Einigkeit trotz – oder wegen – Dauerkrisenmodus seit 7 Jahren
BAUNATAL. Die Stadtverordneten Baunatals verabschiedeten mit großer Mehrheit den ersten Nachtrag zum Doppelhaushalt 2022–2023. Udo Rodenberg (SPD) erkennt den ersten Nachtrag für Manuela Strube und den ersten für einen Doppelhaushalt als Folge weltweiter Geschehnisse, unter anderem erheblicher Verwerfungen im Wirtschaftsleben durch den Angriffskrieg in der Ukraine.
Außerdem gäbe es wieder mehr Coronainfektionen. Die Stadt stehe vor nochmals gewachsenen Herausforderungen. Lieferketten seien zerstört und weniger Gewerbesteuer eine Folge. Baunatal habe mit dem Freieilligen Haushaltskonsolidierungskonzept reagiert. Nun sei ein Nachtragshaushalt nötig. Er hätte sich für seine erste Haushaltsrede bessere Rahmenbedingungen gewünscht. Die Hessischen Gemeindeordnung fordert angesichts erheblicher Veränderungen einen Nachtrag.
Ein paar offensichtliche Gründe sind, dass auch Kinder aus der Ukraine Anspruch auf Kindergartenplätze haben. Folgerichtig wäre eine Entfristung von Stellen und die Schaffung weiteren Stellen. 80 Stellen sind in diesem Bereich neu entstanden.
Mehr Schlüsselzuweisungen verhindern Schlimmeres
Ungewöhnlich sind auf der anderen Seite hohen Schlüsselzuweisungen im Jahr 2022, die sogar noch einmal um 563.000 Euro auf nunmehr rund 9 Millionen Euro angestiegen sind. Trotzdem schrumpft das positive Ergebnis um 4,3 Millionen Euro auf nur noch 527.000 Euro. Baunatal müsse aber voraussichtlich nicht schon wieder tief in die bereits stark geschrumpfte Rücklage greifen.
Wenn man den Sondereffekt aus den Schlüsselzuweisungen neutralisiere, sei das Haushaltsjahr 2022 immer noch mit einem erheblichen strukturellen Defizit behaftet, sodass es weiter vordringliche Aufgabe bleibe, Einsparungsmöglichkeiten und Einnahmeverbesserungen zu erschließen. Ein weiterer Stellenabbau ohne betriebsbedingte Kündigungen funktioniere nur, wenn auch Aufgaben abgegeben werden können. Ein Ersatz durch Digitalisierung wir vermutet.
Baunatal kann sich immer noch mehr leiten als vergleichbare Städte
Baunatal könne sich immer noch doppelt so viel freiwillige Leistungen erlauben, wie andere Städte vergleichbarer Größenordnung. Die Förderung des Vereinslebens wolle man nicht antasten. Auch bei Musikschule und Kulturvereinen nicht. Tabu seien auch die Bildungskette und die Einsatzfähigkeit der Feuerwehr.
Der durchschlagende negative Effekt sei die um 9,1 Millionen Euro verminderte Prognose bei den Gewerbesteuereinnahmen. Sie sinken von 34,1 Millionen Euro auf nur noch 25,0 Millionen Euro. Der Hauptsteuerzahler VW hat leider weiterhin mit einem sehr schwierigen Umfeld zu kämpfen und das ausgerechnet in einer Zeit, in der mit dem Wandel hin zur Elektromobilität der größte Umbau in der Konzerngeschichte erfolgt.
Auch eine um 1,2 Millionen Euro höhere Kreis- und Schulumlage belastet den Nachtragshaushalt 2022 erheblich. Hier müsse sich der Landkreis zunehmend die Frage gefallen lassen, ob genügend getan wird,, die steigenden Kosten in den Griff zu bekommen.
Baunatalern geht es in der Summe nicht schlechter
Positiv ist eine um 2,16 Millionen Euro höhere Prognose für die Einkommens- und Umsatzsteuer, die zeigt, dass es den Baunataler in der Summe nicht schlechter geht, eine um 0,16 Millionen Euro höhere Prognose bei der Grundsteuer B und die um 3,0 Millionen Euro höheren Zinserträge bei Nachzahlungen von Steuern für vorangegangene Steuerjahre.
Mit der Ausweisung neuer Baugebieten im Rahmen des neuen Siedlungsrahmenkonzeptes im Zweckverband Raum Kassel sollen mittelfristig die Einnahmen aus der Grundsteuer B und der Einkommenssteuer weiter steigen. Die SPD werde dafür sorgen, dass der Einsatz erneuerbarer Energien angesichts des Klimawandels Priorität hat. Klimaschutz muss aber mit bezahlbarem Wohnraum vereinbar bleiben. Der Nachtragshaushalt sei ein gutes Zeichen, dass trotz schwieriger Lage die Lichter nicht ausgehen. Herausforderungen gelte es intelligent und mutig anzugehen.
Sebastian Stüssel: Ernst der Lage muss klar werden
Für Sebastian Stüssel (CDU) klingt das zwar noch positiv, aber es gäbe ein strukturelles Defizit. Darauf weist die CDU bei Haushaltsdebatten immer wieder hin. „Die fetten Jahre sind vorbei!“ Stüssel resümierte die Geschichte der Krise. 2015 begann es mit der Dieselkrise. Seitdem sei die Stadt im Krisenmodus. Es müsse aber immer besser laufen als geplant. „Die Reserven sind aufgebraucht. Es muss sich strukturell etwas ändern.“ Man habe Frau Strube und Herrn Jung zu Gast in der Fraktion gehabt. Das Resümee aus allem: Die Haushaltskonsolidierung sei zwar immer noch freiwillig, aber nicht mehr Kür, sondern Pflicht. Freiwillige Leistungen gehören ALLE auf den Prüfstand.
Damit aus Ernst keine Hoffnungslosigkeit wird, sei Disziplin der Stadtverordneten gefordert. Als Beleg führte er an: „Wir wären in einer schlechteren Lage, hätten wir eine Sportbadsanierung beschlossen“. Das Parlament habe im richtigen Moment gebremst. Stüssel setzt darauf, Einnahmen zu generieren. Die beschlossene Entgelterhöhung für die Stadthalle sei ein Beispiel. Die Gesellschaft müsse näher zusammenrücken und dafür der Ernst der Lage klar werden.
Dr. Rainer Oswald: Mehr Leistung erfordert mehr Eigenleistung
Dr. Rainer Oswald (FDP) versucht ebenfalls Entwicklungen zu antizipieren. Personal dürfe man nicht wieder entlassen, sondern müsse langfristig planen. Es sei ein Dilemma für die FDP, dass kaum noch Möglichkeiten bestehen, freiwillige Leistungen zu erbringen. Die Verwaltung liefert solide Zahlen. Das sind unangenehme Wahrheiten. Er sieht den Bürger nicht nur als Konsument von Leistungen. Es gelte vielmehr abzuwägen, ob eine Leistung nicht auch mehr Eigenleistung erfordert: „Nicht alles ist selbstverständlich. Alle wünschen sich andere Zeiten. Mehr ist nicht mehr möglich.“
Edmund Borschel: Nachtrag ist ein Zeichen – Kindergärten „freilassen“?
Edmund Borschel (B90/GRÜNE) will gesagtes nicht wiederholen oder kommentieren: „Ein Nachtragshaushalt ist immer ein Zeichen dafür, dass nachgesteuert werden muss!“ Es geht immer um das Warum und das Wie. Aber auch, „Wie stimmen wir ab?“ Man müsse verantwortungsbewusst entscheiden, um die Verwaltung handlungsfähig zu erhalten. GRÜNE stimmen schweren Herzens mehrheitlich zu, aber nur aus Verantwortungsbewusstsein. Die GRÜNEN erkennen mit dem Ziel einer nachhaltigen Behebung des Erzieherinnenmangels und der Installation von PV Anlagen auf städtischen Gebäuden sogar GRÜNE Politik, nicht ohne dabei ein Energiekonzept einzufordern. Auch er erwähnt das Sportbad, das am Ende nur noch die GRÜNEN neu bauen wollten und fragt pessimistisch, ob denn die Sanierungskosten wohl eingehalten würden.
Ob die Kindergärten auf von Freien Trägern betrieben werden könnten, fragt er und erzählt, auf welche Wünsche die GRÜNEN angesichts angespannter Haushaltslage verzichten. Trotzdem: „Nach dem Spiel ist vor dem Spiel“, weiß der Sportler Borschel, und kündigt an, dass seine Partei – wie in den letzten 40 Jahren – Baunatal weiterhin „bewegen“ wird. Die Stadt müsse sich neu aufstellen und Herausforderungen vorausschauend ökonomisch, ökologisch und sozial nachhaltig angehen.
Andreas Mock: Die Stadt muss nicht alles machen
Andreas Mock (CDU) sieht eine größere Offenheit bei bisher gesetzten Positionen. Jetzt, nach dem Wechsel an der Hausspitze, sei vieles offener und eine konstruktive Zusammenarbeit möglich. Er weiß auch, „wo wir wirklich ansetzen müssen“: Vereine und Ehrenamt dürfen keine direkten Einsparungen erfahren. Diese möchte er im Stellenkegel intensivieren. Die Corona- und Ukrainekrise offenbarten eine Krise der Einnahmen. Das strukturelle Defizit müsse grundlegend abgestellt werden: „Was können wir uns über den Durst und die gesetzlichen Regelungen leisten?“ Die freie Trägerschaft der Kindergärten werde ein Thema: „Es geht auch ohne die Stadt. Wir sind nicht die einzigen Äpfel und alle anderen Birnen.“ Er kritisiert auch die Kreis- und Schulumlage und fragt in diesem Zusammenhang: „Was wird aus den Kliniken, gelingt der Befreiungsschlag?“
Nachdem die Stadtverordneten den Nachtrag mit großer Mehrheit verabschiedet hatten, kommentierte Stadtverordnetenvorsteher Reiner Heine (SPD) mit den Worten: „Alle Ausschüsse arbeiten auf höchstem Niveau. Er konnte sich das vor ein paar Jahren so nicht vorstellen.“ (Rainer Sander)
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