Mahnwache für Frieden in der Ukraine in Gudensberg
GUDENSBERG. Wenn es eine Stadt in Nordhessen, Hessen oder Deutschland gibt, in der kommunale Partnerschaft, also Begegnung an der Basis, gepflegt wird, so ist das Gudensberg. Es war nach den Ereignissen am Maidan, als über die polnische Partnerstadt Jelcz Laskovice erste Kontakte in die Region Lemberg, nach Schtschyrez zustande kamen. Wenig später fanden die ersten Besuche statt.
Schnell wurde eine Partnerschaftsurkunde unterzeichnet. Viele Jahre sind in gegenseitigen Besuchen, mit ausgemusterten, aber funktionsfähigen Fahrzeugen, beispielsweise für die Feuerwehr in Schtschyrez, dem Aufbau der Kanalisation und bald auch einer Kläranlage, die kommunale Kooperation gelebt worden. Die vielen Vereinsbesuche und Austausch im Jugendbereich haben Freundschaften begründet. Bürgermeister Oleg Vasylyschyn und Iryna Mykytka (Germanistiksprofessorin und Übersetzerin) gehören zu den Gudensberger Veranstaltungen längst genauso, wie die Nachbar-Bürgermeister Thomas Petrich oder Frank Grunewald.
450 Menschen aus Gudensberg und Umgebung waren gestern Nachmittag einem Aufruf des Gudensberger Partnerschaftsvereins gefolgt und hatten sich um 15:00 Uhr vor dem Gudensberger Rathaus versammelt. Ingbert Radloff hat die Veranstaltung organisiert, begrüßte als Vorsitzender des Partnerschaftsvereins und stellte den Bruch des Völkerrechts noch einmal klar.
Frank Börner: nie gedacht, Bürgermeister Vasylyschyn im Kampfanzug zu sehen
Frank Börner wollte nie als ehemaliger Bürgermeister auftreten. Bereits am zweiten Tag nach Ende seiner Amtszeit musste er mit diesem Vorsatz brechen. Auch als Kreistagsabgeordneter stand er vor der Rathaustreppe. „In diesen Minuten kämpfen und sterben unsere Freunde in der Ukraine“, waren seine ersten Worte: „Ich hätte nie gedacht, dass einmal mein Freund und Bürgermeister Oleg Vasylyschyn im Kampfanzug zu mir spricht.“ Börner selbst sprach in einem Hemd der ukrainischen Tracht, als Zeichen der Verbundenheit. „Ich hätte nie geglaubt, dass ich einmal einen Anruf meines Freundes und Reiseleiters Pawlo bekomme, der um Helme, Schutzwesten und Blutstopper bittet. Die werden doch bei Euch nicht gebraucht, hat er gesagt.“
In der Partnerstadt Schtschryrez sind, wie überall in der Ukraine, alle wehrfähigen Männer zu den Waffen gerufen. Das mit Gudensberger Hilfe ausgerüstete Krankenhaus in der Stadt bereitet sich gerade auf das Schlimmste vor. „Wir wollen nur in Frieden und Freiheit leben“, so die Worte des Bürgermeisters, „und lieber Frank“, so sagte er zu mir „das sollen alle Bürger in Gudensberg wissen, Ihr seid unsere Freunde“.
Zusammen an den Gräbern gestanden
Doch die Mächtigen in Russland wollten genau das zerstören. Der russische Überfall sei nicht nur eine Kriegserklärung für ein friedliebendes Land, sondern für alle Demokratien auf der Welt. Die Menschen in der Ukraine hätten sich Frieden und Freiheit in den letzten 30 Jahren unter schwersten Bedingungen erkämpft und mit den Toten auf dem Maidan in Kiew und 14.000 toten Soldaten in der Ostukraine teuer bezahlt. Auch in Schtschyrez habe er an den Gräbern der Gefallenen gestanden. Jetzt kämpfen die Menschen wieder… Sie verteidigen auch unsere Freiheit. Er habe in der Ukraine keine Kriegstreiber kennengelernt, wie es Putin unterstellt.
Während Deutschland Aufbauhilfen in der Größenordnung von 2 Mrd. € geschickt hat, schickte Putin stets nur Hasstiraden und jetzt seine Panzer, Raketen und Bomben. Es reiche nicht mehr aus, dem Elend des Krieges im Fernsehen zuzusehen: „Die Menschen in der Ukraine erwarten, dass wir aufstehen, so wie heute bei dieser mächtigen Kundgebung in Gudensberg.“ Jetzt würden auch wir einen Preis bezahlen müssen, es bedürfe dennoch harter Sanktionen. „Wehret den Anfängen“, spielte Börner darauf an, dass der Hunger Putins möglicherweise andauern würde, wenn man ihn jetzt nicht bremst. Die ukrainischen Freunde haben immer wieder gesagt, für ihn sind wir der verhasste Westen, leider haben sie recht behalten. Börner beendete seine Rede mit dem Gruß „Slava Ukraini“ (deutsch: Ehre der Ukraine) aus einem Gedicht von Taras Schewtschenko aus dem Jahr 1840, der bereits im Unabhängigkeitskrieg (1917 bis 1921) verwendet wurde.
Zwischen Wut, Ratlosigkeit und Betroffenheit
Tom Sohl (CDU) sagte, in diesen Tagen sei es egal, welcher politischen Richtung man angehört und er hofft, dass sich viele Bürger auch in Russland zu Wort melden, selbst wenn sie dann persönliche Nachteile in Kauf nehmen müssten. Florian Geißer (SPD) macht es traurig, jetzt vielleicht die Möglichkeit zu verlieren, selbst in die Partnerstadt zu fahren. Der Angriff sei ein Angriff auf Europa. Er kennt weder Krieg, noch Kalten Krieg und sucht in der Erschütterung nach Antworten. Kerstin Asmer (B 90/GRÜNE) stellte fest, dass nichts mehr so sei, wie es war. Sie bekannte sich auch zur Wut. Es mache noch Betroffener, wenn man Menschen kennt. Anja Weber (FWG) sprach von Sorge und Unsicherheit. Die Botschaften aus der Ukraine drückten den Wunsch aus, in Frieden zu leben. Niemand redet von Hass oder Gewalt. Einen Krieg kann niemand gewinnen!
Dr. Thorsten Ebert (Städtische Werke Kassel) war zusammen mit einer Gudensberger Delegation in Schtschyrez und hat dort die gleichen Menschen gesehen, wie hier, die positiv in die Zukunft sehen. Diese fröhlichen Gesichter möchte er alle gerne wiedersehen. Die erkrankte Bürgermeisterin Sina Best wurde durch den Ersten Stadtrat Günter Hempel (CDU) vertreten. Er sei erschüttert und hätte es nie für möglich gehalten, dass so etwas passiert. Freunde sind plötzlich durch Kampfhandlungen vom Tode bedroht.
Zahlreiche Gäste und Fernsehen
Unter den Gästen auch Staatssekretär Dr. Edgar Franke (SPD), Regierungspräsident Mark Weinmeister (CDU), Landrat Winfried Becker (SPD) und Erster Kreisbeigeordneter Jürgen Kaufmann (SPD). Auch der hessische Rundfunk war dabei und zeigte einen Bericht im Hessen-Fernsehen. Spendenkonto Gudensberger Partnerschaftsverein e.V.: Kreissparkasse Schwalm-Eder, DE04 5205 2154 0139 0062 25, Verwendungszweck: Ukraine. (Rainer Sander | Text) (Tino Basoukos | Fotos + Video)
HIER finden Sie ein Interview mit Bürgermeister Oleh Vasylyschyn aus Schtschyrez.
2 Kommentare
Immerhin hat Putin dafür gesorgt, dass keiner mehr über Corona spricht. Als ob es nie da gewesen ist.
In Schwalmstadt könnte auch so was stattfinden gegen Putin
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