KASSEL (pm). Das Angebot der Handwerkskammer Kassel, sich stärker als bisher in die Regionalplanung einzubringen, stieß bei Mark Weinmeister auf großes Interesse.
Der Kasseler Regierungspräsident, der seit gut zwei Monaten im Amt ist, zeigte sich bei seinem ersten Besuch am Scheidemannplatz im Gespräch mit Präsident Frank Dittmar und Hauptgeschäftsführer Jürgen Müller offen dafür, das Handwerk und seine Organisation hier künftig weiterreichend einzubinden, gehört doch die regionalplanerische Begleitung von Flächenentwicklungsmaßnahmen zu den Aufgaben eines Regierungspräsidiums (RP).
Die Entwicklung von Flächen betrifft das Handwerk ganz direkt, brauchen doch erfolgreiche Unternehmen eine Wachstums- und damit eine Zukunftsperspektive. Aber auch die Frage nach der Zukunft der Innenstadtbereiche und danach, welche Rolle Handwerkwerksbetriebe dabei spielen, beschäftigen Dittmar und Müller seit längerem. „Wir sind bereit, uns einzubringen“, lautet ihr Fazit.
Deshalb hat sich auch die Handwerksorganisation Gedanken gemacht, wo und wenn ja wie wieder mehr Handwerk in den Zentren und Innenstädten sinnvoll angesiedelt werden kann. Dabei wiesen Präsident und Hauptgeschäftsführer auch im Gespräch mit dem Regierungspräsidenten darauf hin, dass die Ansiedlung von Handwerksbetrieben in der Regel mit einem erhöhten Lärmpegel und Emissionen verbunden ist. Dennoch: Erste Konzepte, wie sich das Handwerk künftig in die Gestaltung städtischer Räumen einbringen kann, sind im Entstehen.
Für den Regierungspräsidenten kommt das Angebot zur rechten Zeit: „Es ist sehr gut, dass sich das Handwerk Gedanken zur regionalen Entwicklung macht“, entgegnete Weinmeister. „Denn wir treten gerade in den Prozess ein, den Regionalplan für NordOstHessen in Zusammenarbeit mit der Regionalversammlung bis 2035 fortzuschreiben“. Dabei gehe es darum, zuerst Flächenbedarfe und Nutzungskonzepte in den Kommunen zu ermitteln. Zu beachten sei aus Sicht des RP, künftig den Flächenverbrauch möglichst gering zu halten und konkurrierende Bedarfe (Gewerbe, Landwirtschtaft, Forst, Freizeit …) in Einklang zu bringen. Hierbei müsse man auch über Verdichtung in den Innenstadtbereichen reden.
Weiter informierte sich Weinmeister ausführlich über die aktuelle Lage des Handwerks in Nord-, Ost- und Mittelhessen. Dittmar und Müller berichteten, was das Handwerk am stärksten umtreibt. „An erster Stelle brennt unseren Betrieben der Fachkräftemangel unter den Nägeln“, erläuterte der Kammerpräsident. Was das Handwerk dagegen tue, sei verstärkt auszubilden. Und so war die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge bereits im zweiten Pandemie-Jahr, wenn auch nur leicht, gestiegen. Weiter integriere das Handwerk Geflüchtete, künftig auch gerne aus der Ukraine. Dabei sei allerdings wichtig, dass die Fragen nach Aufenthalt und Spracherwerb geklärt seien.
Eine Problematik, die auch dem Regierungspräsidenten nicht unbekannt ist. Aus seiner Sicht sei es eine grundfalsche Annahme, dass nur die akademische Bildung einen erfolgreichen Berufsweg garantiere. Hinzu komme die demografische Entwicklung. Beides zusammen stelle ein ernstes Problem für das Handwerk dar. Eine Einordnung, der Dittmar nur zustimmen konnte. Ergänzend wies der Kammerpräsident darauf hin, dass das Bildungssystem in Hessen offen und durchlässig wie in keinem anderen Bundesland sei und ein Studium auch mit einer guten Gesellenprüfung ermögliche.
Weiter ganz oben auf der Agenda des Handwerks stehen unterbrochene Lieferketten, horrende Preissteigerungen sowie Kosten und Sicherheit der Energieversorgung – und dies bereits im zweiten Jahr. „Wir brauchen Energie auch zur Herstellung unserer Materialen“, berichtete Dittmar. Als Beispiel führte er Zement und Stahl an und verwies auch auf Knappheit und Preissteigerungen beim Holz, das eben auch aus Russland und der Ukraine kommt. „Eine echt schwierige Situation, in der wir Aufträge haben, sie aber nicht zügig genug abarbeiten können.“
Im Ergebnis, so Dittmar, seien in den letzten beiden Jahren Baupreissteigerungen von bis zu 20 Prozent zu verzeichnen gewesen. Vor diesem Hintergrund sei das Ziel der Bundesregierung, 400.000 bezahlbare und klimagerechte Wohnungen pro Jahr zu bauen, sportlich, so Dittmar, denn neben den gestiegenen Preisen fehlten den Betrieben ja auch die Fachkräfte.
Am Ende des Austauschs übergab Müller die aktuelle handwerkspolitische Agenda des hessischen Handwerks an den neuen Regierungspräsidenten. (pm)