KASSEL (wal). Das Regierungspräsidium in Kassel hat die Bilanz der für Hessen zuständigen zentralen Bußgeldstelle in Kassel für das Jahr 2021 veröffentlicht. Demnach hat die Behörde rund und 1,3 Millionen Verkehrsanzeigen bearbeitet – gut 55.000 mehr als im Jahr zuvor. Aus den verfolgten Ordnungswidrigkeiten flossen knapp 66.5 Mio. Euro in den Landeshaushalt.
Damit liegen die Zahlen nach einem Rückgang im Jahr 2020 wieder auf Vor-Corona-Niveau. Überhöhtes Tempo ist weiterhin der weit überwiegende Tatbestand.
Nach einer kurzzeitigen „Corona-Delle“ verzeichnete die Zentrale Bußgeldstelle (ZBS) für 2021 wieder steigende Anzeigenzahlen bei den Verkehrsverstößen in Hessen: Die Zahl stieg um 55.215 Fälle bzw. rund 4,3 Prozent auf 1.345.995 Anzeigen. Damit liege man wieder auf einem praktisch identischen Anzeigenniveau wie 2019, teilte Regierungspräsident Mark Weinmeister bei der Vorstellung der Bußgeldbilanz mit. „Mit dem allmählichen Nachlassen der Pandemie haben sich auch die Verkehrszahlen in Hessen wieder zurück in Richtung Normalität bewegt. Entsprechend war mit einem Anstieg der Verstöße zu rechnen. Polizei und Ordnungsbehörden haben ihre Kontrollfunktion auch 2021 ernst genommen, denn die Verkehrsüberwachung dient zuallererst der Sicherheit auf Hessens Straßen – und damit uns allen, die wir tagtäglich auf ihnen unterwegs sind“, so Weinmeister.
Anzeigeneingang
Von den rund 1,3 Millionen Verkehrsanzeigen entfiel der weit überwiegende Anteil erneut auf den Bereich der Geschwindigkeitsüberwachung: Rund 71 Prozent aller verfolgten Verkehrsverstöße sind auf Tempoüberschreitungen zurückzuführen. Als zweitgrößter Posten folgen die Halt- und Parkverstöße mit rund 15 Prozent Anteil. Der Anteil der Verfahren aufgrund von Verkehrsunfällen belief sich auf 5,57 Prozent. Bei 0,56 Prozent lag der Anteil der Verstöße gegen die Anschnallpflicht und bei 1,26 Prozent beim Handyverbot. Rotlichtverstöße umfassten einen Anteil von 1,13 Prozent, Verfahren wegen versäumter Hauptuntersuchung betrugen 1,48 Prozent. Der Anteil aller anderen Verkehrsverstöße lag unter einem Prozent. In rund zwei Drittel der Fälle (899.535 Anzeigen, 66,83 Prozent) handelte es sich um geringfügige Verkehrsverstöße mit einer Regelgeldbuße bis 55 Euro. 186.468 dieser geringfügigen Verkehrsverstöße waren zuvor bei den örtlichen Ordnungsbehörden anhängig und wurden nach erfolgloser Verwarnung an die Zentrale Bußgeldstelle übergeleitet. Die Zahl der angezeigten schwerwiegenden Verkehrsverstöße mit einer Regelgeldbuße ab 60 Euro belief sich auf insgesamt 446.460. 26,98 Prozent (120.491) der schwerwiegenden Anzeigen wurden von den örtlichen Ordnungsbehörden aufgenommen.
Von den betroffenen Personen waren
- 0,04 Prozent bis 17 Jahre alt,
- 1,09 Prozent zwischen 18 und 20,
- 4,18 Prozent zwischen 21 und 24,
- 16,62 Prozent zwischen 25 und 34,
- 17,29 Prozent zwischen 35 und 44,
- 18,34 Prozent zwischen 45 und 54,
- 15,36 Prozent zwischen 55 und 64 und
- 8,65 Prozent 65 Jahre und älter.
- bei 18,43 Prozent liegt keine Altersangabe vor.
Weitere Einzelheiten aus der Bußgeldbilanz:
- Die Polizei erstattete insgesamt 34.839 Verkehrsunfallanzeigen.
- 3.536 Verfahren wurden wegen Fahrens unter Alkohol- oder Drogenkonsum eingeleitet.
- 28 Verfahren entfielen auf Fahranfängerinnen/-anfänger, für die ein absolutes Alkoholverbot gilt.
- In 311 Fällen wurden verschärfte Sanktionen wegen wiederholten Fahrens unter Alkohol- und Drogeneinfluss verhängt.
- 212 Anzeigen betrafen Gefahrgutverstöße.
- 50 Verstöße gegen das Güterkraftverkehrsgesetz wurden verzeichnet.
- In 4.221 Fällen hat die Polizei bei ihren Kontrollen Sicherheitsleistungen einbehalten.
- In 335 Fällen wurde ein erhöhtes Bußgeld erhoben, um einen durch Überladung und ähnliche Verstöße erzielten vermögenswerten Vorteil bei den Fahrzeughalterinnen/-haltern abzuschöpfen.
- 712 Verstöße wegen Personalienverweigerung wurden zur Anzeige gebracht.
Verfolgung und Vollstreckung
In 2020 erließen die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter der ZBS 445.107 Bußgeldbescheide, davon 33.622 mit Fahrverbot. 10.376 Bußgeldbescheide betrafen Halt- und Parkverstöße, 103.503 andere geringfügige Verstöße. In Verfahren wegen Halt- und Parkverstößen wurden 105.144 Kostenbescheide gemäß § 25a StVG erlassen, weil die Fahrzeugführerin / der Fahrzeugführer nicht festgestellt werden konnte.
In 26.044 Fällen (5,8 Prozent) wurden die Verfahrensakten aufgrund eines Einspruchs an die Justiz abgegeben. Die Einspruchsquote ist gegenüber 2020 (26.787 Fälle, 6,4 Prozent) leicht gesunken. Die Vollstreckung von Geldforderungen wurde in 66.311 Fällen eingeleitet, Erzwingungshaft in 3.309 Fällen beantragt.
Zur Entgegennahme der Führerscheine waren die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Führerscheinverwahrung in 31.757 Fällen tätig. In 2.223 Fällen musste die Beschlagnahme des Führerscheins angeordnet werden, um die Betroffenen zur Abgabe ihres Führerscheins zu bewegen.
Im Ausland wohnende Autofahrerinnen und Autofahrer, denen in Hessen Geschwindigkeitsüberschreitungen und andere schwerwiegende Verstöße vorgeworfen werden, erhalten ein Informationsschreiben gemäß § 27 StVG. Die/der ausländische Halter/in wird mit dem Informationsschreiben über die festgestellte Ordnungswidrigkeit in der jeweiligen Landessprache informiert und es erfolgt das Angebot – ähnlich einer Verwarnung –, die auf sie zukommende Geldbuße bereits vorab zu zahlen. Es wurden insgesamt 194.437 Informationsschreiben von der ZBS versandt (145.997 in 2020, plus 33,2 Prozent). Die Zahl der beteiligten Länder ist von 6 im Jahr 2015 auf 27 im Jahr 2021 gestiegen.
Den größten ausländischen Anteil an Verkehrsverstößen in Hessen haben weiterhin die Länder Polen und Niederlande. Im Rahmen der EU-Richtlinie über die grenzüberschreitende Verfolgung von Verkehrsverstößen werden acht Deliktsarten geahndet, wobei Geschwindigkeitsüberschreitungen mit 94,9 Prozent vertreten sind. Die weiteren Delikte betreffen unter anderem Rotlichtverstöße, unbefugte Fahrstreifenbenutzung, Nicht-Anlegen des Sicherheitsgurtes und Handy-Verstöße.
Abgeschlossene Verfahren
- Im Jahr 2021 schloss die ZBS 1.375.075 Verfahren ab (1.385.790 im Jahr 2020). 79,74 Prozent der Betroffenen (1.096.470 Fälle) zahlten die Ihnen auferlegten Geldbeträge, davon
- in 610.719 Fällen nach schriftlicher Verwarnung,
- in 323.238 Fällen nach Erlass des Bußgeldbescheids,
- in 43.015 Fällen nach Mahnung,
- in 19.904 Fällen nach Vollstreckung und
- in 1.180 Fällen nach Einleitung des Erzwingungshaftverfahrens.
Kostenbescheide gemäß § 25a StVG gingen in 48.964 Fällen der Zahlung voraus. Die Zahlungsbereitschaft musste davon in 24.725 Fällen durch eine Mahnung und durch Vollstreckungsmaßnahmen geweckt werden. 131.696 Verfahren wurden 2021 eingestellt, weil die verantwortliche Person nicht festgestellt werden konnte.
Aus den verfolgten Ordnungswidrigkeiten flossen 2021 66.325.026,06 Euro in den Landeshaushalt.
Im Jahr 2020 beliefen sich die Einnahmen auf 64.698.494,40 Euro. Der Einnahmenzuwachs korrespondiert mit den leicht gestiegenen Anzeigeneingängen.
Ausblick
Am 09.11.2021 trat eine Änderung der Bußgeldkatalog-Verordnung in Kraft, mit der die Sanktionen bei einer Vielzahl von Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr verschärft wurden. Insbesondere wurden die Geldbußen im ruhenden Verkehr zum Schutz schwächerer Verkehrsteilnehmerinnen/-teilnehmer (z.B. Parken auf Geh- oder Radwegen) und bei Geschwindigkeitsverstößen teils erheblich angehoben. Dies dürfte für die Zukunft zu höheren Einnahmen führen. Die ZBS Hessen richtet sich zudem für das Jahr 2022 auf einen weiteren Anstieg der Anzeigeneingänge ein.
Hintergrund:
Die Zentrale Bußgeldstelle des Landes Hessen ist beim Regierungspräsidium Kassel – Abteilung IV: Sicherheit und Ordnung – angesiedelt. Zu den Aufgaben der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gehört es, Verkehrsordnungswidrigkeiten zu ahnden, die in Hessen begangen und von den Polizei- und Ordnungsbehörden angezeigt wurden. Darunter fallen u. a. Verkehrsordnungswidrigkeiten nach dem Straßenverkehrsgesetz (StVG), der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO), der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO), der Fahrzeugzulassungs-Verordnung (FZV) und der Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV). Neben der Zentralen Bußgeldstelle sind die örtlichen Ordnungsbehörden der Kommunen zuständig für die Bearbeitung von Verfahren, die geringfügige Verstöße mit einer Regelsanktion von 55 Euro oder weniger betreffen (Verwarngeld). Verstöße auf dem Gebiet der Stadt Frankfurt werden von der Bußgeldstelle Frankfurt bearbeitet. (wal)