Narzissen und Blausterne zur Solidarität mit der Ukraine
NIEDENSTEIN | ZIERENBERG. Zwei außergewöhnliche Anlässe führte gestern Bürgermeister Frank Grunewald mit den Ortsvorstehern der Stadt Niedenstein in den Gartenbaubetrieb Härtl. Florian und Martina Härtl übergaben zwei Pflanzkästen mit gelben und blauen Blüten, den Farben der ukrainischen Flagge. Anlass aber waren Schneeglöckchen, einer ganz besonderen artenschützenden Gattung.
Vor einem Jahr, im März 2021, hatte Karl-Heinz Härtl Bürgermeister Frank Grunewald in seine Gewächshäuser eingeladen, um ihm eine botanische Besonderheit vorzustellen. Das Schneeglöckchen vom Burgasunger Klosterberg. Eine Pflanze, die er im Frühjahr gern überall blühen sehen würde. Der Bürgermeister versprach, im nächsten Jahr für eine Verbreitung zu sorgen.
Kreuzritter brachten damalige Heilpflanze „gegen das Vergessen“ mit
Mit viel Leidenschaft und Herzblut schilderte sein Sohn, Gärtnermeister Florian Herschel gestern den langen Weg des außergewöhnlichen Schneeglöckchens aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart.
Kreuzritter hatten sie einst im 13. Jahrhundert nach Nordhessen mitgebracht, zu Ehren der heiligen Maria. Damals wurden Schneeglöckchen in dem Klostergarten nicht nur zur Augenweide in den letzten, tristen Winterwochen bewundert, auch ihre Heilwirkung wurde geschätzt. Gegen Alzheimer (Gedächtnisschwäche) und die damals weitverbreitete Kinderlähmung konnte sie helfen.
Schneeglöckchen produziert Nektar noch nach der Bestäubung
Die besondere Art vom Burghasunger Klosterberg, ursprünglich wohl aus Alpentälern, bietet eine weitere, absolut einzigartige Besonderheit. Nach der Bestäubung durch Bienen stellen alle Pflanzen die Produktion von Nektar ein. Der Job ist getan, die eigene Fortpflanzung gesichert! Das Schneeglöckchen vom Burghasunger Berg verhält sich anders. Es produziert noch wochenlang weiter Nektar und liefert damit den Bienen – in der nahrungsarmen Winter-Phase – weiterhin den wertvollen Nektar.
In einer Zeit, in der immer weniger Pflanzen blühen und Arten sterben, entstehen Lücken in der Nahrungskette für viele Insekten. Das macht die botanische Anomalie dieser Schneeglöckchen Art so wertvoll für die Artenvielfalt und die Biodiversität. Eine kleine Blüte hilft gegen die Folgen des Klimawandels und unserer Art des Umgangs mit der Umwelt.
Aus dem botanischen Garten vor 40 Jahren gerettet – Appell an Kommunen!
Karl-Heinz Härtl hat 1982 noch im botanischen Garten in Kassel gearbeitet, wo eine kleine Kultur der Schneeglöckchen vom Burghasunger Klosterberg gepflegt wurde. Durch einen Disput wäre diese seltene Pflanzenart beinahe komplett verloren gegangen. Der Gärtnermeister hat sie seitdem gepflegt und kultiviert. Jetzt ist sie in ausreichender Menge vorhanden und steht in der Niedensteiner Gärtnerei allen Interessenten für den heimischen Garten und Kommunen für die gemeindeeigenen Grünflächen zur Verfügung. Hertels hoffen, dass möglichst viele Menschen, Städte und Gemeinden das Angebot nutzen, um den Bienen zuliebe diese besondere Pflanze zu nutzen.
Einmal eingepflanzt, möglichst in der Nähe von Hecken oder Bäumen, damit etwas Wurzeldruck entsteht, kommt sie jedes Jahr mit den ersten Sonnenstrahlen wieder zum Vorschein. Dann erfreut sie nicht nur die schwarz-gelben Bestäubungskünstlerinnen, sondern auch die Menschen.
Ab 1. März im Verkauf für alle
Die Stadt Niedenstein bekommt als erste 50 Pflanzen für jeden Stadtteil. Die Ortsvorsteherinnen und Ortsvorsteher nahmen das besondere Niedenstein Pflänzchen mit Freude entgegen. Für alle, die Interesse an der seltenen Schneeglöckchen-Art haben: der Gartenbaubetrieb Härtl in Niedenstein ist ab 1. März wieder geöffnet. Florian Härtl würde sich auch über größere Bestellungen von anderen Kommunen freuen, die etwas gegen das Artensterben unternehmen wollen.
Blau-Gelb zur Solidarität vors Rathaus
Als Dank für dieses Engagement übergab Familie Härtl der Stadt noch eine Stiege mit gelben Reifrock-Narzissen und eine weitere mit sibirischen Blausternen. Übereinander gestellt ergeben sie fast exakt die Farben der ukrainischen Nationalfahne. Eine schöne Geste in den Tagen, in denen der mehr als 70-jährige europäische Frieden endete. Bürgermeister Frank Grunewald und Martina Junghans von der Stadt Niedenstein wollen dafür ein Plätzchen vor dem Rathaus suchen. (rs)