ÜBERALL AN DER AUTOBAHN. Irgendwie ist die Welt ganz einfach und gleichzeitig vollkommen kompliziert. Die A 49 ist Fluch und Segen zugleich, die Logistik sorgt dafür, dass auf unseren Esstischen, in unseren Kleiderschränken und in unserer Garage das steht, was unser Herz begehrt. Und da sind wir weder kompromissbereit; noch verstehen wir irgendwelchen Spaß. Fehlt etwas im Supermarkt, schalten wir automatisch in den Krisenmodus und fangen an zu Hamstern.
Werden unsere Wünsche nicht erfüllt, dann sind unsere Politiker unfähig und die Unternehmen kundenunfreundlich. Gleichzeitig finden viele von uns Logistik zunehmend doof, weil sie Flächen verbraucht und einfach nicht schön aussieht. Dabei würden wir gleichzeitig am liebsten alle Schlüsselindustrien – der Versorgungssicherheit wegen – aus China zurückholen. Natürlich dürfen auch die Fabriken allesamt nicht in Sichtweite von Siedlungen stehen. Am besten unterirdisch? Hand aufs Herz: in Nordhessen gäbe es nicht ein einziges Gewerbegebiet, wo ein größerer Industriebetrieb rechtssicher bauen könnte. Mit Logistikhallen ist es inzwischen ähnlich.
So gibt es zurzeit kaum einen Ort entlang der A 49, in dem es ohne Widerstand möglich wäre, eine Logistikhalle zu errichten. Argumente, wie „Lkw-Fahrer werfen ihren Dreck überallhin und pinkeln in die Landschaft“, müssen immer dann aushelfen, wenn Sachargumente schwer zu finden sind. Mit dem gleichen Argument könnte man jede Dorfkirmes verhindern, mit dem Unterschied, dass man diejenigen kennt, die am Kirmesplatz auf den Rasen pinkeln und womöglich gehört man selbst dazu.
Früher ging das doch irgendwie auch, und zwar anders …
Was war noch mal früher? Schauen wir doch zurück in die Zeit, als das Mattium, die Hauptstadt der Chatten noch stand, bevor es von den Römern niedergebrannt wurde. Es lag nördlich der Eder, vielleicht war es Geismar, vielleicht Maden, vielleicht Metze. Irgendwo in Nähe der heutigen A 49 jedenfalls lag die Siedlung aus Langhäusern und Holzhütten. Und schon zu dieser Zeit verlief eine Straße quer durch den Chattengau. Erst über die Höhen, entlang der Wasserscheiden, weil jedes Rinnsal ein Hindernis für die Ochsenkarren gewesen wäre und später auch durch die Niederungen. Aber auch über die Eder und andere Flüsse haben unsere Vorfahren unzählige Waren in Lastkähnen getreidelt.
Klar waren die Chatten Selbstversorger und trotzdem gefielen auch Ihnen schon schöne Stoffe und Tonwaren. Mit dem Gold aus der Eder konnten sie sich gelegentlich Wein vom Mittelmeer leisten, den römische Händler vorbeibrachten oder heimische Händler holten. Das war mit Muskelkraft zwar nachhaltiger, als wir heute Waren transportieren, regional war es aber auch damals schon nicht. Das relative Verhältnis zwischen Warenlagern und Bevölkerungsdichte dürfte ähnlich gewesen sein.
Und erinnern wir uns, Ötzi, die Mumie aus dem Eis im Ötztal ist auch schon über die Alpen marschiert, wohl mit Handelsware und er ist auf der Reise sogar ermordet worden. Logistik war offensichtlich schon immer ein heikles Geschäft. Zwischen dieser Zeit und der Gegenwart liegt eine lange Geschichte der Kurzen und der Langen Hessen (Handelsrouten) und einer Handelsstraße von Kassel an den Main. Auch damals gab es ausgefeilten Logistik.
Logistikkreuz Nordhessen vom Altertum über das Mittelalter bis heute
Die Knallhütte in Baunatal war ein paar Jahrhunderte später eine Pferdewechselstation, in der die Fuhrleute frische Pferde bekamen. So etwas wie ein früher Autobahnrasthof oder ein Logistik-Kreuz. Und wenn es damals schon Bürgerinitiativen gegen Logistikzentren und Fernstraßen gegeben hätte, niemand wäre vorbeigekommen und hätte Dorothea Viehmann Märchen erzählt und Dorothea Viehman hätte das Gehörte nicht den Brüdern Grimm weitererzählen können. Gäbe es keine Logistik, wir wüssten weder wer Rotkäppchen noch wer Dornröschen war. Andere wiederum glauben, dass es dann auch weniger Märchen über unsere Gegenwartsprobleme gäbe.
Wie dem auch sei: Heute wollen alle ganzjährig Weintrauben und Erdbeeren im Regal sehen, aus hunderten verschiedener Schokoladenriegel wählen können und jede Biersorte, die irgendwo gebraut wird, im Getränkemarkt finden. Zahncreme gibt es für die ersten Zähne, für kleine Kinder, für die zweiten Zähne, zum Aufhellen, gegen Parodontose, gegen empfindliche Zähne und später für die dritten Zähne. Und so ist das in allen Warengruppen. Wenn etwas nicht vorrätig ist, bestellen wir im Internet, und wenn Amazon, Baur, Otto, Zalando & Co nicht am nächsten Tag liefern können, dann sind wir stinksauer. Gleichzeitig wollen zunehmend mehr Menschen von Logistik nichts mehr wissen, weder Lidl soll in Edermünde bauen und in Gudensberg haben sich neue Parteien gegründet, auch um weitere Logistikhallen zu verhindern. So geht es überall entlang der A 49, die viele auch lieber wieder abreißen würden. In Schwalmstadt hat man sich auf ein „nachhaltiges Gewerbegebiet“ an der Autobahn verständigt, und niemand kann sagen, was das bedeutet.
Gäbe es keine Warenlager, also Großhändler mehr, müssten übrigens andere Steuern die Gewerbesteuereinnahmen ersetzen. Wir können gerne Wetten darüber abschließen, welche. Also:
Zwischen Aufbruch und Untergang?
Handel gab’s schon immer und Logistik ist keine Erfindung der jeweiligen Zeit gewesen, sondern stets nur Ausdruck dieser Zeit. Ohne Warenverkehr wären wir die unglücklichsten Menschen der Erde und würden Vorwürfe verteilen, weil nichts funktioniert. Wenn Nudeln oder Sonnenblumenöl knapp werden, haben wir so ein Gefühl, als ginge die Welt unter. Das ist heute so, war zu Zeiten der Brüder Grimm nicht anders und Logistik ist auch bei uns nicht erfunden worden. Auch vor uns haben Menschen schon getauscht und gehandelt und zwar nicht nur mit den unmittelbaren Nachbarn…
Ihr
Rainer Sander
2 Kommentare
bei uns haben Minderheiten das sagen und werden von unseren Medien forciert
in einer Demokratie entscheiden Mehrheiten was gemacht wird
aber das gibt es bei uns nicht mehr
hier wird geklagt und geklagt bis zum EUGH
die Welt lacht über uns
Nicht alle
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