automobile Zukunft“ sollen in einen „Strategiedialog Automobilwirtschaft“ münden. Sowohl die Tour als auch den Strategiedialog hatte der Ministerpräsident in seiner Regierungserklärung angekündigt. Eine Erkenntnis des Besuches in Baunatal (und Korbacher) könnte sein, dass Nordhessen ganz gut klarkommt und durchaus in der Lage ist, im Wandel den Takt anzugeben – auch ohne Posten im Kabinett. (rs)
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